unglückselig verdammt. Sharon Lee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sharon Lee
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752907872
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schien es aufwärts zu gehen mit ihrem Leben. Maya war voller Zuversicht und stand mit ihren fünfundzwanzig Jahren auf eigenen Beinen. Sie war stolz auf das, was sie bisher erreicht und wofür sie sehr hart gearbeitet hatte: Ihre Unabhängigkeit. Zu dieser Zeit lernte Maya ihren Freund Thomas kennen und lieben. Thomas zählte zu den ganz wenigen, denen Maya wirklich vertraute. An ihm schätzte sie besonders seinen Humor und sein ausgeglichenes Wesen. Er war ein Ruhepol, ein Fels in der Brandung: Thomas war der wichtigste Teil in Mayas Leben.

      Trotz allem waren Stunden der Traurigkeit immer noch präsent. Stärker denn je sehnte sich Maya danach, mehr über ihren Vater und ihre Herkunft zu wissen. Auch auf die Gefahr hin, dass er bereits tot war - Mayas Fragen nach ihren Wurzeln nahmen schleichend überhand in ihrem Gefühlsleben. Zum Beispiel war sie sich sicher sie würde ihrem Vater sehr ähnlich sehen. Den südländischen Teint, die rehbraunen Augen und die kastanienbraune Mähne hatte sie zweifellos von ihm geerbt, wo doch ihre Mutter Karin hellhäutig war, blonde Haare und blaue Augen gehabt hatte.

      Auch wenn es darum ging, was er für ein Typ Mensch sein könnte, war Mayas Fantasie grenzenlos. Nach ihrem Wunschbild, das sie sich von ihm gemacht hatte, war ihr Vater ein sonniger Mensch, ein Mann mit dem typischen Temperament eines charmanten Italieners, vielleicht interessierte er sich für Fußball, oder Radfahren, war erfolgreich in seinem Beruf. In einem Punkt war sie sich sicher: Der unbekannte Mann würde ein liebevoller Vater sein.

      Maya war inzwischen erwachsen und ihr innigster Wunsch reifte in einen glasklaren Plan: Sie wollte endlich wissen, wer ihr Vater war.

      Kapitel 2 - Verkauft

      Die Herren aus Santa Berta trafen sich in Matteos Espressobar und debattierten aufgebraucht über die ortsansässige Telefongesellschaft, bei der einige unter ihnen arbeiteten. Die heutige Nachricht in der Tageszeitung traf sie wie eine Wucht. Ihr Arbeitgeber hatte in den Medien die Geschäftsaufgabe verlauten lassen. Damit war die Existenz einiger Familien der Gemeinde bedroht.

      Schuld waren nach Meinung der Männer wie immer die unfähigen lokalen Politiker, die in ihren Augen einmal mehr versagt hatten.

      Ein Älterer schlug mit seinem Gehstock auf den Tresen und fluchte: «Was an unserer Küste geschieht, bleibt an unserer Küste. Es ist unsere Küste! Nostra costa! Wir lassen uns von der Landesregierung nichts vorschreiben!»

      Giulio Bonfortuni nahm den Ruf auf: «Nostra costa!», gefolgt von dem Echo der Männer: «Nostra costa!»

      «Wer Geld hat, dem wird es genommen, und wer keines hat, wird von der Regierung im Stich gelassen! So einer Regierung sind wir nichts schuldig. Wir haben unsere eigenen Regeln!» Giulio Bonfortuni hatte das Wort übernommen und erntete Beifall für seine Parolen.

      Gerade als er seinem Neffen über den Bartresen zurief: «Matteo! Grappa für alle, bitte!», betrat Graziano Russo, der Bürgermeister, die Espressobar. Die Stimmen verstummten, alle Augenpaare waren nun auf ihn gerichtet.

      Und keiner außer Matteo bemerkte, wie Giulio heimlich durch die Tür ins Nebenzimmer verschwand.

      Russo nickte dem Dorfältesten zu, dann den Herren in der hinteren Ecke und grüßte anschließend freundlich in die Runde. Er war ein auffälliger Mann mit Charisma. Seine Gesichtszüge waren kantig, gezeichnet durch einen kräftigen Unterkieferknochen und ein ausgeprägtes Nasenbein. Eher untypisch für Menschen aus der Gegend waren seine stahlblauen Augen und sein hellbraunes Haar, das er mittellang gelockt und mit starkem Gel nach hinten gekämmt trug.

      Von den Anwesenden erntete der Bürgermeister gleichermaßen hochachtsame, wenn nicht unterwürfige Blicke. Er gesellte sich zu Matteo Bonfortuni und klopfte ihm brüderlich auf die Schultern.

