DIE LSD-KRIEGE. Gerald Roman Radler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerald Roman Radler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748592853
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zwei Sekretärinnen preis. Anschaulich erzählte er, dass er sie zwischen den Oberschenkeln fasste, um sie sodann mit sicherem Griff auf den Aktenschrank zu setzen. Sie sollen sich dabei köstlich amüsiert haben. Damals war mir nicht ganz klar, was er mit seiner Schilderung bezwecken wollte, oder worin der Witz an diesem Unterfangen lag. Im Grunde war er stolz darauf, dass seine Hand nur ein hauchdünner Slip von ihren Schamlippen trennte. Es war die Vorstellung von der Berührung mit der ungenügend aufgesogenen, warmen Feuchtigkeit, die ihn zum Wortexhibitionisten stempelte. Er nutzte jede Gelegenheit, diese delikate Situation vor lüsternem Publikum wiederzugeben. Es fiel kein Wort über den Wert der Frau und auch meine Mutter beanstandete nie wirklich sein Verhalten. Seine Art wurde immer als humorvoll, spaßig und umgänglich interpretiert. Es gab eine Menge Dokumentationen seines Bonmots, aber sie gingen immer auf Kosten der Mitmenschen, während er absolut keine Kritik ertragen konnte, oder sie so zerredete und damit abschwächte, dass der eigentliche Inhalt völlig verloren ging.

      Mein Vater trainierte mich schon als Bub zum Einzelgänger. Ich sollte mich von der Masse abheben. Er glaubte, wir wären einfach besser als der Rest der lächerlichen Menschheit. Er witzelte über alle und jeden, egal ob Maurer oder Arzt. Er lehnte jedwede Bekanntschaft ab. Er hatte ein probates Mittel gefunden, Fragen zu stellen, die eingeladenen Besuch bloßstellte. Er verulkte jeden, der sich unserer Familienidylle näherte. Aber auch bei meiner Mutter und für sich selbst wandte er diese Methode an. So verwehrte er jedem Eindringling den Zutritt. Ich durchschaute sein Spiel, solange ich ein Kind war, nicht. Für mich waren alle Menschen tatsächlich minderwertig. Sie hielten seiner Prüfung niemals stand, oder es war ihnen einfach zu aufreibend, sich einer dauerhaften Bloßstellung auszusetzen. Er konnte sicher sein, dass keine Fremden unser heiliges Leben störten. Nur bei den Vertretern, die meine Mutter geschäftlich besuchten, hielt er sich einigermaßen zurück. Besonders bei mir und meinem Bruder unterband er mit fadenscheinigen Argumenten jeglichen Kontakt zu Gleichaltrigen.

      »Da kennen wie lieber keinen«, pflegte er zu sagen, wenn ich von einem neuen Freund, oder einer Freundin erzählte. Entweder waren sie zu arm, zu dumm, zu waghalsig, oder zu reich.

      »Ich habe nichts gegen ein paar nette Freunde, aber solche Menschen passen nicht zu uns!« war sein Argument, mit dem er einen weiteren Umgang unterband.

      Er nahm mich oft auf seinen Spaziergängen durch die Innenstadt mit. Ich durfte meinen Vater einmal in der Woche um vier Uhr Nachmittag vom Büro abholen. Er zeigte mir die Armseligkeit der Menschen auf der Straße. Das war der Beginn einer Tätigkeit, die ich Jahre später mit meinem besten Freund tagtäglich realisierte und keinen Moment daran zweifelte, dass ich sie erfunden hatte.

      Mein Vater und ich tranken eine Afri-Cola im Schanigarten, oder saßen einfach nur im Park und verfolgten das bunte Treiben des achten Bezirkes und lachten über die Leute, die vorbeigingen.

      Die Loslösung von der Menschlichkeit und des Mitleids vollzog sich bei mir schon im knabenhaften Alter, als ich mit meinem Vater die Kärntner Straße und den Graben entlang spazierte. Er richtete die Leute aus, währenddessen er mich, wie nebenbei anhielt, ihm die aufregendsten Frauen, die mir auffielen durch den Ausruf: »Pupperl!« zeigen sollte, falls ihm eine der auserkorenen Schönen durch die Maschen seiner Wachsamkeit schlüpfen sollte. In diesen Belangen war der biedere Familienmensch den Hippies äußerst zugetan. Die beliebtesten Ziele seiner Betrachtungen waren junge Mädchen mit Stirnband, Minirock und Lederstiefeln. Er drehte sich ungeniert nach ihnen um und stieß Laute aus, die man verwendet, um ein leckeres Essen auszuzeichnen.

      Er hatte oft Glück. Die Hippiemädchen waren enthemmter als die bürgerlichen Mädchen. Sie wandten sich ihm zu und lächelten. Sie hoben den Minirock, oder steckten kokett eine Haarsträhne in den Mund. Mein Vater straffte dann seinen Oberkörper und zog die Luft pfeifend ein. Er sah wie ein italienischer Dandy aus, mit seinem schwarzen, damals noch dichten Haar und der sauberen Rasur. Ich glaube, es gefiel den ganz jungen Mädchen, bewundert zu werden.

