Titus. Andreas Dietrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Dietrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741805608
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Distanz zur Geschichte und die Perspektive des Erzählers. Die Stimme schlussendlich stellt die Frage wer spricht. Der Erzähler, die Hauptfigur in der Handlung, oder eine Nebenfigur? All das werde ich Euch genauer erklären, wenn Wir bei den jeweiligen Punkten angekommen sind. Nun lasst uns aber bei der Ordnung anfangen.

      Heute starte ich mit der Erzähltheorie, genauer gesagt mit dem Modell von Genette. So wie ich es Euch letzten Freitag versprochen habe. Genette’s Erzähltheorie kann man in fünf Rubriken einteilen: Die Ordnung, die Dauer, die Frequenz, der Modus und die Stimme: Die Ordnung behandelt die chronologische Abfolge der Erzählungen. Was wird wann erzählt. Die Dauer gibt das Verhältnis zwischen erzählter Zeit und Erzählzeit an. Die Frequenz gibt die Häufigkeit der Erzählungen an. Wie oft wird eine Geschichte erzählt. Der Modus beschreibt die Distanz zur Geschichte und die Perspektive des Erzählers. Die Stimme schlussendlich stellt die Frage wer spricht. Der Erzähler, die Hauptfigur in der Handlung, oder eine Nebenfigur? All das werde ich Euch genauer erklären, wenn Wir bei den jeweiligen Punkten angekommen sind. Nun lasst uns aber bei der Ordnung anfangen.

      In der Ordnung treten hauptsächlich zwei Kategorien auf. Die Analepsen und die Prolepsen. Zu den Prolepsen werde ich später kommen. Die Analepsen sind Rückbezüge auf Vergangenes. Wenn ich heute also von gestern erzähle, benutze ich eine Analepse. Dabei werden die Analepsen noch unterteilt: In interne und externe. Stellt Euch vor, ich würde eine Geschichte erzählen, die in der letzten Sommerferienwoche beginnt und Anfang Dezember endet. Wenn ich nun plötzlich etwas aus der Grundschulzeit berichte, so wäre dies eine externe Analepse, da Sie außerhalb der Basiserzählung liegt. Die Basiserzählung beginnt ja erst am Anfang der elften Klasse. In etwa so würde es klingen:

      Ich weiß nicht, ob Ihr jemals in der Grundschule oder in der ersten Sekundarstufe die Erzähltheorie behandelt habt. Satzbau und Zeichensetzung, das oder dass, Aktiv und Passiv, Namen und Eigennamen, Abkürzungen und Kurzwörter, flektierbare und nicht flektierbare Wortarten, Substantive und Verben, Adjektive und Präpositionen, Gedichte und Reime, Kurzgeschichten und Fabeln, Märchen und Sagen, Drama und Puppenspiel, Lesen und Verstehen, Beschreiben und Interpretieren, Erörtern und Reden, all das stand im Lehrplan, die Erzähltheorie aber nicht.

      Ihr habt nun eine externe Analepse gehört. Interne Analepsen sind, wie der Name schon sagt, intern. Das heißt, ich müsste Euch jetzt eine Geschichte erzählen, die in der Vergangenheit liegt, aber nach den Sommerferien beginnt. Wenn ich Euch gleich eine interne Analepse erzähle, so werdet Ihr sehen, dass ich mehrere erzählen muss. Warum? Ganz einfach: Interne Analepsen werden in heterodiegetisch und homodiegetisch unterteilt.

      Heterodiegetische Erzählungen betreffen nicht die Basishandlung. Sie liegen aber in dieser! Würde ich also eine Geschichte erzählen, die sich auf die Schule konzentriert, und ich würde erzählen, was außerhalb der Schule passiert, so wäre dies eine heterodiegetische Erzählung. Ich gebe Euch ein Beispiel:

      Ich erinnere mich noch genau: Es ist der letzte Samstag, bevor die Schule wieder beginnt. Meine Familie macht einen kleinen Ausflug in einen nahegelegenen Freizeitpark. Wir stehen gegen acht Uhr auf und fahren kurz nach neun Uhr endlich los. Rund ein Drittel des Tages verbringen wir dort. Wir fahren mit der Achterbahn. Besuchen das 3D-Kino. Schaukeln mit dem Schiff. Fahren mit dem Wasserraddampfer über dem See. Natürlich fahren wir auch mit dem Zug, der uns einen guten Überblick über alle Attraktionen bietet. Um achtzehn Uhr treten wir unsere Heimreise an und der Tag klingt mit einem Abendessen ohne Musik, aber mit Fernseher aus.

      Ich wende mich wieder der Klasse zu:

      Homodiegetische Erzählungen liegen in der Basiserzählung und betreffen auch deren Handlung. Dabei gibt es zwei Arten: Die kompletive Analepse und die repetitive Analepse.

      Repetitive Analepsen sind Rückbezüge auf die Vergangenheit. Dabei wiederhole ich etwas, was schon längst erzählt wurde. Würde ich Euch noch einmal erzählen, was letzte Woche geschah, so wäre es eine repetitive Analepse. Ihr ward ja letzte Woche alle anwesend und kennt also die Ereignisse von letzter Woche.

