SIE. Henry Rider Haggard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Rider Haggard
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752907315
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      Wie verschieden ist die Szene, die ich jetzt zu schildern habe, von der soeben beschriebenen! Wo ist mein stilles Studierzimmer, wo sind die im Winde schwankenden englischen Ulmen, die krächzenden Krähen, meine vertrauten Bücher? Um uns ist nichts als der riesige ruhige Ozean, silbern glänzend im Schein des afrikanischen Vollmonds. Eine sanfte Brise füllt das große Segel unserer Dhau und treibt uns durch das leise an ihre Planken plätschernde Wasser. Die meisten Männer der Besatzung schlafen, denn es ist kurz vor Mitternacht; nur Mahomed, ein kräftiger, tiefbrauner Araber, steht am Ruder und lenkt das Schiff gemächlich nach den Sternen. Drei Meilen oder etwas mehr an Steuerbord zieht sich eine dünne, dunkle Linie hin, die Ostküste Mittelafrikas. Wir segeln vor dem Nordostmonsun südwärts, zwischen dem Festland und dem Riff, das Hunderte von Meilen weit diese gefährliche Küste säumt. Die Nacht ist still, so still, dass man ein Flüstern auf der ganzen Dhau vernimmt; so still, dass ein schwacher, grollender Laut von dem fernen Land übers Wasser bis zu uns dringt.

      Der Araber am Ruder hebt die Hand und sagt nur: »Simba!«

      Wir richten uns alle auf und lauschen. Und wieder ertönt dieser dumpfe, majestätische Laut, der uns erschaudern lässt.

      »Falls der Kapitän sich nicht verrechnet hat, was ich für sehr wahrscheinlich halte, müssten wir morgen Vormittag gegen zehn Uhr bei diesem geheimnisvollen Felsen mit dem Männerkopf sein«, sagte ich. »Dann kann die Jagd beginnen.«

      »Ja, und die Suche nach der Ruinenstadt und dem Feuer des Lebens«, verbesserte mich Leo. Er nahm seine Pfeife aus dem Mund und lachte.

      »Unsinn!«, erwiderte ich. »Du hast doch übrigens heute Nachmittag bei dem Mann am Ruder dein Arabisch erprobt. Was hat er dir gesagt? Er ist doch sein halbes unnützes Leben lang in Geschäften (wahrscheinlich Sklavengeschäften) durch diese Gewässer gefahren und auch schon einmal an diesem Männerfelsen gelandet. Hat er je etwas von der Ruinenstadt und den Felsen gehört?«

      »Nein«, sagte Leo. »Er sagt, dass es dahinter nur Sümpfe voller Schlangen, vor allem Pythons, und Wild gibt und dass dort keine Menschen leben. Doch das besagt nicht viel, denn ein solcher Sumpfgürtel zieht sich die ganze afrikanische Küste entlang.«

      »Doch«, antwortete ich, »das besagt, dass es Malaria gibt. Aber daran siehst du, was diese Leute von dem Land hier denken. Keiner von ihnen wird mit uns gehen. Sie halten uns für verrückt, und ich glaube fast, sie haben recht. Es sollte mich wundern, wenn wir das gute alte England je wiedersehen. Bei meinem Alter ist das nicht so schlimm, doch ich mache mir Sorgen um dich, Leo, und um Job. Es ist der reine Wahnsinn, mein Junge.«

      »Schon gut, Onkel Horace. Um mich brauchst du dich wirklich nicht zu sorgen; ich werde es schon überstehen. Doch sieh mal - was ist denn das für eine Wolke?« Er deutete auf einen dunklen Fleck am sternenhellen Himmel hinter uns.

      »Frag doch mal den Mann am Ruder«, sagte ich.

      Er stand auf, streckte sich und ging zu ihm. Gleich darauf kam er zurück.

      »Er meint, es ist eine Bö, doch sie wird an uns vorüberziehen.«

      In diesem Augenblick trat Job zu uns. Er sah in seinem Jagdanzug aus braunem Flanell sehr mannhaft und englisch aus, doch sein biederes rundes Gesicht hatte, seit wir uns in diesen fremden Gewässern befanden, einen verdutzten Ausdruck.

      »Verzeihung, Mr. Holly«, sagte er und tippte an seinen Hut, der ihm im Genick saß, »ich hätte eine Frage. Wir haben doch unsere Gewehre und all unsere Sachen und den Proviant hinten im Walboot - wäre es nicht gut, wenn ich dort schliefe? Die Blicke dieser schwarzen Burschen« - er senkte seine Stimme zu einem besorgten Flüstern - »gefallen mir gar nicht; sie scheinen alle Halunken zu sein. Was, wenn einige nachts ins Boot schlüpften und das Tau durchschnitten und damit verschwänden? Das wäre eine schöne Bescherung!«