      So lernte ich, in den blonden, schwarzhaarigen und rotgelockten Hippiemädchen eine eigene begehrenswerte Rasse zu sehen, die man einfach anders als den Rest der Bevölkerung behandeln musste. Nach so einer fruchtbaren Begegnung mit einer Nymphe sagte er oft mit erhobenem Zeigefinger: »Die Buben muss man klopfen …«

      Ich ergänzte dann wie ein Homunkulus: »Die Mädchen muss man schonen, wie goldene Zitronen!«

      Er spottete auf seinen Kreuzzügen mit mir vornehmlich normale Frauen und Männer aus. Er beanstandete Gurkennasen, Schweinsfüße, Fledermausohren, Sparkassamünder, Lappengesäße, Stopfganswangen und Triefaugen. Die Welt war eine Zirkusvorstellung und mein Vater war der Dompteur. Ich liebte ihn für seine Einlagen und lachte aus vollem Hals.

      Leider machte er vor der eigenen Familie mit seinen Tiraden aus triefendem Hohn nicht halt. Hätte er seine Ablehnung ausschließlich auf die Außenwelt verlagert, ich wäre allenfalls ein verschrobener Sonderling geworden. Da sich aber seine Verachtung auch auf das Zentrum des Nestes richtete, lernte ich nie den Zusammenhalt und das vorbehaltlose Wohlbefinden in einer Beziehung kennen und zu schätzen.

      Im Speziellen stellten die Eltern meiner Mutter begehrte Objekte seiner geschmacklosen Späße dar. Das waren einfache Leute und wussten natürlich, dass sie nicht ernst genommen wurden. Mein Großvater bezeichnete den Vater als Snob und hielt nichts von seinem Charakter. Ich aber bekam von meinem Vater zu hören, er sei neidisch auf das anständige Gehalt, welches er von der Landesregierung bezog. Er stellte die Eltern seiner Frau als armselige, ungebildete Leute hin, die vom savoir vivre keine blasse Ahnung hatten. Er ließ keine Gelegenheit aus, klarzustellen, wie wenig er für sein Geld leistete und prahlte ohne Unterlass mit seinen zwei schicken Sekretärinnen, die ihm auf seinen Dienstwegen begleiteten. Wann immer sich eine Gelegenheit bot, zeigte er ihre Fotos auf schnittigen Kühlerhauben greller Sportwagen, die er am Parkplatz vor dem Volksgarten von ihnen schoss. Dazu ließ er seine willigen Dienerinnen einfach auf irgendeinem fremden, auffälligen Wagen posieren und knipste sie, als wäre er ein Fotograf eines erotischen Magazins. In der Mittagspause präsentierte er sich dem mondänen Publikum des Burggartens eingehängt mit ihnen. An jedem Arm schmiegte sich eine der Schreibdamen, deren Kleidung für die damalige Zeit hip und modisch war.

      Einige Male bekam ich die Gelegenheit das Triumvirat zu begleiten. Mein Vater war der Hahn im Korb. Ich gab mich klassenbewusst und zeigte mich repräsentativ, wenn wir so durch die Innenstadt stolzierten. Fräulein Kandls dürre Gestalt war in einem Hosenanzug versteckt. Ihr Gesicht, mit dem Hexenkinn und der gebogenen Hakennase war ausgesprochen hässlich. Sie schnupfte, schnäuzte und hustete das ganze Jahr. Fräulein Kofler war eine dralle, gebleichte Blondine im Minirock mit zahlreichen Pickeln. Sie lachte fast ununterbrochen. Mein Vater nannte sie »die verseuchten Pupperln«. Ich tat es ihm gleich. Zum Dank durfte ich mich bei Fräulein Kofler einhängen, der es Vergnügen bereitete, mich wie ihren Liebhaber zu behandeln. Sie drückte mich an ihren stechenden Busen, der durch die gebräuchliche Form des Büstenhalters wie ein spitzer Trichter vorstand. Ich genoss meine Gastrolle in der Öffentlichkeit. Er scherzte auf unseren kleinen Ausflügen mit ihnen, genauso wie er sie mit ihren Marotten aufzog. Emanzipierte Frauen hätten seinem Verhalten einen Riegel vorgeschoben. Sie aber kicherten über seine geschmacklosen Witze, als wären seine frauenfeindlichen Demonstrationen erheiternd und kurzweilig. Er spickte ihre infantilen Kommentare mit einem ständig Daher gesagtem »ojegal«, »na sowas« und »pfui«.

      Dennoch war er stets darauf bedacht, einen soliden, treuen Eindruck zu erwecken. Alles was er tat und sagte war schließlich nur schalkhaft gemeint und somit völlig harmlos. Wir Kinder glaubten ihm jedenfalls. Wenn meine Mutter sich anfallsweise doch ernstlich aufregte, weil ihre Schmerzgrenze überschritten war, dann war er mit phrasenhaften Abschwächungen zur Stelle.

      »Aber Ditterl«, sagte er.

      »Du arme Idiotin, was weißt du schon!« klang es aber schon damals in meinen Kinderohren und ich fand es lustig.

      Ditterl war die Schmälerung ihres vollen Namens Editha und eine gleichzeitige Degradierung auf ihre Funktion als weibliche Brust, die recht kräftig ausgebildet war. Meine Mutter war überhaupt stämmig gebaut. Sie hatte ein ausladendes Hinterteil, kräftige Waden und als ehemalige Schwimmerin einen breiten Rücken und muskulöse Oberarme. Sie war stets bemüht, sich modern