Diebe gibt es überall. Ortwin Ramadan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ortwin Ramadan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783991280576
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wir morgen da bleiben. Ich helfe dir“, bietet er an.

      Ich nicke und wünsche, wir müssten nicht bis morgen warten.

      Später am Abend, es ist schon finster, stehe ich an meinem Fenster und sehe hinaus. Wie muss Lisa sich fühlen? Sie ist bestimmt einsam und hat Angst. Noch nie hat sie die Nacht allein verbracht – fernab vom Hühnerstall.

      Da bemerke ich einen Lichtschein auf der Obstwiese. Schleicht da etwa wer herum? Der Hühnerdieb vielleicht? Hat er es etwa auch auf die anderen Hühner abgesehen?

      Im Pyjama laufe ich hinunter in die Küche, nehme die große Pfanne aus dem Schrank. So bewaffnet, will ich den Hühnerkidnapper zur Rede stellen. Mit klopfendem Herzen gehe ich Richtung Obstwiese, verstecke mich hinter einem Baum und warte. Und lausche und warte.

      Schritte. Ich höre Schritte. Da bemüht sich jemand nicht mal, leise zu sein. Es ist bestimmt kein Riese, der auf mich zukommt, eher ein Zwerg, wie ich anhand des Trippelns erkenne. Mit einem Zwerg werde ich fertig, spreche ich mir Mut zu. Dann springe ich hinter dem Baum hervor, die Pfanne halte ich hoch über meinem Kopf, bereit, sie im Ernstfall auch zu benutzen. Doch als ich sehe, wer der Zwerg ist, lasse ich die Pfanne schnell hinter meinem Rücken verschwinden.

      „Was machst du denn hier? Solltest du nicht schon längst im Bett sein?“

      Die kleine Anna sieht mich erschrocken an. „Ich hab … ich wollte … ich konnte nicht schlafen. Wegen Lisa.“

      Anna macht sich ebenfalls Sorgen um Lisa. Ich fühle mich gleich ein wenig besser. „Komm, ich bring dich zurück. Hattest du gar keine Angst im Dunkeln?“, frage ich sie.

      Anna schüttelt den Kopf. „Nö. Ich habe eine Taschenlampe.“ Sie zeigt sie mir. Ich nehme Anna an der Hand.

      Sie ist in Redelaune. „Was fressen Hühner am liebsten?“, fragt sie.

      „Gras, Körner, Würmer, Schnecken … eigentlich so ziemlich alles.“

      „Und wie lange dauert es, bis aus einem Ei ein Küken schlüpft?“, will sie nun wissen.

      „Drei Wochen.“

      „So lange bin ich gar nicht mehr da.“ Sie klingt traurig.

      Als wir bei der Ferienwohnung ankommen, legt Anna den Zeigefinger auf die Lippen. Ich verstehe. „Aber du musst mir versprechen, dass du nachts nicht mehr alleine in der Gegend herumläufst.“

      „Na gut“, sagt sie. Dann drückt sie die Klinke hinunter und huscht in die Wohnung. Von drinnen höre ich den Fernseher. Offenbar hat bisher noch keiner gemerkt, dass Anna überhaupt weg war.

      Ich schlafe nicht gut. Ich habe von Lisa geträumt, lauter schreckliche Dinge, die mit ihr passieren. Schon um sechs bin ich wieder munter. Ich könnte Papa mit den Kühen helfen, der würde sich freuen. Er ist immer schon sehr zeitig auf, weil er melken, füttern und den Stall ausmisten muss. Aber dafür bin ich zu müde. Ich werde lieber weiter nach Lisa suchen. Vorher schreibe ich Nicki noch eine Nachricht. Vielleicht mag sie mitgehen. Sie schläft sowieso nie lange.

      Ich habe Glück. Sie antwortet fast sofort: BIN IN 10 MINUTEN UNTEN.