      Das Walboot hatten wir uns, wie ich erwähnen muss, eigens auf einer Werft in Dundee in Schottland bauen lassen. Wir hatten es mitgenommen, weil wir wussten, dass diese Küste von vielen kleinen Flussarmen durchzogen war, und damit rechneten, sie befahren zu müssen. Es war ein schönes Boot, dreißig Fuß lang, mit einer Vorrichtung zum Anbringen des Segels in der Mitte, einem kupferbeschlagenen Boden, um die Würmer fernzuhalten, und wasserdichten Abteilungen. Der Kapitän der Dhau hatte uns gesagt, dass er an dem ihm bekannten Felsen, welcher der auf der Scherbe und von Leos Vater beschriebene zu sein schien, wahrscheinlich infolge der Untiefen und der starken Brandung nicht würde landen können. Wir hatten deshalb an diesem Morgen eine Windstille dazu benutzt, die meisten unserer Sachen auf das Walboot zu bringen und Gewehre, Munition und Proviant in den dafür bestimmten wasserdichten Verschlägen zu verstauen, so dass wir, wenn der legendäre Felsen auftauchte, nur in das Boot zu steigen und damit an Land überzusetzen brauchten. Ein weiterer Grund für diese Vorsichtsmaßnahme war, dass arabische Kapitäne aus Nachlässigkeit oder infolge falscher Berechnungen häufig das angesteuerte Ziel verfehlen, und jeder Seemann weiß, dass eine Dhau mit ihrer besonderen Takelung nur vor dem Monsun herlaufen, doch nicht gegen ihn ankämpfen kann. Deshalb hatten wir uns darauf vorbereitet, jederzeit in das Boot steigen und zu dem Felsen hinüberrudern zu können.

      »Ja, Job«, sagte ich, »das wäre vielleicht nicht schlecht, Decken sind genug da. Leg dich aber nicht so hin, dass dich der Mond bescheint und dir den Kopf verdreht oder dich blendet.«

      »Ach Sir, ich glaube nicht, dass das viel ausmachen würde; vom Anblick dieser schwarzen Halunken ist er schon verdreht genug. Die sind nur für den Misthaufen gut. Stinken tun sie jedenfalls genug dafür.«

      Job war, wie man sieht, kein Bewunderer der Sitten und Gebräuche unserer schwarzen Brüder.

      Wir zogen also das Boot am Tau dicht heran, bis es direkt unter dem Heck der Dhau lag, und Job sprang mit der Grazie eines plumpsenden Kartoffelsacks hinein. Wir gingen zurück, setzten uns wieder aufs Deck und rauchten und plauderten dies und das. Die Nacht war so herrlich, und uns erfüllte eine solche Spannung, dass wir nicht die geringste Lust verspürten, uns schlafen zu legen. So saßen wir fast eine Stunde, und dann müssen wir wohl eingenickt sein. Ich erinnere mich nur noch schwach, dass Leo mir schlaftrunken erklärte, am besten erlege man einen Büffel, indem man ihn in den Kopf schieße, zwischen die Hörner oder so, dass ihm die Kugel mitten durch die Kehle fahre, und dergleichen Unsinn...

      Dann weiß ich nichts mehr - und plötzlich ein furchtbarer Windstoß, ein Schreckensschrei der auffahrenden Mannschaft und eine Woge, die auf unsere Köpfe niederpeitschte. Einige Männer eilten an die Halyards, um das Segel einzuholen, doch es gelang ihnen nicht. Ich sprang auf und klammerte mich an ein Tau. Der Himmel hinter uns war kohlschwarz, doch vor uns strahlte der Mond und erhellte die Finsternis. In seinem Schein raste eine riesige Sturzwelle auf uns zu, über zwanzig Fuß hoch, die schäumende Gischt weiß im Mondlicht schimmernd. Plötzlich sah ich, wie die schwarze Silhouette des Walbootes auf dem Kamm der zusammenbrechenden Woge hoch emporschwebte. Dann ein Wasserschwall, das wilde Rauschen der kochenden Gischt, und ich klammerte mich mit aller Kraft an das Tau, hing daran wie eine vom Sturm gepeitschte Fahne.

      Dann verlief sich die Woge, die über uns hinweggegangen war. Mir schien es, als sei ich Minuten unter Wasser gewesen - dabei waren es nur Sekunden. Ich blickte nach vorn. Das Großsegel hatte sich losgerissen und flatterte hoch in der Luft wie ein riesiger verwundeter Vogel. Einen Augenblick herrschte Stille, und ich hörte, wie Job verzweifelt schrie: »Kommt hierher ins Boot!«

      Obwohl halb betäubt, hatte ich doch genug Besinnung, zum Heck zu stürzen. Ich spürte, wie die Dhau unter mir sank - sie war voll Wasser. Unter ihr schwankte das Walboot wild hin und her, und ich sah, wie Mahomed, der arabische Steuermann, hineinsprang. Verzweifelt zerrte ich an dem Tau, um das Boot näher heranzubringen; dann sprang auch ich und rollte, von Job an einem Arm aufgefangen, über den Boden des Bootes. Die Dhau versank rasch in der Tiefe. Mahomed zog im letzten Moment sein krummes Messer, kappte das Tau, das uns mit ihr verband, und wir sausten, vom Sturm getrieben, über die Stelle, wo eben die Dhau noch gewesen war.

      »Großer Gott«, schrie ich, »wo ist Leo? Leo! Leo!«

      »Er ist ertrunken, Sir, Gott sei ihm gnädig!«, brüllte mir