Der Senior Chief of the Guard unterbrach sein Gespräch, wandte sich dem indiskreten Störenfried zu und zog die Augenbrauen hoch. »Guten Morgen, Edwin. Wenn ich mich recht entsinne, wurdest du über die Wichtigkeit des Briefings informiert, das ich demnächst führen mu…«
»Deine eifrige Assistentin kann das erledigen, Simon!«, blaffte Duquette. »Du hast im Moment andere Sorgen. Schick den Mann raus … wir haben jetzt zu reden!«
Simon Isherhill erhob sich. »Bitte lassen Sie uns allein, Rubensteen. Richten Sie Angelica aus, sie möchte Nevis Korvalinski verständigen. Er ist mit den Details vertraut und kann Lester ebenfalls in den Fall einweisen.«
Der angesprochene Beamte nickte und verließ das Büro. Dabei drang der Lärm aus der Kommandozentrale herauf, dann herrschte wieder Stille.
Isherhill bot Duquette einen Stuhl an.
Der Inspektor der Company genoss seine Machtposition und ließ sich Zeit, um von der Tür zu dem Schwebesessel am Schreibtisch zu gelangen. Während er mit gekünsteltem Interesse den Raum bewunderte, umspielte ein Lächeln seine Lippen, das vor Überheblichkeit triefte. Eine Begrüßung hatte er sich bewusst gespart.
»Also, Simon … ich muss zugeben, du hast es weit gebracht in den letzten fünf Jahren. Ist erstaunlich, wie man gerade in der Sicherheitsbranche durch Heuchelei so lange auf der Erfolgsschiene fahren kann. Denn darin warst du ja schon immer geschickt gewesen … andere Leute zu manipulieren und auszubooten, nicht wahr? Oder sollte ich ›andere Kollegen‹ sagen?«
Simon Isherhill war zu sehr Profi, um seine Gelassenheit zu verlieren. Duquette hatte seine Bosheit noch nie im Zaum halten können, und auch jetzt blieb der Skyrock-Inspektor demonstrativ stehen und versprühte Blicke der Feindseligkeit. Die gebeugte Statur, die wie in Stein gemeißelten Gesichtszüge und das schwarze, zurückgekämmte Haar – all das erinnerte Isherhill an einen Raubvogel, der bereit schien, hinab zu stoßen.
»Wie du dich bestimmt erinnerst, Edwin, waren wir damals zwar Kollegen, aber auch Konkurrenten. Wir standen in der Agency auf einer Dienstrangstufe. Und du hast das Gleiche versucht wie ich, nämlich beruflich aufzusteigen. Also haben wir beide um den Sonderposten gekämpft, doch nur einer konnte der Sieger sein … das war von vornherein klar gewesen.«
Isherhill hatte bis eben die Hände in den Taschen seiner Uniform stecken gehabt. Nun verschränkte er die Arme vor der Brust und fixierte Duquette. »Offensichtlich hast du deine Identitätskrise noch immer nicht überwunden und trägst mir meinen Erfolg bis zum Ende unserer Tage nach. Das ist bedauerlich, insbesondere, weil du Wert auf deine Märtyrerrolle zu legen scheinst. Doch wenigstens hast du auf einem anderen Gebiet etwas erreicht … du arbeitest für die Company. Geht es dir zu dieser frühen Morgenstunde Stunde darum? Oder möchtest du über alte Zeiten plaudern? Letzteres kann ich definitiv nicht einrichten.«
Die Sticheleien des Sol Guard-Leiters zeigten Wirkung. Edwin Duquettes Lächeln gefror. Er stützte sich auf der Tischplatte ab.
»Da hast du recht, mein lieber Simon! Ich bin gewiss nicht hier, um mich von dir beleidigen zu lassen, sondern weil mein neuer Arbeitgeber deine Firma in Verdacht hat, ineffizient zu arbeiten. Im Klartext: Ihr baut hier in letzter Zeit mächtig Scheiße und verliert den Kap Rosa-Auftrag, wenn ich zu der Überzeugung komme, dass sich daran in naher Zukunft nichts ändert. Besonders ausgeprägt wird mein Urteil über deine Verhaltensweise bei meinen Ermittlungen ausfallen. Kooperierst du und gewährst mir lückenlos Einsicht in eure Arbeitspraktiken, sehe ich keine Probleme auf dich zukommen.« Duquette lächelte wieder. »Aber wenn ich ehrlich sein soll, fände ich das todlangweilig. Ich hoffe inständig, du versuchst mich durch Lügen zu täuschen, denn ich grabe mit Freuden die unbequemen Leichen aus, die bei deiner Firma im Keller liegen. In dem Zusammenhang mache ich dich auf meine Weisungsbefugnis aufmerksam. Widersetzt du dich meinen Befehlen oder versuchst meine Entscheidungen zu sabotieren, lasse ich dich die Konsequenzen spüren und du wirst dir wünschen, diese Stelle niemals angetreten zu haben. Das garantiere ich dir!«
Duquette richtete sich auf. Euphorie und Genugtuung berauschten ihn wie ein Drogen-Cocktail. Er hatte sich Jahre auf eine derartige Kampfansage gefreut und war nun am Ziel.
