Die Dame, die ihnen die Eintrittskarten verkauft hatte, lächelte wieder, als sie auf sie zu kamen. „Und? Hat es ihnen gefallen?“ „Ja, es war sehr schön. Das ist ja wirklich eine sehr umfangreiche Ausstellung!“ „Sie bekommen noch zwei Gutscheine! Für einen Kaffee im Schloß!“ „Oh, wie schön!“ Menschen wie diese Dame wärmen einen innerlich, dachte Nora und nahm die beiden Gutscheine entgegen. Sie näherten sich dem Schloß von hinten, auf einem Sandweg, der durch den kleinen Schloßgarten führte. Links und rechts wurde der Weg durch niedrige Buchsbaumhecken begrenzt. Beete, die von großen Rasenflächen umgeben waren, enthielten verschieden zurechtgestutzte Buchsbäume. Eine Steintreppe führte zu einer großen Tür, über der ein Schild hing. In geschwungenen Lettern stand dort „Schloßcafe´“. Nora ging voran. Die Stufen eigneten sich herrlich, um etwas deutlicher als gewöhnlich mit dem Hintern zu wackeln. Oben angekommen drehte sie sich, die eine Hand auf die Hüfte gestützt, schwungvoll um. „Herrlich! Ein herrliches Ambiente!“ Adrian kam ihr lächelnd entgegen. Als er neben ihr stand bemerkte sie, wie schwer sein Atem ging. Sie dachte daran, daß die Luft im Schweinestall extrem ungesund für die Atemwege war. Schnell schob sie diesen Gedanken wieder zur Seite. Das Cafe´ war in dem alten Rittersaal untergebracht. Nostalgische Ölgemälde zierten die Wände und ein riesiger Karmin stach schwarz und kalt in den Raum. Nora und Adrian waren die einzigen Besucher. Sie setzten sich an einen Tisch, der durch das große Fenster einen Blick auf den Schloßgarten gewährte. Als die Bedienung kam, reichte Nora ihr die beiden kleinen Karten, „Zwei Kaffee bitte“. Nora betrachtete die Bilder. „Früher haben die Maler auf ihren Bildern dargestellt, wie es war. Oder wie es hätte sein können oder wie sie etwas sahen oder sich wünschten. Heute malen Künstler komplizierte Gedanken.“
Adrian sah sie versunken an. Seine Augen wirkten verträumt und dennoch neugierig. „Du bist schön“, sagte er.
Die Luft war frisch und klar und die Vögel sangen mit verschwenderischem Übermut ihre Frühlingslieder. Die gute Laune übertrug sich auf Adrian. Lässig hielt seine linke Hand das Lenkrad. In der rechten Hand hielt er sein Handy. Er wußte, daß Nora ihm bald etwas schreiben würde. Es war eine stille Abmachung zwischen ihnen, daß sie sich mit dem schreiben von sms- Nachrichten abwechselten. Wer zuletzt etwas geschrieben hatte, wartete auf eine Antwort. So liefen die kurzen Handy-Dialoge in gleichmäßigem und ausgeglichenem Tempo zwischen ihnen hin und her. Sie handelten von Zeitpunkten und Orten zu und an denen sie sich treffen wollten. Sie handelten von Verabredungen zu Telefonaten und gewissenhaften Gute- Nacht- Wünschen. Diese Nachrichten stützten und ergänzten sich gegenseitig. Adrian schmunzelte. Die Sonnenstrahlen lachten ihm entgegen. Ihm, der hin- und her geschüttelt wurde, auf seinem elastischen Sitz. Der Motor knatterte fröhlich. Hinter seinem Traktor war der Pflug befestigt. Er war hoch geklappt und ragte hinter dem Dach des Schleppers in den blauen Himmel. Adrian fuhr gerne Traktor. Eine Bahnschranke, die er oft überqueren mußte, um zu einigen seiner Feldern zu gelangen, kurbelte oft seinen Ehrgeiz an. Er haßte es, auf den Zug zu warten, während ihm die kleine Ampel hämisch in leuchtendem Rot zu blinkte. So fuhr er meist schon mit erhöhtem Tempo auf sie zu. Diesmal würde es besonders knapp werden. Da die Straße nicht in gutem Zustand war und viele Risse und Hügel hatte, hüpfte Adrian auf seinem gefederten Sitz hinter dem Lenkrad des Traktors extrem hoch und runter. Die Ampel hatte bereits begonnen, ihm rot entgegen zu blinken und die Schranke senkte sich langsam. Adrian drückte auf das Gaspedal. Er würde es schaffen, wie immer. Diesmal hatte er aber nicht einkalkuliert, daß sein Pflug hinter dem Schlepper hoch geklappt war und höher als sein Traktorendach in die Luft ragte. Die Schnauze des Schleppers befand sich auf den Schienen, als er ein Ruck verspürte und ein lautes Ächzen wahrnahm. Dann zog der Traktor wieder an. Adrian drehte sich verwundert um. Er rollte jetzt von den Bahnschienen und mit ihm, an dem aufgestellten Pflug hängend, die Bahnschranke. Er fluchte und fuhr an den Straßenrand, um seinen Vater über das Handy zu benachrichtigen. Willhelm würde dann die Polizei benachrichtigen. Ein Nachbar, der nah an den Bahnschienen wohnte, hatte bestimmt alles gesehen. Adrian würde viele blöde Kommentare von verschiedenen Menschen zu hören bekommen. Adrian seufzte. So war es eben. Alles, was geschah wurde in der Kommunikation miteinander ausgeschlachtet. Denn es geschah nicht sehr oft etwas Außergewöhnliches in dieser von einzelnen Höfen dünn besiedelten Region.
„Das mußt du wissen, ob du sie dabei haben willst.“ Mehr sagte seine Mutter nicht. Mit Judith könnte Nora sich anfreunden, überlegte Adrian. Ja oder nein. Alles oder nichts. Er war nicht gerade der Unterhaltsamste. Und Nora wäre vielleicht enttäuscht, wenn es nicht so schön wäre, wie sie es sich vielleicht vorstellte. Das Telefon klingelte. Das war sie. Im Verlauf des Gespräches warf Adrian wie zufällig ein, daß in der Nachbarschaft ein Richtfest stattfände.
„Und du bist eingeladen?“
„Ja.“
Stille. „Und?“
„Und du. Du bist auch eingeladen.“
Judith betrachtete das neue Haus zufrieden. Gut, daß sie Paul überzeugt hatte, sich nicht im Haus seiner Eltern eine Wohnung auszubauen. Das hier war ihr eigenes Reich. Hier konnte niemand sagen was wie und wann geschehen sollte. Alle Einladungen waren verschickt. Die Suppen und alles, was dazu gehörte würde die Fleischerei liefern. Und den Nachtisch wollte ihre Schwiegermutter machen, das hatte sie sich nicht nehmen lassen. Das Besorgen der Getränke hatten die Männer übernommen. Das Haus würde voll werden. Nach oben würde keiner können. Die Treppe fehlte noch und die Leiter war vorsichtshalber entfernt worden. Gerade wenn Alkohol im Spiel war, mußte der Rohbau sicher sein. Im Eingangsbereich hing eine große Pappe, auf der Schnappschüsse von der Bauphase aufgeklebt waren. Teilweise hatte Judith