"Steigen Sie aus und halten Sie das Boot fest." Bachmann wunderte sich selbst über den unfreundlichen Ton, den er anschlug. Der Junge dort hielt die Spielregeln nicht ein. Er tat, was Bachmann einst, ehe er der Bachmann wurde, gehasst hatte, einen Schwächeren seine Überlegenheit spüren zu lassen.
Gelassen kam der Junge nach hinten, legte ein paar Säcke heraus, die das Scheuern der Bordwand am Bollwerk verhindern sollten und verknotete eine Leine am Steg.
"Auf den Motor können Sie sich verlassen", sagte er.
"Ich verlasse mich vor allem auf meinen Kopf'", sagte Bachmann abweisend, "auf meine Hände und meine Willenskraft."
"Ich meine", erklärte der Junge, "Sie haben einen guten Motor, er dreht nicht schnell, aber das ist im Bootsbetrieb auch nicht nötig."
Er redete noch weiter. Da schaltete die Anlage auf Grün, das Schleusentor öffnete sich und Bachmann steuerte sein Boot langsam in die Schleusenkammer hinein.
"Haben Sie das schon mal gemacht?", fragte der Junge. "Wenn Sie nicht aufpassen…", er unterbrach sich, um die Stange mit dem Bootshaken zu nehmen und das Boot an die Mauer heranzuziehen. Während das Wasser in die Kammer stürzte und das Boot allmählich hob, hielt es der Junge an der Eisentreppe fest. Bachmann schaltete den Motor aus.
Die Schleusenkammer ging auf, Bachmanns Boot glitt heraus. Geredet wurde nicht mehr. Der Junge blieb vorn. Bachmann steuerte.
Die Sonne brach durch und es wurde wärmer. Von alledem spürte Bachmann jedoch kaum etwas. Er war mit seinem Boot beschäftigt.
Ohne Zweifel hatte er sich übernommen; er musste zusehen, wie das Bürschchen, der Meister und dessen beide Arbeiter sein Boot aus dem Wasser holten. Sie strengten sich nicht einmal sehr an. Zu viert schoben sie den schweren eisernen Schienenwagen mit dem Boot darauf bis in den Schuppen und setzten es auf Holzböcke um. Bachmann aber lag ausgestreckt auf einer Bank, und die Sonne wärmte seine eiskalten Hände.
Er würde kaum durchhalten, musste er sich eingestehen. Sein Boot wog ungefähr eine Tonne. Nur schwer würde er es allein auf Land bewegen können, und er wusste ja überhaupt noch nicht, was er mit seinem Boot anfangen wollte. Nie hatte ihn der Aufenthalt in Wassernähe sonderlich gereizt. Gebirge war ihm stets lieber gewesen. Weshalb also wollte er einem Traum nachgeben, der ihn zu nichts zwang? Sich nach dieser Fahrt noch etwas vorzumachen, hatte keinen Zweck. Er musste sich als geschlagen bekennen, einen guten Verlierer spielen, sich den Anordnungen seiner Frau und seiner Ärzte ohne Widerspruch fügen; sich zu wehren oder es bleiben zu lassen, lief auf ein und dasselbe hinaus.
Mühsam rappelte er sich auf und ging hinüber in den Schuppen. Unter dem Kiel seines Bootes sammelte sich das Wassers in kleinen Pfützen, aus Ritzen und Kantenstößen tropfte es auf den Zementboden. Ohne Leiter konnte Bachmann nicht über die Bordwand sehen. Und er wagte es nicht, eine Leiter zu holen. Deshalb verzichtete er darauf und schritt sein Boot, diese mächtige Nussschale, ab. Hinten ragte die Schraube, grün bemoost und muschelbesetzt, hervor. Darüber schwebte das Ruderblatt wie die Finne eines großen Raubfisches. Die Form seines Bootes schien Bachmann schön und zweckmäßig, er stellte sich vor, wie der tief gewölbte Rumpf im Wasser schaukelte. Bug und Heck waren höher als die Bordwand. Bachmann beschloss, mit dem Meister über sein Boot zu reden.
Hinter dem Wohnhaus entwirrte der Meister Tauwerk. Bachmann trat neben ihn. Die Sonne stand schon recht tief. Es mochte gegen sechzehn Uhr sein. Das hieß, Bachmann hatte gut vier Stunden wie ein Toter geschlafen.
"Was ist mit Ihnen los?", fragte der Meister. Er warf die vom Alter grauen Seile hin und her wie ein Fischer das Netz. "Sie sind uns ja einfach weggeblieben."
Bachmann sagte: "Letzten Herbst hatte ich zwei Infarkte hintereinander. Jetzt geht es mir etwas besser. Ich bin fünfundfünfzig", setzte er hinzu.
"Und da kaufen Sie ein so großes und so schweres Boot?" fragte der Meister erstaunt.
