»Frantschi, was machst du um diese gottlose Uhrzeit?«, sie sagte es müde und kuschelte sich fröstelnd in das fast durchsichtige lange Nachtkleid. Sehr viel verdeckte dieser Hauch an Stoff nicht und ich versuchte krampfhaft, nicht nach ihr zu sehen. Es gelang mir aber nicht so recht, denn ihr arabisches Silberkettchen, welches sie um den Bauch trug, strahlte mich fast unverschämt an.
»Ich blättere nach gottlosen Söldnern, Zouzou!«
»Hast du welche gefunden?«
»Ich weiß es noch nicht. Hier ist ein Bericht über Guinea-Bissau mit einer Fotografie von Amilcar Cabral. Markus Helmer, mein Kollege ist auch mit drauf. Was hältst du davon, Zouzou?«
»Gar nichts, sag mir lieber ob du noch Milch im Kühlschrank hast und du schleichst dich auch nicht nachts in meinem Schlafzimmer herum. Ich mag nicht, wenn du mich spionierst und heimlich streichelst!«
»Wie sich das anhört Zouzou, „heimlich streichelst“, als wenn ich ein alter Lustbock wäre! Ich habe dich nur richtig zugedeckt, auf deinen Bauch mit Silberkettchen geklotzt und ein wenig über dein Haar gestrichelt.«
»Du kennst meinen Standpunkt, Frantschi. Du spionierst mich nicht und du machst keinen Strich über meine Frisur! d'accord? Und nach dem Bauch glotzen tust du auch nicht! Jawohl, mein Herr! Vielleicht später, wenn ich will, und ob ich später will kann ich jetzt noch nicht sagen, Monsieur.«
»Qui, gnädige Mamsell, gehen Sie eine Milch trinken und träumen sie weiter. Ich steige mit Willy, dem französischen Grandseigneur in die Hängematte und lege mich links und ein wenig in die Mitte, und Willy bekommt die rechte Seite. Ihren Willy werde ich nicht abknutschen, weil er so arg haarig ums Maul ist.«
»Frantschi«, sagte sie sanft, »sei nicht so böse. Ich habe dich doch lieb. Ich will ja nur, dass du meine Hirn liebst, und nicht die Körper von mir, weil ich auch nicht soviel Obenherum habe.«
»Was glaubst du Zouzou, warum ich dein Haar streichelte? - doch nur weil ich dein Gehirn verehre! Andere Männer hätten was anderes gestreichelt!«
»Frantschi, du bist eine große Filou und eine große Kindskopf! Ich bin erst zwanzig Jahre und ein paar Jahre dazu und ich denke wie eine vierzigjährige Madame, und du bist vierzig und denkst wie eine zwanzigjährige!«
»Ich wünsche Ihnen eine Gute Nacht, Grand-mère.«
Für Zouzou war das nächtliche Gespräch zu ende und sie ging in das Schlafzimmer. Ich hörte sie noch ein wenig Grummeln. Unverständlich für mich. Ich spendierte mir ein Glas Cognac, und während ich mein Glas füllte, überlegte ich, was Markus Helmer in Guinea-Bissau zu suchen hatte. Welche Rolle spielte Zouzou Zizanie? Weshalb sagte Harry damals im Pub zu mir: „Wir brauchen sie noch im Kongo. Wir leihen sie dir nur aus!“ Oder später in seinem Land Rover, als er zu Sabi Loulou und Zouzou sagte: „Die Sache im Kongo läuft im Frühjahr an.“
Was musste sie tun oder besser, was musste sie noch tun, um ihre vereinbarten vierzigtausend Franken zu bekommen? Für welche unbekannte Schweinerei war ich die beste Tarnung? - nur für Mali oder auch für den Kongo? Von Zouzou war im Moment keine befriedigende Antwort zu erhalten. Unsere Wellenlänge war gestört.
Es war Mitte September und bis zum Beginn der Abreise im November hatten wir noch genug Zeit, um uns aneinander zu gewöhnen. Ich wollte Zouzou auf gar keinen Fall verlieren.
Ich sagte mir: Fahre mit ihr zusammen nach Mali und spule deinen Auftrag ab, schreibe einen schönen Reisebericht, und ob je einer mit diesem Know How nach Mopti reist, soll mir auch egal sein.
Ich unterbrach meine Recherchen und beschloss meinen ehemaligen Schulfreund in Genf, Jean Knöpfler zu besuchen. Jean war in Genf Kommandant eines Pionier-Bataillons. Manchesmal schon war ich bei ihm in Klausur, wie wir es nannten, und ich durfte für die Dauer von zwei Wochen in seiner Kaserne leben. Jean wusste von meinen Einsatz bei der Long Range Desert Group in der Libyschen Wüste im Afrika Krieg. Er war der einzige, dem ich es erzählte. Seltsam war nur, dass Harry auch davon wusste, er erwähnte es jedenfalls als er mich abends mit Sabi Loulou und Zouzou im Land Rover nach Hause brachte. Wegener wusste es ebenso.
