Schutzengel im Nahflug. Winfried Paarmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Winfried Paarmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738021028
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Schwester.

      Ich will dich nicht unnötig ängstigen. Doch sei vorsichtig bei dem, was du tust.

      Ich will dich nicht ängstigen. Doch die Gefahr könnte größer sein, als du annimmst.“

      „Ich habe ein Beweisstück, ich habe es bei mir.“ Er griff nach dem Handy in seiner Jacke. „Die Sache ist bereits so gut wie gewonnen.

      Du meinst, ich könnte leichtsinnig sein?“

      Der Kellner mahnte wieder zum Aufbruch, den Satz zweimal mit einer Entschuldigung unterbrechend.

      Hendrik hätte sie gern mit seinem Auto zu ihrer Wohnung gefahren. Doch dieses Auto stand mit plattem Vorderreifen vor einer fremden Pension.

      Iris nahm ihr Handy aus der Jackentasche und rief ein Taxi.

      „Ich erkenne dich,“ sagte Hendrik. „Mit oder ohne Feder. Ich erkenne ich, weil du du bist.

      Ich werde dich überall und immer erkennen.“

      Er zog den Kopf aus der großen gemeinsamen Glocke der Trance zurück.

      Das Taxi war eingetroffen.

      Iris stand auf, ihre Blicke schweiften zum Taxi, dann trat sie dicht neben ihn und umarmte ihn.

      Lange. Innig. Fest.

      Sie löste sich und ging auf das Taxi zu.

      Hendrik spürte, er müsse etwas tun, um diesen Augenblick festzuhalten.

      Er zog sein Handy.

      Es sollte unbemerkt geschehen.

      Er wollte allein dieses Bild: Wie sie mädchenhaft leicht und grazil auf das Taxi zulief.

      Da, als er abdrückte, drehte sie sich ihm noch einmal zu. Der Fotoblitz des Handys leuchtete voll in ihr Gesicht.

      Das hatte er nicht zu fragen gewagt: ob er zum Abschied ihr Gesicht fotografieren dürfe.

      Jetzt war es passiert.

      Ihr Gesicht war ins Handy gebannt.

      Er prüfte es gleich: Kein Ausdruck von Überrumpelung oder Abwehr hatte sich eingeschlichen. Sie lächelte frei und offen in sein Handy hinein.

      Jetzt hörte er, wie sie dem Taxifahrer das Wort „Eschborn“ zurief. Die Tür schlug zu.

      Hendrik griff die Serviette, faltete sie klein zusammen und verstaute sie in seinem Portmonee. Nie war etwas ähnliches Kostbares dort verwahrt worden, und er allein wusste es.

      Hinter dem Taxifenster winkte eine Hand. Das Taxi verschwand im Dunkel der Nacht.

      x x x x

      Hendrik lehnte glücklich, wie benommen noch eine Zeit lang am Zaun.

      Er trat den Weg zurück zur Mainbrücke an, er schwebte fünf Zentimeter über dem Boden dabei, immer nach wenigen Schritten machte er Halt und ließ auf dem Display seines Handys das Gesicht von Iris aufleuchten.

      Er tanzte, taumelte durch die nächtlichen Straßen. Er war das personifizierte Glück.

      Jetzt stand er am Brückengeländer, unter ihm rauschte Väterchen Main, das Licht der Straßenbeleuchtung versilberte die Wellen, manche funkelten sogar geheimnisvoll auf, dazwischen gab es Oasen von lichtlosem Schwarz, doch es überwogen die versilberten Wellenstraßen.

      Die Straße war um diese Zeit schon menschenleer, nur im Minutentakt kreuzte nochmals ein Auto auf und war mit schnellem Rauschen verschwunden.

      Er fasste den Entschluss, die Telefonnummer auf der Serviette in sein Handy zu übertragen. Er hatte eben das Portmonee aus seiner Tasche gezogen und es auf dem Brückengeländer abgelegt, als auf seiner Straßenseite hinter ihm zwei grölende Motorradfahrer auftauchten. beide mit einer Flasche am Mund, aus der sie jetzt einen letzten Schluck nahmen.