      Als wir das Haus verlassen, bemerken wir Anna, die aus der Ferienwohnung huscht. Sie hat eine kleine bunte Schachtel in der Hand, sieht sich um und läuft dann Richtung Obstwiese, von der sie schon gestern Abend gekommen ist.

      „Was zum Kuckuck macht die Kleine um diese Uhrzeit hier draußen?“, fragt Nicki.

      „Vielleicht sollten wir ihr nachgehen. Nicht, dass ihr noch was passiert“, sage ich.

      Wir bewegen uns sehr vorsichtig – wie richtige Detektive auf Geheimmission – damit sie uns nicht bemerkt.

      Anna läuft quer über die Wiese bis zum kleinen Spielhaus. Das hat Papa mal für meine Schwester gebaut. Jetzt spielt sie schon lange nicht mehr darin, dafür ist sie zu alt, sagt sie. Trotzdem darf ich es nicht als Clubhaus verwenden, deshalb will ich ja auch das Baumhaus bauen.

      Anna verschwindet in dem Häuschen. Nicki und ich schleichen uns näher ran und ich gucke durchs Fenster.

      Zuerst seh ich gar nichts, weil es drinnen dunkel ist und mir Anna den Blick versperrt. Doch als sie einen Schritt zur Seite geht, traue ich meinen Augen nicht. In einer Kiste, auf einem Kissen, sitzt unsere Lisa. Anna streichelt ihren Kopf und füttert sie mit Körnern aus ihrer Hosentasche.

      Nicki drängt mich beiseite, um auch etwas zu sehen. „Das gibt es ja nicht! Da schuldet uns wer eine Erklärung. Und zwar eine verdammt gute“, ruft sie aus.

      Wir stürmen in das Häuschen. Anna macht große Augen.

      „Oh!“ Mehr bringt sie vor Überraschung nicht heraus.

      „Anna, du hast Lisa entführt. Das ist wie stehlen“, sagt Nicki streng.

      Anna bricht in Tränen aus. Sie tut mir leid. Na gut, nur ein bisschen … Ich beuge mich zu ihr. „Warum hast du Lisa denn hier eingesperrt?“, will ich wissen.

      Anna schnieft. „Weil ich doch so gerne ein Küken hätte. Und die Lisa so lieb ist und mir die Eier ausbrütet.“ Sie hält mir die bunte Schachtel entgegen. Darin liegen zwei Eier.

      „Wo hast du die denn her?“, frage ich.

      „Vom Frühstücksbuffet“, antwortet Anna stolz. Sie hat aufgehört zu weinen. „Weil doch aus Eiern Küken werden.“

      Jetzt wird mir auch klar, warum beim Frühstück so viele Eier gebraucht wurden. Und weshalb Anna mich mit Fragen über Hühner gelöchert hat.

      „Anna, da werden keine Küken draus“, erkläre ich ihr. „Diese Eier sind zum Essen, sie sind nicht befruchtet.“

      „Nein?“

      „Nein“, bestätigt Nicki meine Worte. „Komm, wir bringen Lisa zurück in den Hühnerstall. Bestimmt vermisst sie ihre Freunde.“

      Anna nimmt Lisa auf ihren Arm. Ich sammle die vier Eier ein, die im Nest liegen. Gemeinsam bringen wir Lisa zurück in den Stall, wo sie von den anderen Hühnern mit freundlichem Gackern begrüßt wird.

      Später sitzen wir – Nicki, Anna und ich – beim Frühstück. Bald kommt auch Felix dazu.

      „Ach, da bist du“, sagt er, als er Anna sieht. „Soll ich euch dann bei der Suche nach Lisa helfen?“

      Wir drei sehen uns an. Ich schüttle den Kopf. „Nein, danke. Die ist ganz plötzlich wieder aufgetaucht.“

      „Echt? Wo hat sie gesteckt?“, will Felix wissen.

      „Tja, auch Hühner haben hin und wieder Geheimnisse“, sage ich und zwinkere Anna und Nicki verschwörerisch zu.

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