Cookie ist damals jedes Jahr Back-Queen beim alljährlichen Backwettbewerb geworden. Niemand konnte ihr das Wasser reichen. Ihre Kuchen waren schlichtweg unbesiegbar.
Als sie älter wurde trat sie schließlich den Titel der Back-Queen an Jade`s Mutter ab, die nun schon seit drei Jahren stets auf dem obersten Treppchen steht, um den ersten Preis entgegen zu nehmen.
Die alte Dame hebt den Kopf und winkt ihr jetzt lächelnd zu, woraufhin Jade den Gruß erwidert.
Jetzt beginnt sie vorsichtig ihre Glieder zu strecken. Sie hüpft ein paar Male auf und ab.
Dann stopft sie sich die Hörer ihres Mp3 Players in die Ohren, drückt auf den Play-Button und läuft los. Josh Groban`s Stimme begleitet sie.
„Das ist genau das, was ich brauche,“ denkt sie während sie regelmäßig atmet und sich auf das Laufen konzentriert. „Loslassen, nicht nachdenken.“
Doch genau das passiert immer, wenn sie läuft. Sie denkt nach.
Ihre Gedanken wandern zurück zum gestrigen Abend.
Jeff hat sie und Lillian nach Hause gefahren. Die ganze Fahrt hatte Lillian nicht aufgehört zu lachen. Jade`s Blick verdüstert sich.
„Okay, ihr Süßen,“ hört sie Lillian noch kichern. „Macht`s gut!“ Sie öffnet die Tür auf ihrer Seite und steigt schwankend aus.
„Lil, warte,“ sagt Jade und löst ihren Anschnallgurt. Sie steigt aus und stützt ihre Freundin, die jetzt fast hingefallen wäre. Jade wirft Mike einen wütenden Blick zu. „Was hast du mit ihr gemacht?“
„Ich?“ ruft er ihr von der Rückbank aus zu. „Wieso ich?“
„Tu doch nicht so,“ faucht Jade ihn an. „Hast du ihr etwa Drogen verabreicht?“
„Ich habe sie zu nichts gezwungen,“ meint Mike nur und grinst dabei unverschämt.
„Schon klar!“ murmelt Jade und stützt ihre Freundin bis zum Haustüreingang. Sie nimmt Lillian die Schlüssel ab und öffnet für sie die Tür.
„Was würde ich nur ohne dich tun?“ seufzt Lillian lallend. „Meine beste Freundin.“ Sie sagt das irgendwie gehässig, findet Jade. Irritiert runzelt sie die Stirn. Sie ist einfach nur betrunken, beruhigt sie sich. Sie weiß nicht, was sie sagt. Doch ein Restzweifel bleibt.
„Schon gut,“ meint sie jetzt. „Sieh einfach zu, dass du leise bist. Sonst weckst du deine Eltern noch auf.“
„Fürsorglich, wie immer,“ meint Lillian spöttisch und verschwindet kichernd durch die Tür.
Sie kichert so laut, dass Jade jeden Moment damit rechnet Lil`s Eltern gegenüber zu stehen.
Sie werden wissen wollen, was mit ihrer aufgedrehten Tochter los ist.
Doch dann atmet Jade erleichtert auf. Ihr fällt ein, dass die Eltern gar nicht da sind. Vor zwei Tagen waren sie nach Teneriffa geflogen, um dort eine Woche Urlaub zu machen. Gott sei Dank!
Jade erhöht jetzt das Tempo. Sie versucht die Erinnerung an gestern Abend abzuschütteln und sich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren.
Etwas berührt sie an der Schulter. Jade wirbelt entsetzt herum und blickt direkt in zwei grüne Augen.
„Damon,“ keucht sie und zieht sich die Hörer aus dem Ohr. Sie schaltet den Mp3 Player aus und sieht heftig atmend zu ihm hoch. „Gott, du hast mich erschreckt.“
„Tut mir leid. Das wollte ich nicht. Ich habe nach dir gerufen, doch du hast mich nicht gehört.“
„Ja,“ schnauft sie atemlos. „Ich habe Musik gehört.“ Sie weist auf den Player an ihrer Hose.
