Leichte Beute. Ruth Broucq. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ruth Broucq
Издательство: Bookwire
Серия: Trümmerprinzessin
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742742445
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wären die anderen Jungs, gegen ihn Schmalhänse, ihm sicher sogar unterlegen. Unter strähnigen hellblonden Haaren, in nassem Elvis- Schnitt gestylt, thronte sein runder Schädel, auf breiten Schultern. Seine wasserblauen Augen blickten ehrlich in die Welt, und sein voller Schmollmund gab dem ganzen Gesicht fast etwas weiches, weibliches, obwohl es von seiner etwas zu breiten Boxernase dominiert wurde. Sein Blick hatte sogar etwas Liebes, dass ich ihn sekundenlang sogar hübsch fand, obwohl er eigentlich nicht mein Typ war. Das Gesamtbild, ein ganzer Kerl und der mir sogar gefiel.

      Blöd, dass sich die Halbstarken immer erst so hervortun müssen, dachte ich, Kopfschüttelnd und nahm das Getränk an.

      Ab dem Tag sah ich Dieter fast täglich, auch nachdem ich den Club, mangels Gästen, wieder aufgegeben hatte. Ich hatte den Eindruck, er suchte immer meine Nähe, war ständig vor meinen Augen, egal in welchem Lokal ich mich aufhielt. Dieter begleitete mich wie ein Schatten. Ich fühlte mich zwar geschmeichelt, war jedoch nicht interessiert. Denn mein Herz gehörte meinem Robert, auch wenn er weit weg war.

      Im dunklen Saal des Beat-Clubs bekam mein Zugehörigkeitsgefühl eines abends plötzlich einen Sprung, und mein Selbstvertrauen einen argen Dämpfer, sodass ich das gewaltig wieder aufbauen musste.

      Brigitte genannt Witti, die Tochter des Metzgermeisters Wittenstein, Edda und ich waren in mal wieder zusammen tanzen. In ausgelassener, fröhlicher Stimmung, amüsierten wir uns köstlich, lachten und alberten, ohne zu wissen, worüber eigentlich. Wir tanzten, hopsten und sprangen, wie wild auf der gut gefüllten Tanzfläche herum, als ich der roten Renate versehentlich, kräftig auf einen Fuß trat.

      „Au. Pass doch auf, du ungehobeltes, dummes Luder. Meinst du, du kannst dir alles erlauben?“, schrie sie mich, wie von Sinnen, an, und hüpfte auf einem Bein herum, während sie sich den anderen Fuß festhielt. Ausgerechnet Renate, war das Opfer meines Übermutes. Renate, die rote Stelze, wie wir sie heimlich nannten, weil sie in ihrem unglaublich engen Rock, und den viel zu hohen Pfennigabsätzen, immer so stocksteif auf einem Fleck tanzte, was wohl beim Rock n Roll eine Kunst für sich war, aber doof aussah.

      Erst stoppte ich erschreckt, wollte mich entschuldigen, aber weil ich sie wegen ihrer ungeschickten Hüpferei so komisch fand, musste ich lachen. Vor Lachen prustend alberte ich: „Hi hi hi. Rumpelstilzchen! Seht mal, die rote Stelze sieht aus wie das Rumpelstilzchen! Ach, wie gut dass niemand weiß, dass ich Rempelstelzchen heiß! Ha ha ha!“

      Ich krümmte mich vor lachen, und meine Freundinnen mit mir.

      Wütend vor Schmerz, wies die Verletzte mich sauer zurecht: „Du dämliche, kleine Fabrikflitsche, bist du eigentlich nur doof? Kein Wunder, dass der Zack dich nicht ernst nimmt. Du lässt dir von ihm einen dicken Bauch machen, und während du mit dem Werfen beschäftigt bist, steckt der Zack sein Ding woanders rein. Kein Wunder. Geschieht dir recht, blöde Kuh“, zischte sie hämisch.

      Ich stand wie erstarrt, wurde weiß um die Nase, hatte das Gefühl gleich umzukippen, und starrte in das, zur gehässigen Fratze, verzogene Gesicht der roten Renate. Ich sah nicht den Schmerz in ihrem Gesicht, nahm nicht richtig wahr, dass der Schmerz durch meine Unachtsamkeit, meinen Übermut entstanden war, und das war mir auch völlig egal. Auch, dass diese gepflegte Erscheinung, mit dem schönen kupferroten Haar, eigentlich ein ruhiges, friedliches Geschöpf war, das sonst niemanden zu nahe trat, fiel in dem Augenblick nicht ins Gewicht. Mir war nur, als zöge dieses Mädchen mir den Boden unter den Füßen weg

      Auch meine Freundinnen standen wie vom Donner gerührt, auf der Stelle, und sahen mich entsetzt, abwartend an.

      In dem Augenblick war gerade eine Musikpause, und es wurde ganz still im Raum.

      „Wusstest du davon, Edda? Und du, Witti?“, fragte ich leise.

