Er selbst spürte, wie er langsam die Kontrolle der Wandlung zurückbekam und entschied, den Abend zu beenden. Er registrierte zwar die Anwesenheit der anderen Wölfe im Wald, doch es war keiner mehr in der Nähe, der ihm Gesellschaft leisten konnte. Mit Kaya zusammen wäre er noch länger Wolf geblieben und hätte sicher auch noch weiterhin Spaß gehabt. Aber so?
Er trottete gedankenverloren zurück Richtung Haus, als Xander aus dem Gebüsch gesprungen kam und ihn umwarf. Sein Bruder wollte ihn zum Kampf animieren und Ryan ließ sich nicht zweimal bitten. Sie überschlugen sich und rollten über den Boden, immer wenn der eine den anderen angriff. Ohne wirklich zuzubeißen, schnappten sie nach dem jeweils anderen und testeten aus, wie sich ihre Beweglichkeit verbessert hatte.
Auf diese Weise erreichten sie schließlich den Garten des Hauses und bemerkten nicht, wie sie sich dem Pool näherten. Ryan sah ihn im letzten Moment im Augenwinkel, wich zur Seite aus, als Xander angesprungen kam und folgte seinem Bruder mit dem Blick, wie er platschend im Wasser landete. Ryan wandelte und krümmte sich vor Lachen, während Xander im Wasser auftauchte, Mensch wurde und zum Rand geschwommen kam. Zu spät bemerkte Ryan, dass er greifbar nah hockte, schon packte Xander ihn und Ryan tauchte ebenfalls kopfüber im Wasser ein.
Prustend kam er an die Oberfläche zurück und zitterte unkontrolliert. „Scheiße ist das kalt!“, stieß er aus und stemmte sich auf den Poolrand und aus dem Wasser. Seine Zähne klapperten hörbar, denn als Mensch fehlte ihm natürlich das Wolfsfell, das ihn vor Kälte schützte. „Arsch“, bibberte er zurecht, während diesmal Xander lachte, aber ebenso zitterte.
„Ich geh zuerst duschen“, ließ dieser ihn wissen, stand unsicher auf und rannte, so schnell seine steifen Beine ihn trugen, zum Haus.
„Nicht, wenn ich schneller bin!“, rief Ryan ihm nach, wusste aber, dass er keine Chance hatte. Xanders Vorsprung war zu groß. Er selbst würde im Mitgliederhaus duschen. Er stand auf und lief in dessen Richtung, als ein Wolf am Waldrand auftauchte. Ihre Augen funkelten im Mondlicht und waren auf ihn gerichtet.
Ohne Amber weiter Beachtung zu schenken, lief Ryan weiter und fiel beinahe über sie, als sie plötzlich vor ihm zum Stehen kam. Er seufzte genervt und wollte sie umrunden, doch sie schlängelte sich an seinen Beinen entlang wie eine Katze. Es erinnerte ihn an Maise und automatisch schärfte er seine Sinne. Amber roch intensiver als sonst, viel wilder und ungestümer. Der Geruch nach frisch gemähtem Gras wurde von einer Note untermalt, die Hitze in ihm aufsteigen ließ.
„Verflucht!“, stieß er aus und nahm Abstand zu dem Azurmädchen. Sie war in ihre Ranzzeit gekommen und markierte ihn mit ihrem Duft. „Lass das!“
Ihr Blick ruhte auf seinem und wieder kam sie näher.
„Verschwinde, Amber! Was soll das? Wo ist Evan?!“
Ihre blauen Wolfsaugen gaben ihm keine Antwort. Einzig Verlangen stand darin, dann wandelte sie sich und stand in ihrer vollkommenen, nackten Schönheit vor ihm.
„Gib mir diese Nacht, Ryan“, bat sie leise und trat auf ihn zu.