Jean war von dieser Gruppe, den Long Range Deserts, derart begeistert, dass ich ihm helfen musste, in seinem Bataillon eine Gruppe in diesem Stil zu installieren. Die Einheit, zwölf Mann stark, war vollauf begeistert über diese Abwechslung obwohl sie wussten, dass das Schweizer Militär niemals ihren Einsatz in Erwägung ziehen würde. Es war einfach ein kleines Bonbon im eintönigen Soldatenalltag.
In meinen Klausurwochen schloss ich mich der Einheit an, bekam ihre Kleidung und benutzte ihre Unterkunft und tat einiges für meine persönliche Fitness. Bei den Jungs und meinem Freund Jean Knöpfler war ich immer ein willkommener Gast. Ich telefonierte nach Genf und kündigte meinen Besuch an.
Mittlerweile war sechs Uhr morgens geworden und ich hatte keinen Schlaf gefunden. Ich nahm noch ein heißes Bad und richtete meine Utensilien zusammen. Danach schrieb ich Zouzou noch einen kleinen Zettel, mit dem Inhalt, dass ich für zwei Wochen auf Tauchstation ginge. Wohin schrieb ich ihr nicht. Weiter schrieb ich noch, dass ich Willy auch mitnehme und sie sich um den fahrbaren Panzer kümmern möge, den wir in Algerien übernehmen sollen. Ich bestellte mir ein Taxi und fuhr zum Hauptbahnhof und nahm die Eisenbahn nach Nyon, am Genfer See gelegen.
Nyon, am Genfer See.
Jean Knöpfler und seine Frau Janine erwarteten mich am Bahnhof von Nyon, am Genfer See. Das Wiedersehen mit den beiden tat richtig gut und war mehr als herzlich. Sie freuten sich aufrichtig auf meinen Besuch und Janine protestierte heftig als sie erfuhr, dass ich in der grässlichen Kaserne von Jean Quartier nehmen wollte. Ihr Haus hätte genügend Platz um mich für lange Zeit zu ertragen, wie sie schmunzelnd meinte. Wenigstens das gemeinsame Wochenende in ihrem Hause, musste ich Janine versprechen. Jean unterstützte sie dabei kräftig. Ich konnte natürlich nicht nein sagen, allein schon wegen Janine' exquisiten Kochkünsten. Und um einiges mehr! Das Anwesen der beiden war im Stil eines italienischen Herrenhauses erbaut und befand sich in einer etwas abgeschiedenen Lage direkt am Ufer zum Genfer See. Im Hintergrund sieht man die Berge der Französischen Jura und von der Terrasse aus über den See hinweg, die Berge der Chablais. Sie kauften dieses alte Herrenhaus in arg ramponierten Zustand und renovierten es mit liebevoller Hand. Es wurde ein wahres Kleinod. Jean wollte an diesem späten Nachmittag in seinem Arbeitszimmer noch einige Arbeiten erledigen, um dann den Abend gemeinsam in einem Restaurant zu verbringen. Die Küche sollte für Janine zur Erleichterungen kalt bleiben. Bis es soweit war, spazierten Janine und ich durch ihren kleinen angelegten Park hinunter zum See.
Janine kuschelte sich in meinem Arm und wir gingen wie ein altes, aber noch immer ineinander verliebtes Ehepaar durch die engen Pfade. Wir redeten über alles, was uns so in den Sinn kam und waren total ausgelassen.
»Francesco, warum bist du eigentlich noch nicht unter der Haube, du warst doch einmal verheiratet mit dieser - na, wie heißt sie denn noch gleich? Und verlobt warst du doch auch schon mal, oder?«
»Mit Bijou war ich ein halbes Jahr verheiratet aber dann ist sie mit einem Algerier durchgebrannt. Mit Chiara war ich verlobt. Sie hat jetzt Bambinos mit einem Italiener.«
»Jaja, Chiara - fünf Jahre verlobt. Das bringst auch nur du fertig. Filou! Tut sich wieder etwas Neues in diese Richtung und deine liebe Janine weiß noch nichts davon?« Sie sagte es sehr keck, und zog schmollend ihren tiefroten Kirschmund zusammen. Ich tätschelte ihre Wange.
»Du bist die erste, Janine, die etwas von meinem Liebesleben erfährt, dass weißt du doch! Seit ich dich das erste Mal sah, da gab es einen Knacks bei mir und seit dem kann ich keine andere mehr lieben, das verstehst du doch, oder?«
Janine gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf und meinte lachend, dass ich noch immer der alte Gauner sei.
»Chiara war es leid, dass ich immer irgendwo in der Welt unterwegs war. Sie lebt heute in Lugano und ist mit einem Italiener verheiratet. Die beiden sind glücklich miteinander, und Nachwuchs wird sich demnächst einstellen, wie sie mir neulich am Telefon versicherte. Wir sprechen öfters telefonisch