BeOne. Martha Kindermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martha Kindermann
Издательство: Bookwire
Серия: BePolar-Trilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752906585
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Umwege, damit wir die Orientierung verlieren? Wie blöd seid ihr eigentlich? Ich hatte die Peilung bereits verloren, als ihr meinen Freund, direkt vor meinen Augen, in einen Schaschlikspieß verwandelt habt und uns wie Mastkälber auf dem Weg ins Schlachthaus vor euch her triebt.

      »Wenn man vom Teufel spricht!« GAM - Glatzentyp holt eine Art Funkgerät aus seiner Manteltasche und nimmt den eingehenden Anruf entgegen. »Auf in die Wagenstadt, Männer, die Luft ist rein!«

      Die Wagenstadt – auf in ein weiteres Abenteuer. Mögen die Sterne gut für uns stehen.

      Tristan

      Tag 455

      »Das ist so wahnsinnig, wahnsinnig cool, Tristan. Ich wusste, dass der Tag irgendwann kommen würde, an dem ich meine Füße in die Akademie setze. Vielleicht sah der Plan ein wenig anders aus und ich war nicht dabei, mich zu einer erstklassigen Spionin ausbilden zu lassen, aber krass – ich kann es einfach nicht fassen!«

      Fenja starrt in die unendlichen Weiten des weißen, virtuellen Raumes und ich weiß genau, wie sie sich in diesem Moment fühlt. Hier ist man ein winziges Licht in einem großen Ganzen, das sich kaum begreifen lässt. Es duftet nach Mandelbäumen, fahrende Scheiben lassen einen in Sekundenschnelle mehrere Höhenmeter überwinden und man kommt sich unglaublich wichtig vor in diesen schrägen grauen Overalls, die ich früher so verabscheut habe. Heute ist meine Sicht auf die Dinge eine andere. Ich bin kein Notnagel, kein Ersatzzwilling und genau am richtigen Ort, um meine Freundin Roya zu retten. Ich bin ein Sternenwächter und das ist verdammt gut so. Rafael, Mirco Lehmann und der Rest der Einheit haben mich zur Vernunft gebracht. Mein Vater ist hier, genau wie Professor Pfefferhauser, Tima, unser Nahkampftrainer, Dr. Gregorio und sämtliche Ex-Schläfer, die noch auffindbar waren und bereit sind, für ihre Zukunft zu kämpfen.

      Es ist eng im Loft, der verfallenen Fabrik am Rande unserer Hauptstadt Midden, und alles geht noch ein wenig drunter und drüber. Jeden Tag kommen neue Rekruten und unser Tagesablauf wird von Nahrungsbeschaffung, Technikinstandhaltung, Lagebesprechungen und Wachdiensteinteilungen dominiert. Heute beginnt die Ausbildung für die ersten zehn Wächter, da wir mehr Zephos nicht zur Verfügung haben.

      Rafael, Josi, Sus Schwester Trish und Muriels Bruder Lio haben von ihren Missionen alles mitgebracht, was nicht niet- und nagelfest war, und sitzen nun seit Tagen an der Erschaffung einer Akademie2.0. Wie wir nun wissen sind Moreno und Eliska Navrotilova enge Vertraute der Präsidentin und haben von Beginn an das Schläferprogramm manipuliert. Keiner kennt die Ausmaße dieser Infiltration, aber eine Neukonfiguration der Elektroenzephalographen, kurz Zephos, sowie die Bereinigung einiger Module, die die beiden in den Akademiecode eingebracht haben, sollte nun Abhilfe geschafft haben.

      »Okay, Leute!« Rafael und Josi bitten per Handzeichen um Aufmerksamkeit und bringen den aufgeregten Haufen junger Sternenwächter zum Schweigen. Auch sie sind in graue Overalls gehüllt, tragen weiße Sneaker an den Füßen und scheinen mächtig stolz auf die Möglichkeiten, die sie uns heute Nacht erschaffen haben. »Wir beginnen mit einfachen Persönlichkeitstest, um eure Eignung einstufen zu können, und euch den passenden Teams innerhalb der Sternenwacht zuzuteilen.«

      Nee, oder? Tests sind scheiße. Ich dachte, wir machen da weiter, wo Moreno uns hat stehen lassen? Zugegeben, er ist ein Arsch, aber ich glaube, gelernt habe ich so einiges. Was wollen die überhaupt prüfen? Ich bin weder sonderlich sportlich noch politisch auf dem aktuellsten Stand, ich habe keine technischen Kenntnisse und meine Kampfausbildung wurde… na ja, lassen wir das. Fenja greift meine Hand und scheint genau zu wissen, was in meinem verwirrten Kopf abgeht.

      »Die finden eine Aufgabe für dich. Vertrau darauf, Tristan Baliette. Wir sind in den besten Händen.«

      Es hat lange gedauert, bis ich diese Tatsache akzeptiert und Royas Bruder Rafael nicht mehr als Feind, sondern meinen Retter angesehen habe. Fenja hat recht. Wir sind die Guten und vielleicht reicht diese Einstellung schon, um eine Nische zu finden, in der ich mich nützlich machen kann.

