Pferdesoldaten 09 - Das Kanonenboot. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия: Pferdesoldaten
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750212350
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musste. Immerhin gelang es einer Batterie am 27. Mai, das Kanonenboot U.S.S. Cincinnati zu versenken.

      Während Grant einen eisernen Ring um die Stadt Vicksburg legte, versuchte man im „Hinterland“ der Konföderation verzweifelt, der notleidenden Stadt mit Nachschub, Lebensmitteln und frischen Truppen zu Hilfe zu kommen. Der Union lagen Berichte vor, dass man in der kleinen Stadt Dillings, direkt am Ufer des Mississippi gelegen, ein Nachschublager anlegte und eine kleine Dampferflotte zusammenstellen wollte, um die Blockade zu durchstoßen und Vicksburg die dringend erforderliche Hilfe zu bringen.

      Commodore Isaac Lumbers hatte den Befehl, dies zu unterbinden. Er war fest entschlossen, die Mission seines kleinen Verbandes zu einem vollen Erfolg werden zu lassen. Sein Auftrag lautete dahingehend, Dillings zu erreichen und die dortigen Vorräte und Dampfschiffe zu vernichten. Zwei Kanonenboote und ein Regiment Infanterie sollten hierzu mehr als ausreichend sein. Zwar verfügten die Rebellen über einige Truppen in der Nähe, doch wenn Lumbers schnell und entschlossen zuschlug, würden diese den Coup des Unions-Verbandes nicht verhindern können.

      „Ein Plan muss einfach sein, damit er auch gelingen kann“, murmelte Lumbers und sog an seiner Pfeife. „Je komplizierter er ist, desto mehr Risiken entstehen, die ihn zum Scheitern bringen können. Daher werden wir schnell und hart zuschlagen, und wieder verschwinden, bevor die Rebellen reagieren können.“

      Der Kapitän der Nentucket rauchte ebenfalls Pfeife und für einen Moment schien es, als qualmten beide Seemänner um die Wette mit den beiden Schornsteinen, die hinter ihnen aufragten. Der Flusskapitän warf Lumbers einen skeptischen Blick zu. „Hören Sie, Mister Commodore, das ist ja schön und gut, aber nur so lange, wie die Rebellen dabei mitspielen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ein neues Nachschub-Depot ohne wirksamen Schutz lassen.“

      „Oh, dafür haben sie gesorgt.“ Der Commodore grinste verächtlich. „Eine Menge Infanterie und Kavallerie sind in der Nähe. Nichts, was uns gefährlich werden könnte.“

      „Hören Sie, Mister Lumbers, solche Truppen werden immer von Artillerie begleitet.“ Der Kapitän des Dampfers legte sichtlichen Wert darauf, zu betonen, dass er noch immer Zivilist sei. Er mied es tunlichst, den Commodore mit dessen Rang oder mit Sir anzusprechen. Er mochte sich dem Willen des Militärs fügen, doch als Flussschiffer sah er sich eher neutral und keiner Seite verbunden. Seine Treue galt dem mächtigen Strom, seiner Nentucket und deren Besatzung.

      „Feldartillerie, Kapitän. Die haben nichts, was uns ernsthaft zusetzen könnte.“

      „Das mag für Ihr gepanzertes Kanonenboot gelten, aber meine hübsche Lady hier, die besteht aus Holz. Da reichen auch schon leichte Feldgeschütze aus, um Späne aus ihr zu machen.“

      Lumbers Blick verriet seine Missbilligung. „Und die Geschütze der gepanzerten Mayhew reichen aus, um aus jeder ungeschützten Feldbatterie Späne zu machen.“

      „Ich bete zum Allmächtigen, dass Sie Recht behalten, Mister Commodore“, knurrte der Kapitän. „Wir sind übrigens nicht mehr weit von Dillings entfernt. Noch zwei Flussbiegungen und wir haben es in Sicht.“

      Die kleine Louisville erreichte die Erste der Biegungen. Ihre qualmenden Schornsteine verschwanden allmählich hinter einer vorspringenden und dicht bewaldeten Landzunge.

      Es ging auf den Mittag eines schönen Sommertages zu. Der Commodore nahm sein Fernglas und suchte die Seiten des Flusses ab. In der Nähe der Landzunge gab es eine kleine Sandbank. Lumbers beobachtete zwei Alligatoren, die dort faul in der Sonne lagen. Einer von ihnen schien nun zu gähnen und der Offizier registrierte durch sein gutes deutsches Glas, wie Respekteinflößend das Gebiss der Echse war. Mancher Flussschiffer oder Angler war solchen Zähnen schon zum Opfer gefallen und Passagiere machten sich gelegentlich einen Spaß daraus, ihre Treffsicherheit an den Panzertieren zu üben.

