Leichenacker. Rudi Kost. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudi Kost
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847609629
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meiner Kunden hatte in Aalen einen Auffahrunfall gehabt. Nichts Dramatisches, der übliche Blechschaden, wie er tagtäglich tausendfach vorkommt. Der Geschädigte holte sich seinen eigenen Gutachter, was sein gutes Recht war, die Unterlagen landeten auf meinem Tisch. Normalerweise prüft man die Sachlage flüchtig und winkt den Fall dann durch – reine Routine.

      Irgendetwas jedoch hatte mich stutzig werden lassen. Ich konnte nicht sagen, was, nur dass es weit hinten geklingelt hatte. So ein unbestimmtes Gefühl, das man nicht greifen kann. Das ärgerte mich, denn ich wollte mich nicht mit losen Fäden herumschlagen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gingen.

      Ich hatte die Unterlagen noch ein paar Tage liegen lassen. Nicht aus Faulheit, sondern weil ich Klarheit wollte.

      Irgendwann war mir die Verbindung eingefallen. Das Unfallauto war ein betagtes BMW E30 Cabrio, aus jenen Zeiten, als die Autos noch Stil hatten. Ich hatte mich selber mal in eine solche Karre verguckt, war aber, wenn auch schweren Herzens, schnell wieder zur Vernunft gekommen. Ich brauche ein Auto, das zuverlässig fährt, und ich bin kein Schrauber.

      Genau so ein Wagen war vor nicht allzu langer Zeit von einem anderen meiner Kunden gerammt worden, auch ein Auffahrunfall, in Winnenden diesmal. Das konnte natürlich Zufall sein, diese Kisten waren noch immer zahlreich unterwegs.

      Ich kramte die Akte heraus, und siehe da, es handelte sich um dasselbe Auto. Nur der Halter hatte mittlerweile gewechselt. Das Ingenieurbüro, das den Schaden begutachtet hatte, war hingegen identisch.

      Das alles musste nichts zu bedeuten haben. Trotzdem recherchierte ich ein wenig, ließ meinen Privathacker Rolf zudem in ein paar Datenbanken stöbern, in denen wir nichts zu suchen hatten, und schrieb dann einen freundlichen Brief, dass wir im aktuellen Fall die Reparaturkosten nicht in voller Höhe übernehmen könnten, da eine Mitschuld des Geschädigten Mario Lohse nicht auszuschließen sei. Er hatte nämlich, wie mein Kunde geschildert hatte, ziemlich abrupt, sehr heftig und ohne jeden ersichtlichen Grund gebremst.

      Vor Gericht wären wir damit sicher nicht durchgekommen, aber ich wollte einfach wissen, wie Lohse darauf reagieren würde.

      Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dem Brief seiner Anwältin. Allmählich begann der simple Auf­fahr­unfall interessant zu werden.

      Ich griff zum Telefon. Frau Doktor sei leider nicht da. Einen Termin? Und wegen was? Heute? Leider nicht. Morgen ebenfalls nicht, Frau Doktor sei außer Haus. Am Mitt­woch? Aber erst um neunzehn Uhr. Gut, Frau Doktor erwarte mich dann.

      Hatte einen langen Arbeitstag, die Frau Doktor. Das passte. Ehrgeizig bis zum Gehtnichtmehr. Eine, die sich ständig beweisen musste, dass sie besser war, vor allem besser als die Männer.

      Mir war’s egal. Auf mich wartete ohnehin niemand zu Hause.

      Brav arbeitete ich den ganzen Stapel ab, und je kleiner er wurde, desto mehr besserte sich meine Laune. Ist doch schön, wenn man sieht, was man geschafft hat. Und außerdem winkte bald die Freiheit.

      Ich schnappte mir mein geliebtes braunes Versace-Lederjäckchen und ging hinüber zu Sonja.

      »Alles erledigt, Chefin. Ich fahre jetzt raus nach Bühler­zell, Chefin. Ist das genehmigt, Chefin?«

      Sonja schaute nicht einmal auf.

      ***

      Vor meinem Haus stand Helmar Haag und produzierte heftigen Qualm aus seiner Pfeife.

