Greten und Hans verschwanden durch die gute Stube in ihrem Alkoven. Lisa und Laars weckten mal wieder die Kuh auf und das dritte Rad am Karren, der höchst überflüssige Pit lag mit hochrotem Kopf und einem mächtigen Ständer daneben und lernte. Als Pit am frühen Morgen erwachte, lag Lisa dicht an ihn geschmiegt bei ihm. Auch Laars war erwacht und schaute ihn über die Decke hinweg breit grinsend an. Na, was ist? Tönte er, du weißt doch inzwischen wie es geht, du eiserne Jungfrau. Pit streichelte Lisa vorsichtig bis sie erwachte und ihn lächelnd ansah. Die knisternde Spannung entlud sich in einem „Einführungsritus“ zu dritt, den Pit sein ganzes Leben hinweg nicht mehr vergessen sollte. Nach diesem Befreiungsschlag wollte keiner so recht in Gang kommen und Hans, der zwar etwas argwöhnisch guckte, molk selbst die Kuh.
Die Tage gingen ins Land und die Nächte waren, auch mit der Mithilfe von Pit, sehr angenehm und immer wieder lehrreich. Angst vor dem reitenden Kirchenvolk brauchte Pit in dieser schneereichen Winterzeit wohl nicht zu haben. Aber auch der längste Winter mit seiner Tristesse, Langweiligkeit und Geilheit, geht einmal vorbei. Mit dem ersten Tauwetter kamen auch die sorgenvollen Gedanken wieder und eine innere Unruhe verhieß Pit, dass es bald Zeit zum Aufbruch sein würde, während das bäuerliche Leben auf dem Hof wieder erwachte. Auch, wenn es genügend Arbeit bei Hans Wilken gab, so war doch allen klar, dass Pit weder als Knecht bei Hans bleiben wollte, noch bleiben konnte. Er hätte auch diesen Hof nur gefährdet und der Willkür der Inquisition ausgesetzt.
Der Tag des Aufbruches war gekommen. Der Schnee war geschmolzen und die ersten Frühblüher steckten ihre Köpfe aus der noch kalten Erde. Pit grauste es vor den unsäglich kalten Nächten, die er im Freien verbringen würde. Aber der Abschied war unvermeidlich. Seine Häscher würden bald wieder auftauchen und dann wären auch die freundlichen Bauersleute nebst dem Gesinde mit ihm in Gefahr.
Der lange Hans hatte ihm erklärt, wie er die nahe Stadt weit umgehen konnte. Es war jedoch auf diesem Pfad nicht zu vermeiden, dass er nahe an einem großen Hafen vorbei kommen würde. Hier wäre verstärkt Vorsicht geboten. Hans und Greten dankten ihm noch einmal für die gute Arbeit und die erfreuliche Gesellschaft und staffierten ihn mit allerlei nützlichem Zeug aus. Brot, Schinkenspeck und eine warme Weste sowie eine Decke gehörten dazu.
Der Abschied war schwer. Lisa, die über Winter einen kleinen Bauch bekommen hatte und wohl bald, schnellstens, durch die vordere Kirchentür schreitend, den Laars heiraten musste, weinte bitterlich, als Pit sich anschickte, wieder das Weite zu suchen. Alle hatten Tränen in den Augen und verabschiedeten ihn herzlich. Als er um die Wegbiegung verschwand und nicht mehr winken musste, fiel ihm eine Last vom Herzen. Bei aller Trauer um das Verlorene, freute er sich doch neugierig und wissbegierig wie er war, auf die vor ihm liegenden Geschehnisse, die ihm abenteuerlich winkten.
Die große Stadt musste Pit umgehen. Nicht nur wegen etwaiger Schergen der Inquisition, sondern auch, weil er von einem Bettler, dem er einen seiner wenigen Kupfermünzen gegeben hatte erfuhr, dass dort die schwarzen Ärzte mit den Schnabelmasken umgingen und Leichen über Leichen wegschafften. Pit konnte es sich zwar nicht vorstellen, hatte aber genug Verstand auf den fragwürdigen Bericht des Bettlers zu hören. So wich er von dem Pfad, der in den Weg zur Stadt münden sollte ab und wanderte über das halb vereiste Ackerland und das darauf folgende Brachland, welches in Ermangelung von Menschen wohl nie bebaut würde. Von einem kleinen Hügel aus konnte Pit die Türme der Stadt sehen, die an dem ersten großen Fluss lag, welchen er überqueren musste um weiter nach Nordosten in das von der guten Erna beschriebene Land vordringen zu können.
Zwei Tagesmärsche noch und zwei Nächte die trotz der Decke eisig kalt waren und er würde sich einen Fährmann suchen müssen. In der zweiten Nacht traute er sich endlich ein kleines Feuer zu entfachen, damit die zwischenzeitlich sehr nass gewordene Decke trocknen konnte, sodass sie wieder ihren Zweck erfüllte. Am darauf folgenden Tag erreichte Pit unterhalb der Stadt den großen Fluss. Obwohl er Wind und Wetter gewohnt war, zerrte der noch immer vorhandene Frost an seinen Kräften.
In der Nähe des Ufers sah Pit, nachdem er sich durch ein Gebüsch auf einen engen Pfad gezwängt hatte, eine Schänke aus derem Schornstein heraus dicker Qualm drang der wohlige Wärme verhieß. Seitlich der Schänke gewahrte Pit ein größeres Ruderboot mit mehreren Riemen, welches ihn eventuell sogar hinüber zum anderen Ufer würde bringen können. Er vergaß alle Vorsicht und trat durch die große, eichene Eingangstür der alten Schänke in den Vorraum wo allerlei Zeug, Mantelsäcke, Jacken und sogar einige Ruder herumhingen und standen.
Der Gastraum war gut besucht. Die Gäste, augenscheinlich Fischer, Seeleute und manch fragwürdiges andere Gesindel kümmerten sich nicht weiter um ihn, nachdem einige ihn aus dem Augenwinkel heraus gemustert hatten. Pit setzte sich ruhig in eine dunkle Ecke an einen kleinen Tisch. Bei dem dicken, etwas schmierig aussehenden Wirt bestellte er einen Krug Bier und eine Schüssel mit dem undefinierbaren Brei, welcher in dem großen, eisernen Kübel über dem Feuer vor sich hin köchelte. Pit war müde und fühlte sich zerschlagen. Der Brei und das warme, schwere Bier brachten zwar kurzfristig die Lebensgeister zurück, aber nachdem das Bier schmeckte und nach dem einen Krug ein zweiter und dritter folgte, verabschiedeten sich diese auch wieder.
Pit wankte auf den Vorhof und zum nahen Gebüsch um notwendigerweise sein Wasser ab zu schlagen, welches er sonst im Gasthof hätte tun müssen, was den guten Wirt wohl verärgert hätte. Nachdem er notdürftig alle Gerätschaften wieder dort verstaut hatte, wo sie hin gehörten, hörte Pit hinter sich ein Geräusch. Sein plötzlich schmerzender Hinterkopf ließ ihm nur noch aufblitzende Gedanken an Inquisition, Folter und Tod wahrnehmen. Dann gingen alle Lichter aus und Piter van Hoyman sank in sich zusammen.
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