Dramatischer Tod. Günther Tabery. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günther Tabery
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738086218
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Wenn Martin einen Verdacht oder ein beunruhigendes Gefühl hatte, so sollte er seine Meinung ernst nehmen. Für ihn war die Vorstellung, dass einer seiner Bekannten ein Mörder war, vollkommen unglaublich. Dennoch sagte er langsam: „Kimberly und Margot, die beiden waren schon früh nach dem offiziellen Teil gegangen. Sonst waren alle aus dem Ensemble da. Du, Veronika und Leni seid bis zum Ende geblieben.“

      „Ja, ich weiß. Es waren elf Menschen anwesend. Eingenommen uns beide.“ Martin sah ihn eindringlich an. Er legte den Kopf auf die rechte Seite. „Ich denke, wir müssen unsere Augen offen halten. Wir müssen jeden aus der Gruppe befragen. Irgendjemand muss etwas Wichtiges gesehen haben und das müssen wir herausbekommen. Vielleicht entdecken wir eine Spur.“

      Gerald nickte. „Aber du kennst die Gruppe ja nicht. Wie willst du mit ihnen ins Gespräch kommen?“

      „Du wirst es für mich übernehmen. Wir müssen nur einen geeigneten Grund dafür finden.“

      „Ich soll das Ensemble wie ein Detektiv ausfragen?“ Gerald schüttelte den Kopf. „Nein, das kann ich nicht. Das traue ich mir nicht zu.“

      „Ich sehe keine andere Möglichkeit, Gerald. Ich kenne ja das Ensemble nicht und kann es nicht selbst tun.“

      Gerald schluckte und dachte nach. Was würde die Gruppe in Zukunft miteinander verbinden? Welchen Grund hatte er, sich noch einmal mit allen zu treffen, nachdem die Aufführungen nun abgesagt würden? Da kam ihm eine Idee: „Ich könnte sie fragen, ob wir gemeinsam einen Kranz für die Beerdigung stiften wollen. Ich könnte sie deswegen aufsuchen. Wie findest du das?“

      Martin befand, dass dies eine gute und geeignete Idee wäre: „Ein persönlicher Besuch ist Anteil nehmend und zeigt, wie sehr dich das Geschehene beschäftigt. Anders, als wenn du nur einfach anrufen würdest. Sehr gut. Und du erfährst in einem persönlichen Gespräch unweit mehr über deren Gefühle, Einstellungen und Haltungen. Ein Blick verrät oft mehr als tausend Worte, oder wie heißt das berühmte Sprichwort noch gleich?“

      „Ja, du hast Recht. Das finde ich auch.“

      „Gut.“ Martin setzte sich aufrecht hin. Dann bat er: „Erzähle mir etwas über Udo. Wer war er, was hat er gearbeitet. Alles, was du über ihn weißt.“

      Gerald überlegte. Es mussten an die zehn Jahre sein, überlegte er, die Udo in der Muschel Theater spielte. Zeitweise war er auch im Vorstand als Schriftführer tätig gewesen. Regelmäßig spielte er in den unterschiedlichsten Inszenierungen mit und da meist die großen männlichen Hauptrollen. Udo war Mitte 40 und mit Katharina verheiratet. Sie war es, die ihn damals mit in die Muschel gebracht hatte. Gemeinsam hatten sie zwei kleine Kinder, Anna und Marie, und ein Einfamilienhaus im Wohngebiet `Augsteiner´, eine sehr gute Wohngegend in Bruchsal. Udo war von Haus aus Bankkaufmann. Später wurde er Filialleiter in Bruchsal, was ihm ein hohes Ansehen verlieh. Udo war ein Mensch, der alles im Leben erfolgreich erreicht hatte: Er hatte eine Frau, zwei Kinder, Haus und Karriere, ein erfülltes Hobby. Es gab nichts, was nicht zusammen gepasst hatte. Nach außen hin hatte er auf Gerald stets einen glücklichen Eindruck gemacht. Nichts bedrückte ihn und er war oft sehr gut gelaunt mit einem lustigen Spruch auf den Lippen. Im Ensemble hatte er seinen festen Platz. Er bekam von allen Seiten Anerkennung für seine schauspielerische Leistung. Gerald konnte sonst nichts Negatives, nichts Außergewöhnliches über Udo berichten.

      Martin hörte aufmerksam zu. Er bedankte sich bei Gerald für seinen detaillierten Bericht. Anschließend sollte sich Gerald an die Umstände von gestern Abend erinnern. War ihm etwas Besonderes aufgefallen im Verhalten Udos? Benahm sich jemand anderes auffällig? Alles war wichtig, auch die winzigste Kleinigkeit.

