Moby Dick. Herman Melville. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Herman Melville
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752992410
Скачать книгу
mit Rachegefühlen.

      Sie haben biblische Namen, wie es auf der Insel allgemein üblich ist, und als Kind lernen sie das dramatisch klingende »thee« und »thou«. Bei ihrem wagemutigen und ungebundenen Leben entwickeln sie Eigenschaften, die eines skandinavischen Seekönigs oder eines heidnischen Römers nicht unwürdig sind.

      Wie Kapitän Peleg, war Kapitän Bildad ein wohlhabender Walfischjäger, der sich zur Ruhe gesetzt hatte. Aber anders wie Kapitän Peleg, der sich um die ernsten Dinge nicht den Teufel kümmerte und die sogenannten wichtigen Sachen für die größten Kleinigkeiten hielt, war Kapitän Bildad nicht nur im Sinne der strengsten Sekte des Quäkertums von Nantucket erzogen, sondern auch das spätere Leben auf dem Meere und der Anblick so vieler Schönheiten auf den Inseln um Kap Horn herum hatten diesen eingefleischten Quäker nicht eine Spur ändern können.

      Bei aller Unveränderlichkeit in diesen Dingen fehlte ihm doch in anderer Weise die Konsequenz. Aus Gewissensbedenken weigerte er sich, gegen fremde Eindringlinge Waffen zu tragen, aber er selbst war, ohne dazu berechtigt zu sein, in den Atlantischen und Pazifischen Ozean eingefallen. Er hatte geschworen, kein Menschenblut zu vergießen, und doch hatte er Tonnen vom Blut des Leviathans vergossen. Ob er am Abend seines Lebens über diese Dinge nachdachte und sich damit in der Erinnerung abfand, kann ich nicht sagen. Aber es schien ihm nicht viel auszumachen. Vielleicht war er seit langem zu dem weisen und tiefen Entschluss gekommen, daß die Religion und die Welt des Alltags etwas ganz Verschiedenes sind. Die Welt zahlt Dividende.

      Von einem kleinen Schiffsjungen mit kurzem Rock aus grauem Tuch war er zu einem Harpunier mit einer großen Weste aufgestiegen, war dann Bootsführer, Obermaat, Kapitän und schließlich Schiffsherr geworden. Bildad hatte sich, wie ich schon sagte, nach dem abenteuerlichen Leben im stattlichen Alter von fünfzig Jahren zur Ruhe gesetzt. Und nun widmete er sich dem ruhigen Genuss seines wohlverdienten Einkommens.

      Ich muss leider sagen, daß man Bildad für einen unverbesserlichen alten Geizkragen hielt. Als er noch zur See ging, galt er als strenger, unerbittlicher Herr, der viel von seinen Leuten verlangte. In Nantucket erfuhr ich die ziemlich merkwürdige Geschichte, daß nach der Heimreise die Leute erschöpft und ermüdet ankamen, ja zumeist ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Für einen Frommen, und noch dazu für einen Quäker, hatte er ein ziemlich hartes Herz. Er fluchte niemals, aber seine Leute sagten, daß er ihnen ungewöhnlich harte und anstrengende Arbeit gab. Als Obermaat konnte er einen mit seinen grauen Augen so anstarren, daß man die Ruhe verlor, irgend etwas in die Hand nahm und wie blödsinnig arbeitete. Nachlässigkeit und Faulheit waren bei ihm unmöglich. Er selbst war die Verkörperung seines nüchternen und praktischen Charakters. An dem langen und hageren Körper hatte er kein Fleisch zu viel, er hatte nicht mal einen Bart, und das Kinn hatte ein dünnes Spierhaar, das, wie der Filz seines breitkrempigen Hutes, vom vielen Tragen abgenutzt war.

      So sah die Person aus, die auf dem Heckbalken saß, als ich dem Kapitän Peleg unten in die Kajüte folgte. Auf Deck war nicht viel Platz, und da saß nun der alte Bildad kerzengrade und unangelehnt da, um seine Rockschöße zu schonen. Der Hut lag neben ihm, und die Beine waren übereinandergeschlagen. Der Rock war bis zum Kinn zugeknöpft, und mit der auf die Nase herabfallenden Brille schien er in ein dickbändiges Buch vertieft zu sein.

      »Bildad,« rief Kapitän Peleg, »du hast nun die Heilige Schrift dreißig Jahre lang studiert, wie weit bist du gekommen, Bildad?«

      Er schien solch ein weltliches Geschwätz bei seinem alten Schiffskameraden gewöhnt zu sein. Ohne auf seine Respektlosigkeit zu achten, sah er ruhig auf, und als er mich erblickte, warf er Peleg einen forschenden Blick zu.

      »Er sagt, er will zu uns, Bildad!« sagte Peleg. »Er will aufs Schiff.«

      »Willst du wirklich?« sagte Bildad in einem hohlen Tone und wandte sich an mich.

      »Ja!« sagte ich.

      »Was hältst du denn von ihm, Bildad?« sagte Peleg.