„Was? Nein! Lass mich in Ruhe!“
„Aber du willst es doch auch. Kämpfe nicht dagegen an! Hier kann uns nichts passieren und keiner hat ein Problem damit.“
„Doch! Ich! Lass mich einfach in Frieden!“ Er machte jeden Schritt, den sie auf ihn zu trat, zurück. „Amber, lass es einfach!“
„Wir sind füreinander bestimmt. Lass es doch zu, Ryan.“
„Nein! Geh weg!“ Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. „Du gehörst zu Evan. Wir haben einen Plan. Du machst das alles kaputt! Hör endlich auf damit!“
„Aber niemand sieht uns. Hier ist keiner, der uns anklagen kann.“
„Selbst wenn das so ist, will ich es nicht! Ich will dich nicht!“
Sie blieb stehen und funkelte ihn nun grimmig an. „Du willst! Du bist nur zu schwach, um es zuzulassen!“
„Ich bin stärker als du, weil ich dagegen ankämpfe! Ich weiß, dass es falsch ist, es zuzulassen! Begreif das doch auch endlich!“
„Hier ist gar nichts falsch!“, warf sie ihm entgegen. „Es ist unser Wesen, unser Erbe! Wir sind Wölfe!“
„Trotzdem werde ich diesen Fehler nicht wiederholen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich hätte gedacht, du bist mehr.“
„Es ist mir egal, was du über mich denkst. Lass mich einfach in Ruhe!“
Blitzartig bewegte sie sich auf ihn zu, packte seinen Nacken mit beiden Händen, zog sich hoch und presste ihre Lippen auf seine. Für den Bruchteil einer Sekunde wollte er sie wegschieben, doch ihre Hüften drückten sich ebenfalls gegen ihn und da beide nackt waren, spürte er alles von ihr. Sein Körper reagierte, ohne dass er es wollte, und ihr Griff wurde fester.
Ich darf nicht. Ich darf nicht!, ging es ihm durch den Kopf und zeitgleich wurde das Verlangen nach ihr immer größer. Er hob die Hände, um sie wegzuschieben, doch stattdessen packte er ihre Mitte und zog sie enger zu sich. Ambers Küsse wurden wilder und drängender, ihre Hüften begannen sich sinnlich zu bewegen.
Nein, nein, nein!, schrie sein Kopf, doch sein Wolf heulte vor Freude, Sehnsucht und Leidenschaft in ihm. „Nein, bitte“, kam es ihm ein letztes, verzweifeltes Mal über die Lippen, als sie sich kurz löste und ihn ansah. Ohne ein Wort zog sie sich erneut hoch und wieder lagen ihre Lippen auf seinen.
Dann wurde sie von ihm weggerissen und Xander stand, den Rücken zu Ryan, vor ihm. „Du solltest gehen“, sagte sein Bruder grimmig Richtung Amber und knurrte vernehmlich.
Sie starrte ihn erst an und verschränkte dann die Arme vor der Brust. „Warum denn?“
„Geh einfach!“
Sie ließ die Arme fallen und ging arrogant einen Schritt auf Xander zu. „Nein.“
Xander bebte und wurde Wolf. Das große anthrazitfarbene Tier vor Ryan stellte das Nackenfell auf und knurrte wütend.
Amber sah ihn nur missbilligend an. „Und jetzt? Willst du mich fressen?“, fragte sie und klang weiterhin überheblich.
Xander beugte den Oberkörper sprungbereit nach unten. Ryan hätte ihn aufgehalten, doch er war noch immer total durcheinander. Gerade hatte doch noch Amber vor ihm gestanden und sie hätte es beinahe erneut geschafft, ihn zu brechen. Jetzt verteidigte Xander ihn, doch Amber ließ sich nicht einschüchtern.
„Amber, geh. Bitte“, hörte er sich sagen und wusste gar nicht, warum er es sagte. Er wollte nicht, dass sie ging. Er wollte sie in seinen Armen haben und sie ganz und gar einnehmen, wie am See im Norden.
„Willst du das wirklich?“, fragte sie, schien seine Antwort aber zu kennen.
Ryan schüttelte den Kopf, ohne zu wissen, dass er es tat. Xander knurrte lauter und holte Ryans Aufmerksamkeit auf sich. Sein Bruder sah ihn nun direkt an und sein Blick flehte förmlich darum, dass er klar im Kopf wurde.
Ryan schüttelte ihn erneut und kniff die Augen zusammen, dann schaute er auf und Amber an. „Geh, Amber!“
„Nein.“
„Geh!“, knurrte er und wurde wütend. Sie kam ihm nicht einen winzigen Schritt entgegen, mit dem was sie tat.
„Du willst es auch. Du musst es nur zulassen“, sagte sie vollkommen überzeugt, ihn bekehren zu können.
„Ich will es nicht! Ich will nichts zulassen! Geh weg von mir!“ Sein Wolf kämpfte um Freiheit und jaulte bitterlich in ihm. Er wollte zu der Fähe und sie beanspruchen. Xander knurrte grollend, doch Amber rührte sich nicht. Dann wurde es zu viel und Ryan ließ seinen Wolf durch. Mit einem Satz sprang er an seinem Bruder vorbei und warf Amber um.
Eine Pfote links eine rechts neben ihren Armen, knurrte er animalisch und stinksauer. Ihre Augen waren groß