Während er redete, warf und wand er aus dem Haufen Seile kurze und längere Enden. Trotzdem war seine Aufmerksamkeit nicht geteilt. Diese Arbeit ging ihm so leicht von der Hand, dass er dabei zuhören konnte.
"Wie soll ich Ihnen sagen", erklärte Bachmann zögernd, "ich hatte da eine Art Vorstellung. Wenn ich an irgendeiner Sache nochmal Spaß finde, dann mache ich mit dem Leben weiter. Schwer zu sagen, was ich meine." Er lächelte schuldbewusst. "Sind Sie schon mal in solcher Lage gewesen?"
"Nein", sagte der Meister, "in solch einer Lage war ich noch nie und ich werde auch nicht dahin kommen mit meinen gesunden fünf Sinnen."
Bachmann verstand, dass es keinen Sinn hatte weiter zu reden. Er sah auch, dass sich der Meister Mühe gab, seine Redeweise den Erklärungen anzupassen, die er, Bachmann, eben abgegeben hatte. Für diesen Mann war der Tag mit Arbeit ausgefüllt, die getan wurde, weil das so sein musste, weil Arbeit zum Leben des Meisters gehörte. Dachte dieser Mann nach, so war seine Gedankenarbeit immer auf Greifbares gerichtet.
Trocken fuhr der Meister fort: "Sie sind vielleicht oder sicher sogar, ein kluger Mensch, Herr Bachmann, aber ein Spinner. Nehmen Sie es mir nicht übel."
Nun erklärte Bachmann: "Ich glaube jetzt selbst, dass ich mit dem Kauf dieses Bootes einen Fehler gemacht habe", und als der Meister nickte, "es ist ein Jugendtraum, aber zu spät für die Erfüllung. - Ich werde es wegschmeißen, falls mir keiner was dafür gibt."
Es entstand eine lange Pause. Schließlich fragte der Meister: "Was haben Sie eigentlich für den Schrott gezahlt?"
"Fünftausend", sagte Bachmann.
Der Meister zeigte auf das Seilknäuel. "Sie hätten es weggeworfen. Ich stelle mich hin und rette mir ein paar Enden. Nicht bloß, weil Seil Geld kostet. Aber Sie sind anders erzogen worden. Die Zeit ist anders. - Ich habe meiner Frau vor zehn Jahren eine elektrische Uhr gekauft. Sie ist noch sehr gut, aber es gibt keine Zellen mehr, sagte man mir. Der Uhrmacher hat mich ausgelacht. Dabei höre ich, dass wir an allen Ecken sparen." Er unterbrach seine Arbeit und zog eine alte Taschenuhr heraus, "Sehen Sie mal, die ist von meinem Vater, sie geht noch heute ziemlich genau." Wieder nahm er das Seilknäuel.
"Ich versteh ja nichts von Booten", sagte Bachmann wie entschuldigend.
"Und ich bin kein Seiler", schloss der Meister ärgerlich seine Rede.
Bachmann dachte nach. Früher hätte er sicher mit einer großen belehrenden Rede geantwortet; früher als er wie andere an Wunder geglaubt hatte und als er, wo sich keine Wunder einstellen wollten, seine Zuflucht zu Phrasen nahm: Ein neuer Mensch, ein neues Verhältnis zum Eigentum, zur Kultur und was noch alles sollte vom Himmel fallen. Bachmann war sich bewusst, dass er dem Meister früher über den Mund gefahren wäre mit einer nassforschen Antwort, Halbwahrheiten, Unwahrheiten; der schnelle, der sichere Bachmann.
Verändert einen Krankheit so, dass man gleichsam eine andere Sicht auf Menschen und Dinge bekommt, dachte Bachmann, und was treibt einen dann um jeden Unsinn in eine Auseinandersetzung? Der Alte dort hat ja Recht. Es ist ein Widerspruch, den Wert von Uhren zu preisen oder von Autos und deren Lebensdauer zu verkürzen. Aber warum haben wir gerade dann die größte Klappe, wenn wir im Unrecht sind?
"Kommen Sie mal mit zu dem Boot, das Sie wegwerfen wollen", sagte der Meister, "wir werden es uns mal genauer ansehen."
Auf dem Weg über den Platz drehte sich der Meister zu Bachmann um und bemerkte mit einem spöttischen Funkeln in den wässrigen Augen: "Sie müssen viel lernen, Herr, wenn Sie nochmal Spaß am Leben haben wollen, wie Sie sagten. Dann können Sie es vielleicht erleben, dass Ihr Boot auf dem Wasser schwimmt, und Ihren Kindertraum erfüllen Sie sich auch."
Vor Bachmanns Augen bewegte sich der breite Rücken des nicht großen Mannes, der die Beine im Gehen etwas auswärts stellte. Im Nacken zeigte sich eine