Simon Isherhills Gesicht glich einer Maske. In seiner Stimme schwang Unsicherheit mit. »Wenn du deine Position und Ermittlungen für eine persönliche Vendetta nutzen willst, lässt sich daran nichts ändern. Ich für meinen Teil werde Gefühle aus der Sache heraushalten und mich im Interesse meiner Firma nicht auf ein Kräftemessen mit dir einlassen. Daher gebe ich dir alle Informationen, die du benötigst. Du kannst auf meine volle Unterstützung zählen … solange ich nicht gegen das Wohl der Sol Guard oder der Stadt handele. Wir haben nämlich nichts zu verbergen. Uns traf lediglich eine Verkettung unglücklicher Zufälle. Auch wenn du das anders sehen möchtest.«
Der Inspektor trat während Isherhills Rechtfertigung an die Schnittstelle des Hauptcomputers heran und übertrug eine Reihe von Daten von seinem PDA-Armband, woraufhin der Holo-Bildschirm eine Überwachungsanalyse darstellte.
»Du fängst schon damit an, deinen Kopf aus der Schlinge rauszureden, Simon. Darauf habe ich gewartet. Nur hast du keine Chance, weil deine Tricks bei mir nicht ziehen. Ihr habt Dreck am Stecken … jeder Einzelne hier, und das werde ich beweisen! Ich hatte bereits Einblick in eure Datenbank und die Personalakten. Beginnen wir also mit dem Versagen der Sol Guard am heutigen Morgen in Mine C. Und danach teile ich deinen Angestellten in einer Konferenz mit, wer jetzt das Sagen hat!«
Der Triumph in Edwin Duquettes Augen kannte keine Grenzen.
Kristallreinigungszelle
~9~
Coffee, Cit und der Droide betraten ein niedriges, verwinkeltes Gangsystem. Rötliche Lichtquellen beleuchteten es mehr schlecht als recht und warfen die Schatten ihrer Gitterabdeckungen auf den Metallboden und die Personen unter sich.
LD-U20-3s Servogeräusche mischten sich unter das Schritteklacken der beiden Männer, welches mit kurzem Hall von den Wänden zurückgeworfen wurde.
Die Luftaustauschanlage summte vor sich hin.
Coffee empfand die Geräuschkulisse als physische Bedrohung. Wie eine Zwangsjacke, die ihn einschnürte. Selbst das Licht glich einem zähflüssigen Sirup, der von der Decke tropfte und alles zu verkleben schien.
Er lenkte sich mit dem Inspizieren der Rampen ab, die auf beiden Gangseiten zu den Kristallreinigungszellen hinunter führten. Das in Reihe geschaltete und automatisierte Kammersystem stellte eine Sperrzone für Minenarbeiter dar. Nur Wartungstechniker hatten Zutritt. Über den Türen wiesen Displays auf die Unterbrechung des Betriebs hin, der in fünf Stunden wieder aufgenommen werden sollte.
Die drei folgten dem Zickzack der Gänge und passierten mehrere Kammern, bis der Roboter das Erreichen des Tatorts signalisierte. In einer Sackgasse angekommen, machten sie an der vorletzten Zelle links halt, wo ein weiterer Lockdown-Droide und ein Medic-Droide auf Posten standen. Nach ihrem kurzen Bericht trat die Maschine des Einsatzkommandos beiseite und gab den Tatort für die Sol Guard-Männer frei.
05:55 Uhr.
Coffee ließ die Szenerie auf sich wirken. Er konzentrierte sich zunächst auf das mit bloßem Auge Sichtbare, bevor er seine Scans einleitete.
Am unteren Ende der Rampe befand sich ein geschlossenes Metallschott, hinter dem, wie er wusste, eine Schleuse lag, die den Zugang zur Zelle ermöglichte. In der Kammer selbst bestand während des Reinigungsprozesses Lebensgefahr, da die Rohkristallbruchstücke in Schwerelosigkeit herumgewirbelt und mithilfe gezielter Ultraschallstrahlen von Verunreinigungen befreit wurden. War der Inhalt des raumgroßen Containers gesäubert, wurde er angehoben und durch die Decke zur Abteilung der kristallinen Ausbesserung bewegt. Inzwischen rückte von unten der nächste Container nach. Die Zelle stellte somit eine Todeszone dar, die nur durch die Werkszentrale oder das interne Sicherheitssystem einer Kammer deaktiviert werden konnte.
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