      Die verlegenen Mienen, der beiden, sprachen Bände, als Edda endlich nickte. Wortlos ging ich.

      Als ich auf den Ausgang zusteuerte, hörte man in der Stille nur das Stakkato von Renates Absätzen.

      Erst ein paar Tage später fragte ich, meine Freundin, nach Einzelheiten.

      „Was soll ich dir sagen?“, fragte Edda bedrückt, und ich ahnte, wie schwer es ihr fiel, mir die Wahrheit zu sagen.

      „Alles!“, verlangte ich nur.

      „Tja, es war an dem Samstag, als du ins Krankenhaus kamst. Wir sind ziemlich spät beim Seemann, unten in Burg, gewesen. Der Zack war so besoffen, dass er jedes Weib angrabschte, was ihm vor die Hände kam. Irgendwann hing er so ner Kuh auf der Schulter, und wir befürchteten, dass er gleich kotzt, wie üblich. Also haben wir beschlossen, ihn raus zu bringen. Ins Auto. Die Elke Weigand hat sich dann bereit erklärt, bei ihm zu warten, bis er eingeschlafen ist. Als die dann nach langer Zeit nicht wieder rauf kam, haben wir mal aus dem Fenster geguckt. Tja, und weil das Auto direkt da drunter stand, haben wir es dann gesehen“, schloss Edda ihren Bericht, mit schamhaft gesenktem Blick ab.

      „Was? Was habt ihr gesehen? Und wer alles?“, fragte ich hart.

      „Na, dass die gepoppt haben. Und alle, na alle die dabei waren. Eben die ganzen Jungs, und Witti und ich, natürlich.“

      „Also, Klaus, Wulf, der Coco, der Wersbach, und??? Wer noch? Ich will es genau wissen“, forderte ich zornig.

      „Mensch, Ruth, ist das nicht egal? Weiß nicht. Ich glaube der Gunni, und der Rudi waren auch noch da. Mädels, die Renate und die Heidi, ja und…“

      „Mädels sind mir egal, unwichtig, wer da alles bei war. Jungs will ich möglichst alle wissen“, bestand ich eigensinnig auf die Vollständigkeit der Namen.

      „Warum? Das weiß ich doch nicht mehr, Mensch. Die Kneipe war voll und wir auch. Na ja, zumindest die meisten.“ schränkte Edda ihre eigene Zurechnungsfähigkeit, dieses Abends, ein.

      „Und was haben alle zu Roberts Abstecher gesagt?“ wollte ich die bittere Wahrheit ganz genießen.

      „Gesagt, gesagt. Alle fanden es scheiße. Erst haben die Jungs gelacht, kennst die doch, und dann waren sie sich alle einig: Scheiß Spiel, was der Zack da macht. Aber keiner hätte es verhindern können. Wie auch? Hingehen, und ihn von der Kuh runter holen? Nee, auch scheiß“, verteidigte Edda ihre Position.

      „Schon gut, Edda. Natürlich hätte keiner von euch den Drecksack hindern können. Wenn der poppen will, ist dem alles egal. Besonders wenn er gesoffen hat. Egal, schon gut. Muss ich mit leben“, sagte ich tief deprimiert.

      „Was soll dann die ganze Fragerei? Was hast du vor?“, fragte die Freundin lauernd, als ahne sie den Hasenfuß.

      „Auch poppen!“, erwiderte ich schlicht.

      „Wie? Was? Mit Wem?“, verstand Edda nichts mehr.

      „Mit allen!“, gab ich bereitwillig Auskunft.

      „Wie mit allen? Versteh ich nicht. Wen meinst du denn?“, wunderte sie sich.

      „ Klaus, Wulf, Coco, Wersbach, Gunni, Rudi! Fallen dir vielleicht doch ein paar mehr ein?“, fragte ich mit Unschuldsmiene.

      Edda sah mich mit offenem Mund an, stotterte unsicher: „Was? Du meinst doch nicht, dass du mit all denen poppen willst? Das ist nicht dein Ernst.“

      „Und ob es das ist. Klar! Kann ich nicht poppen mit wem ich will?“, fragte ich trotzig, und auf ihr verwundertes Nicken erklärte ich ihr: „Kennst du das nicht? Auge um Auge? Was der Drecksack kann, kann ich noch viel besser. Und wer weiß, vielleicht räche ich mich gleichzeitig für noch mehr Ausrutscher, von denen ich nur noch nichts weiß? Aber außerdem kommt es doch auf einen mehr oder weniger eh nicht an. Auf jeden Fall, werde ich jeden flach legen, der Bock auf mich hat. Die Rache ist mein“, betonte ich grimmig.

      „Und wenn der Robert das erfährt?“, wollte Edda wissen.

      „Das hoffe ich doch! Dass er das genauso präsentiert kriegt wie ich. Der soll genau so einen Tiefschlag kriegen, wie ich ihn einstecken musste. Mit mir macht der solche Sachen nicht ungestraft!“

      Erklärte ich dem Untreuen, in Abwesenheit, den Krieg.

      Die