„Ja, so etwas hab ich mir schon gedacht,“ meint er und vergräbt seine Hände in die Taschen seines Sweaters. Er sieht heute anders aus.
Er trägt eine bequeme Trainingshose und abgewetzte Laufschuhe. Dieser Look steht ihm überraschenderweise auch sehr gut, findet sie.
„Was machst du hier?“ will sie jetzt wissen.
„Ich jogge.“
„Das sehe ich. Aber was machst du hier?“
Er zuckt die Achseln. „Ich erkunde die Gegend.“
Jade verzieht skeptisch das Gesicht. „Aha. Ausgerechnet hier.“
„Warum denn nicht?“
Jetzt ist es an Jade, die Achseln zu zucken.
„Zugegeben,“ meint er jetzt und lächelt äußerst charmant. „Ich habe gehofft, dich zu treffen.“
Ihre Augen weiten sich. „Woher hast du denn gewusst, dass ich jogge?“
„Ich wusste es nicht.“ Sein Lächeln wird breiter. „Aber da ich ohnehin jeden Tag meine Runden drehe, habe ich mich dazu entschlossen mal durch deine Nachbarschaft zu laufen. Vielleicht habe ich ja Glück und treffe das hübsche Mädchen mit den dunklen Augen wieder, dachte ich. Und siehe da.“ Er weist mit der Hand auf Jade. „Prompt werden meine Hoffnungen erfüllt.“ Seine Augen leuchten tiefgrün und Jade sieht schnell weg.
„Na so ein Zufall,“ murmelt sie. Ihre Wangen erhitzen sich. Er hat es geschafft, ihr mit Worten zu schmeicheln. Das ist nicht fair, denkt sie. Warum hat er nur so eine Anziehungskraft auf sie?
„Ja, ein glücklicher Zufall würde ich sagen.“ Sein Lachen ist ansteckend und so muss sie unwillkürlich schmunzeln.
„Wir können ja zusammen eine Runde drehen,“ schlägt er jetzt vor. „Was hältst du davon?“
„Warum nicht,“ willigt sie fröhlich ein. Verdammt! Er hat sie wirklich um den Finger gewickelt. Wo bleibt deine Vernunft, Jade? Er könnte ein gefährlicher Serienkiller sein. Ach was! Sie läuft los und wirft trotzig den Kopf in den Nacken, um die düsteren Gedanken zu vertreiben.
„Wollen wir doch mal sehen, ob du mit mir mithalten kannst,“ ruft sie ihm dann neckend zu, woraufhin Damon ihr mit einem breiten Grinsen dicht auf den Fersen bleibt.
Wenig später hat er sie bereits abgehängt und zu ihrer eigenen Schmach muss sie schlussendlich kapitulieren. Sie bleibt stehen und hält sich keuchend die Seite.
Damon kommt langsam auf sie zu. „Wie war das mit dem Abhängen?“ Er grinst schelmisch.
„Schon gut,“ atmet Jade. „Du hast gewonnen. Ich gebe auf.“
„Hast du Schmerzen?“ fragt er jetzt besorgt.
„Nur ein bisschen. Seitenstechen.“ Sie streckt sich, doch das unangenehme Stechen will nicht nachlassen. Das Ganze ist ihr reichlich unangenehm. Sie muss erbärmlich aussehen. Erst große Töne spucken und dann wie ein Waschlappen herumhängen.
„Darf ich?“
Bevor Jade weiß, was er vorhat, hat er schon seine Hand auf ihren Bauch gelegt und tastet jetzt vorsichtig die schmerzende Stelle ab. Jade errötet leicht. Seine Berührungen jagen ihr angenehme Gänseschauer über den Rücken und ein warmes Gefühl macht sich in ihrer Magengegend breit.
„Besser?“ fragt er nach einer Weile.
Jade bewegt langsam ihren Oberkörper von rechts nach links und andersrum.
„Ja,“ meint sie dann verwundert. „Viel besser. Wie hast du das gemacht?“
„Ich habe mal einen Kurs belegt.“
„Einen Kurs?“
„In Heilkunde.“
„Und da lernt man so was?“
„Unter anderem.“
„Wow.“ Sie stellt sich ganz gerade hin