      Gerald sah den Theaterraum vor seinen Augen. Die Gruppe, die ausgelassen feierte und tanzte. Er hatte mit Udo draußen im Hof gestanden und sich unterhalten. Udo war sehr zufrieden gewesen mit seiner Leistung. Er machte nicht den Eindruck, als ob ihn etwas bedrückte oder beschäftigte. Es war etwa 23 Uhr gewesen, als Leni ihn bat wieder rein zu kommen. Es wurde das Lied `Raining Man´ gespielt und sie wollte mit ihm tanzen. Das musste der letzte Moment gewesen sein, als sie Udo bewusst lebend gesehen hatten.

      Gerald dachte an die anderen. War ihm da etwas aufgefallen? Olaf schien sehr aufgeregt zu sein. Er rauchte und trank auffällig viel.

      „Olaf ist der Regisseur, ist das richtig?“, fragte Martin zwischendurch.

      Gerald nickte. Er meinte, dass Olaf vielleicht wegen des Stücks aufgeregt gewesen sein könnte. Die Aufführung war zwar sehr gelungen, aber es war auch ein unbequemer Kritiker von der Zeitung da, der sich eher verhalten gegeben hatte. „Ich kann mir gut vorstellen, dass es unheimlich stressig ist so ein Stück auf die Beine zu stellen“, befand Gerald. „Vielleicht war er deswegen hektisch und unausgeglichen.“

      In Gedanken ging er weiter die Gruppe durch. Da war noch Erik, der den Steve gespielt hatte. Das war ein unsympathischer Kerl, der stets sehr unzufrieden mit sich war. Er bildete sich ein, dass sein Talent verkannt wurde und er deswegen nur kleine Rollen zu spielen bekam. Er blickte gestern Abend finster drein und konnte sich nicht richtig über den Erfolg des Stückes freuen. Aber ein finsterer Blick macht noch lang keinen Mörder aus ihm, dachte Gerald.

      Dann berichtete er über Katharina, Udos Frau. Sie machte anfangs einen sehr glücklichen Eindruck auf Gerald. Bekam sie von allen Seiten Lob und Anerkennung für ihre Leistung. Später schien es so, als bedrückte sie etwas.

      Über Armin konnte er nichts sagen. Armin war ganz neu in der Muschel. Er wusste nicht viel von ihm. Ein netter Kerl, fand er. Suchte offenbar Anschluss und die Gruppe nahm ihn offen ohne Vorbehalte auf. Ihm war nichts weiter an seinem Verhalten aufgefallen, außer dass er vielleicht ein bisschen zu tief ins Glas schaute.

      Frederick und Manuela, dachte Gerald. Die beiden sind ein schönes Paar. Aber irgendetwas musste Frederick über die Leber gelaufen sein, denn ab einem bestimmten Zeitpunkt saß er nur ganz still auf seinem Platz. Unterhielt sich nicht weiter und tanzte nicht. So, als ob er ganz in sich gekehrt war. Vielleicht fiel ihm die Anspannung ab und er spürte diese Leere in sich, die Gerald auch gut kannte. Manuela war ganz ausgelassen, fasst schon ein bisschen hysterisch. Ihr lautes Lachen konnte man immer wieder vernehmen.

      „Und hast du gesehen, wie jemand den Theaterraum verließ?“, wollte Martin wissen.

      „Alle gingen mal nach draußen oder auf die Toilette. Es war ein Kommen und Gehen. Leider kann ich dir nicht genau sagen, wer zeitgleich mit Udo den Raum verließ. Darauf habe ich nicht geachtet.“

      „Ja, das ist klar. Ich habe selbst nicht darauf geachtet.“

      „Und dir, ist dir etwas aufgefallen?“

      Martin schüttelte den Kopf. „Nein, für mich waren ja alle neu und unbekannt. Ich habe mich den Abend über gut mit Leni unterhalten. Solange, bis die Musik lauter wurde und alle anfingen zu tanzen.“

      Martin verstummte. Schweigend saßen sich die beiden gegenüber. Er nahm einen großen Schluck Kaffee. Dann sagte er: „Also Gerald, es wäre schön, wenn du jeden aus der Gruppe sprechen könntest. Vielleicht bekommst du ja etwas heraus, das uns weiter bringt. Etwas, was einer gesehen oder gesagt hat.“

      „Ich werde mein Bestes tun, Martin. Gleich heute Nachmittag werde ich mich darum kümmern und einen ersten Besuch abstatten. Ich tue es für Udo. Ich hoffe sehr, dass wir seinen Mörder finden.“

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