      »Hinter euch, an den Terminals«, Terminals? Wo? Hier sind doch gar keine Termi… Ja, okay, wir sind in der Akademie. Hier ist alles möglich. »Wird es in Runde eins um die Fähigkeit gehen, möglichst schnell zu kombinieren – natürlich unter erschwerten Bedingungen. Folgt mir doch bitte.«

      Kombinieren, mmh, sollte machbar sein, aber das Wort ›erschwert‹ – mmh, nicht sonderlich sympatico.

      »Die Simulation, auf die ihr gleich stoßen werdet, ist eine rein neuronale Angelegenheit. Soll heißen: kein Einsatz körperlicher Kräfte vonnöten. Diese Brillen«, er greift sich eines der weißen Exemplare, welches via neongelbem Kabel mit dem Terminal verbunden ist und eher an einen Tauchurlaub erinnert, »führen euch in ein mehrdimensionales Computerspiel, welches sich Tetris nennt, eine Art interaktives Puzzle. Die Regeln sind denkbar einfach: Sortiert die unterschiedlichen Formen mit der Kraft eurer Gedanken so in das bereitgestellte Fenster ein, dass wenige Lücken entstehen. Sobald eine Reihe vollständig ist, wird sie gelöscht und verschafft euch Zeit. Zeit, die ihr braucht, da neue Formen das Glas zu überfüllen versuchen und ihr schnell agieren, kombinieren und sortieren müsst. Ziel ist es, das Überlaufen des Glases zu verhindern.« Klingt doch ganz geil!

      »Wo ist der Haken, Rafael?« Taranee, kannst du nicht einmal deinen Mund halten und einfach tun, was dir gesagt wird? Diese rothaarige Dramaqueen braucht immer ihren Auftritt.

      »Nun, es gibt die Möglichkeit, unpassende Gebilde den Mitstreitern zur Rechten oder Linken in die Gläser zu schieben und so zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.« Ja, toll. Ein Arsch sein und – ein Arsch sein?

      »Gibt es dafür Extrapunkte?« Dämliche Pute.

      »Nein, Taranee, du wirst sogar schneller und konzentrierter arbeiten müssen, um deinen Gegnern eins auszuwischen.«

      Ihr spitzer Mund verzieht sich zu einem arroganten Lächeln und lässt meine Hand zucken. Wochenlang war ich mit diesem Biest in der Einöde des Lofts eingesperrt und konnte jede Facette ihrer fiesen Gesichtsmimiken studieren. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann hält sie keiner davon ab. Sie ist definitiv Trägerin des berüchtigten Killergens, auch wenn sie es vehement abstreitet die drei Eleven Morrie, Serge und Ronan ihrer eigenen Zirkumpolargruppe Schedir umgebracht zu haben – ich traue dieser Frau einfach alles zu!

      »Setzt bitte die Brillen auf und legt die Hände an die seitlichen Griffe der Terminals.« Jawohl, Rafael. Der Bildschirm beginnt zu leuchten und ein großzahliger schwarzer Countdown zählt von zehn rückwärts. »Drei, Zwei, Eins – Los! Ihr habt zehn Minuten!«

      Okay, Bunt. Sehr bunt. Viele bunte Steine. Sonst nichts. Das Szenario wirkt auf den ersten Blick etwas langweilig. Ein überdimensionaler Glaskasten erhebt sich vor mir und füllt sich in Zeitlupe mit allerhand skurrilen Formen. Zusammengesetzte Quadrate, die an verschiedene Buchstaben erinnern. Da gibt es ein L oder ein T, ein S oder das klassische O. Ich analysiere, konzentriere mich und schaffe es tatsächlich die beweglichen Körper an die lückenhaften Stellen im Glasraum zu schieben. Wow! Ich bin ein Telepath! Und es ist noch dazu super easy.

      Was ist das? Von Rechts werden lilafarbene Steine in das Glas geworfen, die einen Krieg mit meinen eigenen roten Steinen zu beginnen scheinen. Taranee! Lass es sein, Hexe! Cool down, Tristan! Nicht ablenken lassen! Einfach schneller sein. Die falschen Steine lassen sich problemlos mit einbinden, erfordern jedoch ein erhöhtes Maß an Umsichtigkeit.

      Scheiße, ein S – wohin damit? Verdammt, die Pixel werden schneller. Scheitere ich hier an einem Kinderspiel? Ich könnte… Nein, ich bin nicht Taranee! Ich werde nicht falschspielen und ihr meine Ausschussware rüberwerfen.

      »Tristan, hast du ein S übrig?« Fenjas Glas zu meiner Linken weist eine passende Lücke in ihrer türkisen Quadratlandschaft auf. Das ist die Idee! Warum gemein sein, wenn man sich doch gegenseitig helfen kann. Reflexartig lasse ich das rote S in Fenjas Glas wandern und bewahre das Fass vorm Überlaufen. Gutes Gefühl!

      »Das war mega, Fenja!«

      »Danke, sollen wir so weitermachen?«

      »Unbedingt,