Familienlieben. Helfried Stockhofe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helfried Stockhofe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746738611
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wollte dir zeigen, dass er dich mag“, versicherte ich ihr. Vanessa weinte wieder. Langsam nervte mich das Geheule.

      „Und von mir, von mir wollte er das auch immer hören“, sagte sie schluchzend. „Aber jetzt wollte ich das nicht mehr sagen. So hätte es auch nicht gestimmt.“

      „Irgendetwas hat nicht gestimmt“, bekräftigte Alina ihre Aussagen und hoffte wohl, Vanessa könnte das gedanklich weiterführen. Aber sie schwieg.

      „Nochmal zurück zur Beziehung der beiden Brüder!“, mischte ich mich wieder ein. „ Konnten die sich leiden, was meinst du?“

      „Mein Onkel kann jeden leiden und er wird auch von allen gemocht. Aber mein Papa war schwierig. Vielleicht ja erst seit Mamas Tod. Vielleicht hat Onkel Jan Recht.“

      Alina lenkte das Gespräch schließlich in Richtung möglicher Probleme im Zusammenleben eines Mädchens mit zwei Männern. Ich fragte nach Partnerinnen der Männer, auch vorsichtig nach Vanessas Partnern. Es schien aber alles unproblematisch zu sein, zumal andere Menschen in diesem Drei-Personen-Haushalt keine Rolle zu spielen schienen.

      Ich war ganz stolz auf meine Gesprächsführung, aber Birtele musste mir danach unter die Nase reiben, dass die entscheidenden Fragen zu diesem Unfall von mir doch viel zu wenig berücksichtigt würden: Warum war der Plose gegen das Bushäuschen gefahren? Und: Wie sollte der Airbag-Saboteur wissen, dass Fred Plose gegen das Häuschen fahren würde?

      „Wir suchen also“, sagte Birtele ironisch zu mir, „einen hellseherisch begabten Verbrecher, oder einen, der das Verhalten seiner Opfer fernsteuern kann – oder zumindest deren Autos“. Na ja, damit hatte er eigentlich Recht.

      So gesehen war die Suizidtheorie doch nicht so unsinnig. Und vermutlich lag das Verschweigen des Suizids an der Lebens- und Unfallversicherung des Fred Plose, die beide der Tochter Vanessa ausgezahlt würden – aber nur, wenn es wirklich ein Unfall und kein Suizid wäre. Der Fred musste es also wie einen Unfall aussehen lassen!

      Aber dieser Suizid wäre schon sehr umständlich und unzuverlässig geplant gewesen! Der Airbag war auch laut den Untersuchungsergebnissen unserer Kriminaltechniker manipuliert worden. Wer sich bei denen mit Airbags auskennt, weiß ich nicht. Vielleicht hatten sie auch einen Fachmann dazugeholt. Ein Suizidaler müsste also selbst den Airbag manipuliert und sich ein instabiles Holzhäuschen als Todeswand ausgesucht haben. Nun ja ...

      Wenn es ein Unfall war, musste man von einer Unaufmerksamkeit des Fahrers ausgehen, die das Auto von der Fahrbahn abgebracht hatte. Dann stellt sich die Frage, ob der Saboteur tatsächlich mit dem seltenen Ereignis eines solchen Unfalls gerechnet hatte. Das Auto jedenfalls war ansonsten in einem einwandfreien Zustand, ein Zusammenstoß also nicht durch eine Sabotage herbeigeführt worden.

      Ich musste Birtele erklären, dass ich ja genau wegen dieser Ungereimtheiten meine Freundin Alina hinzugebeten hatte. Sie war die Spezialisten für unklare und esoterisch anmutende Vorkommnisse. Birtele frotzelte, dass Alina sicher wieder irgendetwas Unbewusstes proklamieren würde, das die Menschen zu eigenartigem Verhalten treibe, diesmal vielleicht auch die Autos. Birtele ist halt noch kein überzeugter Anhänger psychologischer Theorien. Auch deshalb vermied ich es, ihm von meinem Verdacht zu erzählen, dass mich mein eigener Mutterverlust zu einem Einbezug der Psychologin motiviert haben könnte.

      Der Bruder des Verunfallten tat bei einer weiteren Befragung so, als wüsste er nichts von den Manipulationen am Airbag. Hatte ihm das der Versicherungsgutachter noch nicht mitgeteilt?