      „Wenigstens ist die kleine Louis schnell und leicht zu manövrieren“, meinte der Steuermann. „Das wird ihr helfen, falls sie von den Rebellen unter Beschuss genommen wird.“

      Im Gegensatz zu den anderen Raddampfern der Flottille, verfügte die Louisville nicht über ein großes Heckrad, sondern zwei seitliche Antriebsräder. Es gab immer wieder Debatten unter den Flussschiffern, welche Antriebsart wohl besser wäre, denn beide Varianten hatten ihre Vor- und Nachteile. Der Vorteil der seitlichen Räder war, dass sie separat gesteuert werden und sogar entgegengesetzt eingekuppelt werden konnten. Das machte ein Schiff so beweglich, dass es sich fast auf der Stelle drehen konnte. Es benötigte auch nicht unbedingt ein Ruderblatt zum Steuern, welches bei den Heckraddampfern stets ein Schwachpunkt war. Als Nachteil boten die ausladenden seitlichen Räder allerdings eine große Angriffsfläche für das viele Treibholz und die oft unsichtbaren Baumstämme, welche unter Wasser eine tödliche Gefahr bildeten. Das Rad eines Heckraddampfers war dagegen besser geschützt, half allerdings nicht bei der Steuerung. Diese gelang beim Heckantrieb nur mit Hilfe von einem oder (meist) zwei Ruderblättern, die unter dem flachen Rumpf und unmittelbar vor dem Heckrad angebracht waren. Da sie Strömungswiderstand bieten mussten, lagen sie in der Regel ungeschützt unter Wasser und konnten ebenfalls leicht durch Unterwasserhindernisse beschädigt oder sogar zerstört werden. Bei den neuen Kanonenbooten lagen diese Ruderblätter in einer Art Hohlkehle des Unterwasserschiffes. Dort waren sie relativ gut geschützt, ihre Wirksamkeit galt jedoch als reduziert.

      „Signal von der Mayhew“, kommentierte der Steuermann.

      Commodore Isaac Lumbers brauchte niemanden, der die Bedeutung der Signale interpretierte. Jeder gute Seemann kannte sie. „Meldung von der Louisville“, murmelte er. „Ziel in Sicht. Keine Rebellenaktivitäten.“ Er lächelte erleichtert. „Wie ich es mir bereits gedacht habe. Wir überraschen die Rebellen.“

      „Oder sie halten sich versteckt und lauern darauf, dass wir ihnen vor die Kanonen fahren“, erwiderte der Kapitän bissig.

      „Verdammt, Captain“, fuhr Lumbers auf, „fehlt es Ihnen an Mut?“

      „Ich bin verantwortlich für mein Schiff und meine Besatzung“, kam die grimmige Erwiderung. „Und im Übrigen auch für die Passagiere an Bord.“

      „Im Augenblick trage ich die Verantwortung, Captain, denn Ihre Nentucket ist nun ein, äh, Hilfsschiff der United States Navy und was Sie als Passagiere bezeichnen, das sind hartgesottene Infanteristen der Union. Bringen Sie uns nach Dillings, Captain, denn das ist Ihre Aufgabe. Für alles Andere bin ich zuständig.“

      Es war Krieg und Lumbers hatte Recht: Die U.S.-Navy hatte die Nentucket beschlagnahmt und konnte sie nach Belieben einsetzen. Ihr Besitzer erhielt gute Unions-Dollars für ihre Benutzung und man würde ihm wohl auch ihren Verlust ersetzen. Aber für den Kapitän zählten, wenigstens in diesem Falle, nicht die Dollars. So sog er mit kaum verhohlenem Zorn an seiner Pfeife und starrte, neben dem Steuermann stehend und die Hände auf dem Rücken ineinander gelegt, in grimmigem Schweigen auf den Fluss hinaus.

      Sie alle lauschten aufmerksam, ob hinter der Flussbiegung Kanonendonner ertönte, doch bis auf das Stampfen der Maschinen, das Rauschen der Schaufelräder und des Wassers sowie das Kreischen zahlreicher Vögel, blieb es ruhig.

      An der U.S.S. Mayhew, die rund fünfhundert Meter voraus fuhr, war Bewegung zu sehen. Die Schutzblenden an den seitlichen Stückpforten wurden geöffnet. Aufgrund der Größe der Geschütze und der Breite des Schiffes ragten die Läufe konstant über dessen Seite hinaus. Sie wurden nicht, wie bei Seeschiffen üblich, vollständig in den Rumpf eingezogen. Es gab keine vollständige Abdeckung der Waffenöffnungen, wie sie auf See, zum Schutz gegen das Eindringen von Wasser bei hohem Wellengang, erforderlich waren. Bei der Mayhew bestand der Pfortendeckel aus zwei Teilen, die einen Ausschnitt aufweisen, durch welche der Lauf hinaus ragte. Zum Gefecht klappten die Lukenteile nach oben und unten oder zu den Seiten und gaben das Geschütz damit frei, damit man es seitlich leichter korrigieren konnte. Genau dies geschah nun. Der Kapitän des Kanonenbootes machte Gefechtsklar.

      An Bord der Nentucket waren Befehle und das Getrappel von Füßen zu vernehmen. Auch die Infanteristen wurden nun kampfbereit gemacht. Dicht an dicht gedrängt, traten sie auf die umlaufenden Gänge der Decks. Jene, die das konföderierte