      Matteo und Graziano waren im selben Alter und kannten sich von Kindesbeinen an. Obwohl sie in dieselbe Schule gegangen waren und sich sehr nahe gestanden hatten, waren ihre beruflichen Wege in zwei komplett verschiedene Richtungen verlaufen. Matteo kam in puncto Sturheit zwar ganz nach seinem Vater Giovanni Bonfortuni, allerdings nicht, wenn es um seine Karriere als Politiker ging. Das Politisieren überließ Matteo seinem Vater, der früher eine zentrale Rolle in der Provinz-Partei innegehabt hatte und noch heute enge Kontakte zu hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft pflegte.

      Da sich Matteo nicht für eine solche Karriere interessierte, hatte Graziano Russo seine Chance gewittert. In der Jugendzeit hatte Matteo seinen Kumpel oft mit nach Hause genommen, und Graziano hatte die Familie bei den Mittagessen mit seinen Meinungen vollgelabert. Das war über Jahre so gegangen. Irgendwann hatte Matteos Vater den ambitiösen Graziano zu einer politischen Versammlung mitgenommen und ab dann war dessen Weg geebnet gewesen. Graziano Russo war sozusagen ein Zögling von Signore Giovanni, ganz zu dessen eigenem Vorteil, denn damit blieben seine Interessen gewahrt und vertreten.

      Der Dorfälteste bestellte eine dritte Runde Grappa. Verstohlen guckte er hinter den beschlagenen Brillengläsern hervor, beobachtete erst eine leichte Nervosität bei Matteo, dann, wie dieser sich erhob und mit Graziano Russo zur Türe ging, die in einen besonderen Raum führte. Der Zutritt zu diesem Nebenzimmer war nur einem erlauchten Kreis vorbehalten und auch nur mit ausdrücklicher Bewilligung von Matteo Bonfortuni. Der Dorfälteste wusste, wie auch die anderen in der Bar, Bescheid. Man verhielt sich diskret, denn über diesen Raum galt es konsequent zu schweigen. Niemand wagte, die Machenschaften hinter der verschlossenen Tür zu hinterfragen. Das war nur eine der Regeln.

       Matteo ließ Graziano den Vortritt und schloss die Tür hinter sich zu. Im Nebenzimmer warteten bereits Giulio und ein weiterer seiner Neffen, Angelo Bonfortuni. Matteo grüßte kühl und setzte sich scheinbar desinteressiert an den runden Salontisch aus massiver Eiche.

       Der Bonfortuni-Clan war weit über Santa Berta hinaus berüchtigt, die Familie hatte provinzweit einen gefürchteten Ruf. Auch die Beziehung zwischen den Familien Bonfortuni und Russo gründete auf einer langjährigen Verbindung ihrer Vorfahren. Gerüchte kursierten in der Gemeinde, Graziano Russo hätte seine Wahl zum Bürgermeister hauptsächlich der Familie Bonfortuni – allen voran Signore Giovanni – und deren starkem Einfluss auf die Dorfbevölkerung zu verdanken.

      In Santa Berta traute sich kaum einer über die Intrige zu sprechen, die zur Abwahl von Russos Vorgänger geführt hatte. Man sagte dem abgewählten Bürgermeister nach, er hätte seine Position missbraucht und sich persönlich bereichert. Es wurde ihm angelastet, für mehrere Transaktionen auf ein Schweizer Konto verantwortlich zu sein. Aufgrund des Verdachts auf Betrug, so hieß es weiter, sei er als Bürgermeister untragbar geworden.

      Währenddessen schlugen Leute aus den Reihen der Familien Bonfortuni Graziano Russo für die Nachfolge des Amtes vor.

      Insgeheim war jedem Bewohner klar, dass sich eine beachtliche Menge der Leute ihrer Stimme enthalten hatte und Graziano Russo nur deswegen zum Bürgermeister gewählt worden war. Darüber aber hüllte man sich in Schweigen.

      In seiner Dankesrede hatte er kein Wort über seinen Vorgänger, den abtretenden Bürgermeister, verloren. Die Bewohner standen geschlossen hinter Russo und ignorierten die Umstände der Wahl. Sie hatten andere Probleme. Was die Bevölkerung von ihm erwartete, waren Taten und eine begründete Hoffnung auf bessere Zeiten. Sie brauchten Lösungen, Arbeitsplätze und Perspektiven. Dieses Versprechen sollte Russo ihnen geben.

      Er hatte es in seiner Ansprache eine positive Erfahrung genannt, dass die Gemeinschaft seine Werte teile und seinen Schutz anerkenne. Anschließend erinnerte er die Bevölkerung an ihre Rechte und Pflichten und an die Regeln des Zusammenlebens, die sie alle erfüllen sollten. Beendet hatte er seine Rede mit dem Versprechen, er werde mit dem Norden verhandeln und sähe es als seine Aufgabe, die Provinz in einen wirtschaftlich attraktiven Standort zu wandeln.

      Das war es, was das Volk hören wollte. Seither wurde Graziano Russo als Hoffnungsträger in Santa Berta geachtet und gefeiert.

      Kapitel 3 - Giulio Bonfortuni

       Graziano Russo räusperte