      Sie hatten sich die Mainbrücke ausgeguckt, um sich der Flaschen zu entledigen, der eine ließ sie in hohem Bogen über das Geländer fliegen, das versuchte mit fröhlichem Grölen jetzt auch der andere, wobei seine Flasche nach dem niedrig angesetzten Wurf doch nur ans Geländer prallte und dort zersplitterte. Hendrik hob schützend die Hand vors Gesicht, sein rechter Ellbogen war auf das Geländer gestützt, instinktiv machte er einen Schritt zurück, der Ellenbogen schob das Portmonee mit sich, dann hörte Hendrik seinen platschenden Aufschlag auf den Fluten des Mains. Er blickte hinab. Noch etwa eine halbe Minute hielt sich das Portmonee auf den Wellen, trieb mit der Strömung fort. Dann war es verschwunden.

      Hendrik stand erstarrt.

      Er glaubte lange, dass nicht wirklich sein könne, was eben geschehen war.

      Die Bilder wirbelten in seinem Kopf, wie er vom Geländer in die Tiefe des Mains springen würde und dort mit tiefen Taufgängen den Boden absuchte.

      Es war hoffnungslos.

      Der Fluss hatte die Serviette mit der Telefonnummer verschluckt. Das Portmonee konnte noch viele Meter weiter getrieben sein. Jetzt lag es irgendwo auf dem Grund des Mains

      Er blickte starr in die Tiefe, die versilberten Wellen rauschten wie immer, eng an einander geschmiegt, die Motorradfahrer waren längst davongefahren, kein Auto störte die Nachtruhe.

      Die Nachtruhe: sie war eine Grabesstille.

      Hendrik hockte, gegen das Geländer gelehnt, am Boden: ein Sack voll Elend.

      Keine Katastrophe konnte vernichtender sein als diese es war.

      Als er in der Pension eintraf, sah er, wie die Dame von der Rezeption eben in einen Krankenwagen transportiert wurde. Es hieß, sie habe einen Schwächeanfall erlitten.

      In der Ferne tönte die Alarmsirene eines Polizeiwagens.

      Hendrik griff seinen Schlüssel und ging die Treppe hinauf zu seinem Zimmer, in dem er seinen Nachmittagsschlaf verbracht hatte.

      Er blickte auf die Uhr. Es war Viertel vor vier.

      Er wusste nicht, was sich vor einer Viertelstunde in dieser Pension ereignet hatte.

      Immer wieder sah er sich am Geländer der Mainbrücke stehen und von dort in die Tiefe springen.

      Das kalte Nass schlug über ihm zusammen und seine Finger wühlten im Grund.

      Ein unerschrockener, todesmutiger Schatzsucher.

      Während das Portmonee doch immer weiter auf Wanderschaft ging mit den Strudeln und Schnellen des Flussbodens, ihm immer einige Meter voraus, vielleicht schon mehr als hundert Meter inzwischen.

      Noch im Einschlafen sah er sich wieder aufspringen, ein von widersinniger Hoffnung gejagter Jäger, der das absolut Vernunftlose versuchte.

       Nachts, drei Uhr dreißig:

       Zwei Männer, beide dunkelhaarig, südländischer Typ, klingelten am separat gelegenen Eingang der Pension, kaum hatten sie die Rezeption betreten, legten sie der älteren Dame, die dort um diese späte Nachtzeit noch Buch führte, ein chloroformgetränktes Tuch über den Mund, kurz darauf war sie am Stuhl gefesselt, und die zwei Männer bemächtigten sich sämtlicher sechs Schlüssel, die in die Pensionsräume führten.

       Nur zwei schienen gebucht, in einem befand sich ein schon älterer grauhaariger Herr, in einem anderen lagen in schummrigem Licht ein jüngerer Herr und eine grell geschminkte Dame in enger Verschlingung, beide vollkommen nackt. Der eine der dunkelhaarigen Männer zog eine Pistole und verlangte vom Mann die Herausgabe seines Handys.

       Der hob, bleich vor Schrecken, die Hände, sprang nackt aus dem Bett und wühlte aus einer Innentasche seines über einen Stuhl gehängten Jacketts sein Handy hervor. Zitternd lieferte er es aus.

       Die beiden Männer kehrten zurück in die Rezeption, banden die Empfangsdame von ihrem Stuhl los und waren verschwunden.

       Bei Rudmar klingelte das Telefon.

      „Wir