      »Es wird gehen!« sagte Bildad, sah mich an, und dann buchstabierte er wieder in seinem Buch und las ganz vernehmlich vor sich hin.

      Es war wohl der sonderbarste alte Quäker, den ich jemals kennengelernt habe, um so mehr, als Peleg, sein Freund und alter Schiffskamerad, solch ein Großmaul zu sein schien. Aber ich sagte nichts und sah mich nur um.

      Peleg machte nun eine Kiste auf und zog die Schiffsartikel daraus hervor, legte Feder und Tinte vor sich hin und nahm an einem kleinen Tische Platz. Ich dachte darüber nach, daß es höchste Zeit wäre, sich darüber klar zu werden, unter welchen Bedingungen ich mich für die Fahrt anmustern lassen wollte. Ich wußte schon, daß man bei der Walfischerei keinen Lohn zahlt, sondern daß alle und auch der Kapitän gewisse Anteile am Gewinn beziehen. Die Höhe dieser Gewinnanteile richtet sich nach dem Geschäft, das man im Dienst der Gesellschaft ausführt. Ich wußte wohl, daß ich als völliger Neuling keinen großen Anteil beziehen konnte, aber wenn ich daran dachte, daß ich im Seedienst wohlerfahren war, daß ich ein Schiff steuern, ein paar Seile zusammenflechten und noch anderes mehr konnte, bezweifelte ich nicht, daß man mir den zweihundertfünfundsiebzigsten Anteil, das heißt den zweihundertfünfundsiebzigsten Teil des reinen Barverdienstes aushändigen könnte. Und wenn der zweihundertfünfundsiebzigste Anteil auch nicht viel war, so war es doch besser als gar nichts. Und wenn wir einigermaßen Glück hatten, so konnte ich doch meine Kleidung bezahlen, ohne zu reden von der Verpflegung für drei Jahre, die mich dann keinen Pfennig kosten würde.

      Das war natürlich ein ärmlicher Weg, reich zu werden. Aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die reich werden wollen, und bin völlig zufrieden, wenn man mich verpflegt und wohnen lässt. Ich dachte, der zweihundertfünfundsiebzigste Anteil wäre ganz angemessen, und ich würde mich nicht gewundert haben, wenn man mir den zweihundertsten angeboten hätte, da ich doch ziemlich breitschultrig war.

      Aber die Aussichten auf einen anständigen Gewinnanteil wurden doch durch eins ziemlich herabgesetzt. An Land hörte ich schon von Kapitän Peleg und dem unberechenbaren alten Gesellen Bildad. Da sie die Hauptteilhaber des »Pequod« wären und die anderen Teilhaber nicht viel zu sagen hätten, so könnten sie die Angelegenheiten des Schiffes allein regeln. Ich merkte nichts davon, daß der geizige alte Bildad einen großen Einfluss auf die Anmusterung von Matrosen hatte, als ich ihn nun an Bord des »Pequod« sah, wie er in der Kabine wie zu Hause dasaß und in der Bibel wie vor dem eigenen Herd las. Währenddem versuchte Peleg vergeblich, mit seinem Schiffsmesser eine Feder zurechtzuschneiden. Der alte Bildad, der doch an den Vorgängen so sehr beteiligt sein sollte, schenkte uns keinen Blick, sondern las ruhig in seinem Buch weiter. »Habet acht, daß ihr nicht Schätze auf Erden sammelt, wo Motten und Rost –«

      »Nun, Kapitän Bildad,« unterbrach ihn Peleg, »was, meinst du, sollen wir dem jungen Manne geben?«

      »Das weißt du am besten«, war die Antwort, die wie eine Stimme aus dem Grabe klang. »Der siebenhundertsiebenundsiebzigste Anteil würde nicht zu viel sein, nicht wahr? Wo Motten und Rost sie verderben.«

      Das war ja ein unglaublich kläglicher Anteil, und bei der großen Zahl hätte eine Landratte übers Ohr gehauen werden können.

      »Aber was fällt dir denn ein, Bildad,« rief Peleg, »wir können doch diesen jungen Mann nicht übers Ohr hauen, wir müssen ihm mehr geben!«

      »Den siebenhundertsiebenundsiebzigsten«, sagte wieder Bildad, ohne die Augen aufzuheben. Und dann las er weiter – »Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz –«

      »Ich will ihn für den dreihundertsten anmustern,« sagte Peleg, »hörst du, Bildad? Den dreihundertsten Anteil, hörst du?«

      Bildad legte sein Buch hin und wandte sich feierlich an ihn.

      »Kapitän Peleg, du hast ein edelmütiges Herz, aber du musst an die Pflicht denken, die du den anderen Teilhabern des Schiffes gegenüber hast, den Witwen und Waisen und vielen anderen, und wenn wir die Arbeit des jungen Mannes zu reichlich bezahlen, so nehmen wir den Witwen und Waisen das Brot weg. Der siebenhundertsiebenundsiebzigste Anteil genügt, Kapitän Peleg!«

      »Bildad!« brüllte Peleg, sprang auf und lief wie ein Wilder in der Kabine herum. »Wenn ich deinem Rat in diesen Dingen gefolgt wäre,