      Warum wir in den Freizeitpark gingen? Die Kinder wollten es so. Zoe hatte sich ja einen Tag zuvor, besser gesagt am Abend zuvor, beschwert, dass ich in den letzten Wochen keine Zeit für Sie hatte. Sie sprach wortwörtlich „Bist Du mit Deinem Skript nun fertig geworden? Können wie jetzt auch mal wieder etwas gemeinsam tun?“ Ich sprach, dass ich mit dem Deutschskript fertig bin. Ich hatte gerade noch einmal den ersten Teil von Genette’s Modell überarbeitet und wollte am zweiten November mit der Erzähltheorie beginnen. Als Erstes sollte die Ordnung mit den Analepsen und Prolepsen erklärt werden.

      Nachdem Beispiel fahre ich vor der Klasse fort:

      Nun wisst Ihr, was eine externe, was eine interne Analepse ist. Zum Schluss dieser Doppelstunde möchte ich Euch noch ein Beispiel für eine kompletive Analepse geben. Kompletive Analepsen liegen ebenfalls immer innerhalb der Basiserzählung. Sie betreffen auch die Basishandlung. Sie wiederholen aber nicht etwas, sondern erzählen etwas aus der Vergangenheit, das der Leser noch nicht wusste. Der Erzähler füllt also eine Lücke in der Vergangenheit aus.

      Es ist am Abend des fünfte August. Punkt Zwanzig Uhr beginnen die Nachrichten, die ich immer verfolge. Ich sehe fünf Minuten der Nachrichtensprecherin zu, ehe mich der Blitz trifft. Ein Geistesblitz kommt mir in den Sinn. Am Ende der ersten Doppelstunde Deutsch, in der ich mit der Erzähltheorie beginnen möchte, könnte ich doch am Ende schon eine Prolepse einbauen und den Schülern mitteilen, dass am Freitag die Prolepsen Thema des Unterrichts sind. Ich hoffe, ich werde diesen kurzen Absatz nicht vergessen.

      Es klingelt.

      OK. Ich wünsche Euch noch einen schönen Tag. Am Freitag werde ich Euch dann die Prolepsen und Ihre Varianten erklären.

      Prolepsen

      Der Mittwoch ging vorüber, genauso wie der Donnerstag. So war heute schon wieder Freitag. Diesmal der vierte November. Wie ich der Klasse am Mittwoch versprochen hatte, kamen heute die Prolepsen dran.

      Ich sprach zur Klasse:

      Die Prolepsen sind immer ein Blick in die Zukunft. Wie die Analepsen kann man auch sie in interne und externe unterteilen. Während die externen Prolepsen außerhalb der Basiserzählung liegen, befinden sich die internen Prolepsen zeitlich innerhalb der Basiserzählung. Würde ich also eine Geschichte erzählen, die Anfang Dezember endet, und darin würde ich etwas über den Januar erzählen, so wäre dies eine externe Prolepse. Würde ich hingegen etwas vom Ende November erzählen, so wäre dies eine interne Prolepse. Da wir aktuell Anfang November haben, wären dabei beide Geschichten in der Zukunft. Ich gebe Euch gleich ein Beispiel für eine externe Prolepse.

      Es sollte am zweiten Januar des nächstes Jahres geschehen. Franziska, meine wundervolle und schlagfertige Tochter, sollte einen Ihrer schlimmsten Tage erleben. Franziska ging früher als normal zur Schule. Sie hatte sich in den Weihnachtsferien entschieden, es mit Ihrem Verehrer zu probieren. Franziska hatte sich inzwischen auch in Ihn verliebt und konnte nur noch selten nicht an Ihn denken. Fast vergessen hatte Sie, dass Ihr früherer Freund Sie verlassen hatte. Fast vergessen war der Schmerz. Fast vergessen und doch Teil Ihres Lebens. Nun sollte also Ihr Verehrer Ihr neuer Freund werden. Sollte. Denn auch wenn es der schönste Tag im Leben von Franziska werden sollte, er wurde es nicht. Als Franziska in die Schule kam, traf Sie Ihn nicht. Er kam nicht zur ersten Stunde. Er kam nicht zur zweiten. Auch nicht zur dritten oder vierten Stunde. Er kam heute gar nicht in die Schule. Nicht nur Franziska wunderte sich, auch alle anderen. In der großen Hofpause fragte Franziska den Freund Ihres Verehrers, ob dieser denn wüsste, wo Er denn heute war. Doch auch er wusste es nicht. Beide gingen dann zu Ihm nach Hause, doch es war keiner da. So wollten Franziska und der Freund Ihres Verehrers um neunzehn Uhr noch einmal vorbeischauen.

      Im Anschluss an die externe Prolepse zeigte ich meiner elften Klasse nun eine interne Prolepse. Wie bei den internen Analepsen werden auch die internen Prolepsen in homodiegetisch und heterodiegetisch unterteilt.

      So wandte ich mich meiner Klasse zu:

      Homodiegetische Prolepsen werden wie die homodiegetischen Analepsen nochmals unterteilt. Es gibt kompletive und repetitive Prolepsen.

      Kompletive