      »Hast du einen an der Waffel?«, fragte er.

      »Was meinst du damit genau?«

      »Dieses Schild.«

      »Sieht doch gut aus. Was machst du eigentlich hier? Nichts zu tun beim Lokalblatt?«

      »Wollte mir das Schild ansehen. Ich konnte es nicht glauben.«

      »Ach? Hat sich das schon rumgesprochen?«

      »Allerdings.«

      »Sehr gut. Dann brauche ich keine Werbung zu machen. Sie werden strömen, meine Klienten.«

      »Die kommen höchstens, um dich auszulachen.«

      »Eigentlich müsstest du im Haller Kurier über mich schreiben.«

      Er war entrüstet. »Wieso das denn?«

      »Bereicherung des Geschäftslebens oder so.«

      »Ich mache mich doch nicht lächerlich. Das überlasse ich dir schon selber.«

      »Weißt du, dass angeblich jeder zweite Mord unerkannt bleibt?«

      »Und?«

      »Das wird sich jetzt ändern. Wo die Polizei versagt, springt der Privatdetektiv ein.«

      »Du meinst das doch nicht etwa ernst?«

      »Aber ja.«

      »Dillinger, du spinnst!«

      Kopfschüttelnd ging er davon.

      Immer das Gleiche. Genies werden verkannt.

      ***

      Bühlerzell! Eingeschmiegt ins Tal der Bühler, das Richtung Süden immer enger wird. Ein Gasthaus, beliebt bei Ausflugsbussen, eine Kirche, die zu mächtig scheint für diesen kleinen Ort.

      Die meiste Zeit seiner Geschichte hatte Bühlerzell zum Kloster Ellwangen gehört und war deshalb mit dem benachbarten Bühlertann die katholische Enklave im Kreis. Zur Faschingszeit tobte in beiden Orten der Bär.

      Jetzt tobte nur Heiner Baldauf.

      Ich fuhr auf seinen Hof am Ortsrand. Im Vergleich zu den zwei Abschiebewagen, die dort herumstanden, wirkte mein gelber Porsche wie ein Spielzeugauto. Ich hätte unter so einem Monstrum glatt hindurchfahren können.

      Niemand zu sehen. Ich klingelte am Wohnhaus. Fast sofort wurde aufgemacht.

      »Na endlich«, knurrte Baldauf, ein untersetzter Mann Anfang Dreißig, und musterte mich böse.

      »Hat lange gedauert.«

      »Das Ding fährt ja nicht weg.«

      »Aber es muss schleunigst in die Werkstatt.«

      Wir gingen hinüber zu der großen Scheune, wo Baldauf das Tor aufschob.

      »Ein Schloss wäre auch nicht schlecht«, sagte ich.

      Er griff in seine Hosentasche und zeigte mir ein aufgebrochenes Vorhängeschloss.

      »Das knackt doch jedes Kind mit einem Bolzen­schneider«, bemerkte ich spitz.

      Es war einer dieser ganz großen Traktoren. Das Hinterrad überragte mich. Auch jetzt, da die Luft raus war.

      »Das wird teuer«, konstatierte ich. Allein ein Satz Reifen kostete dreitausend Euro, das wusste ich noch von der letzten Attacke.

      »Dafür habe ich eine Versicherung. Böswillige Be­schä­digung.«

      »Wann ist das passiert?«

      »Zwischen drei und acht Uhr heute Nacht.«

      »Nichts gehört?«

      »Ich bin gestern sechzehn Stunden gefahren, da schläfst du wie ein Bär.«

      »Polizei verständigt?«

      »Klar.«

      »Was sagt sie?«

      »Ich soll mir einen Wachhund anschaffen.«

      »Klingt nach einer guten Idee.«

      »Meine Freundin ist allergisch gegen Hundehaare.«

      »Freundin wechseln?«

      Das kam nicht gut an, wie ich an seinem Blick merkte.

      »Können Sie keine Bewachung organisieren?«, fragte ich schnell.

      »Wie stellen Sie sich das vor? Und wie soll ich das bezahlen?«

      Eigentlich war das ein typischer Job für einen