      „Nein, nein“, meinte er, „das war eine neue Entwicklung. Die war noch nicht ausgereift!“ Dann senkte er den Kopf. „Letztlich war ich schuld!“

      „Der Gutachter geht aber von Sabotage aus.“

      „Wirklich? Warum denn das? Von wem denn? Von mir etwa? Quatsch!“ Plose schüttelte ungläubig den Kopf. „Das war keine Sabotage. Wer sollte denn so etwas tun? Und woher sollte ein Saboteur wissen, dass seine Manipulation jemals bei einem Unfall zum Tragen kommt. Es ist ja nicht an der Tagesordnung, dass man irgendwo dagegen fährt.“

      „Ja, das ist uns auch ein Rätsel“, gestand ich ein. „Wurde eigentlich Ihr eigener Airbag-Unfall untersucht?“

      „Natürlich. Ich hätte das schon gern selber gemacht, aber ich war ja im Krankenhaus. Mein Bruder hat das alles untersucht, aber der konnte nichts finden.“

      „Sie waren wohl doch länger im Krankenhaus?“

      „Ein paar Tage halt.“

      „Dann war es doch schlimmer?“

      Plose zögerte. „Ja, es hätte auch böse ausgehen können. Aber wir sollten Vanessa nicht beunruhigen.“

      „Sie kennen sich also beide gut mit der Airbag-Technik aus, also ihr Bruder und Sie?“, mischte sich Birtele fragend ein.

      „Nun, sagen wir mal so, angefangen haben wir mit derselben Ausbildung, aber Fred hat sich emporgearbeitet. Mir lag es nicht so, das ganze Kaufmännische, ich bin der Techniker geblieben. Aber ich hab mit ein paar Neuerungen meinen Bruder geärgert!“, sagte er stolz. „Na ja, wie das so ist, wenn der Große Angst hat, dass er vom Kleinen überflügelt wird.“

      „War das wirklich alles so locker, wie Sie das jetzt sagen?“, fragte ich nach. „Wir haben gehört, dass es immer Streitigkeiten zwischen Ihnen gab.“

      Jan winkte ab. „Nun, so schlimm war es auch wieder nicht. Fred wirkte halt immer gereizt, aber in den letzten Tagen, ich weiß nicht, da konnte er mir gar nicht mehr in die Augen schauen. Im Krankenhaus hat er mich auch nur ein Mal besucht, zusammen mit Vanessa. Da hat er mir zwar viel mitgebracht, so als hätte ich Geburtstag, aber geredet hat er nicht mit mir. Ich weiß auch nicht, was da mit ihm los war. Vielleicht war es doch wegen des neuen Airbags ...“

      „Was meinen Sie damit?“

      „Ja nun, das war halt eine neue Entwicklung. Eine neue Entwicklung von mir, verstehen Sie? … Die Eifersucht ...“ Und dabei rollte er mit den Augen. „Der dumme Kerl war immer neidisch wegen meiner Erfolge. Dabei war er doch gescheiter als ich.“

      Auch in der Firma, in der beide Brüder beschäftigt waren, munkelte man von einem angespannten Verhältnis zwischen dem allseits beliebten Jan und dem grantig-depressiven Fred.

      „Sie glauben wohl, der Fred hat den Jan sabotiert?“, fragte mich Birtele nach Jans Befragung.

      „Natürlich könnte auch der Jan den Fred sabotiert haben. Aber beide haben kein richtiges Motiv.“

      „Wenn Fred an Jans Airbag herumgespielt hat, dann war es ja sehr praktisch, dass er selber seine eigene Sabotage untersuchen konnte! Und vielleicht hat er ja den Airbag in seinem Auto auch manipuliert?“

      „Aber, wieso denn das? Als Selbstbestrafung etwa? Jetzt werden Sie aber auch psychologisch, Birtele!“

      „Ja, keine Ahnung. Vielleicht wollte der Fred aber auch dem Jan mal sein manipuliertes Auto überlassen und ...“

      „Na, jetzt wird’s aber ganz abenteuerlich!“, unterbrach ich Birteles Gedankenspielereien. Sie erschienen mir doch etwas weit hergeholt. „Aber lassen Sie uns noch einmal mit dem Plose sprechen!“

      „Sie schon wieder!“, empfing uns der Jan diesmal schon etwas unfreundlicher. Aber er öffnete gleich die Tür und bat uns mit einem Wink herein.

      „Ja, es tut uns leid, aber wir müssen doch noch einmal nachfragen!“, sagte ich fast entschuldigend.

      „Sie kennen sich ja hier schon aus!“, erwiderte Jan etwas barsch und zeigte auf die Sitzgruppe. „Was wollen Sie denn noch wissen? Glauben Sie denn noch immer nicht an einen Unfall?“

      „An zwei Unfälle!“, korrigierte Birtele.

      „Wir wollen doch nur jeden Zweifel ausräumen!“, versicherte ich. „Also, Ihre Nichte deutete an, dass Ihr Bruder womöglich auf Sie eifersüchtig gewesen war, weil Sie so gut mit Vanessa zurechtkommen.“

      Jan