»Vierundzwanzig, dann muss es Profit abwerfen.« Er hielt meinem ungläubigen Blick mit Bravour Stand und ich bemerkte sogar, wie sich ein leises Lächeln in seine Mundwinkel stahl.
»Und wenn die Zeit zu kurz ist?«
»Darüber sprechen wir uns in vierundzwanzig Stunden wieder. Bei der kleinen Lady bin ich wohl ins Fettnäpfchen getreten?«
»Ein Eimer Fett trifft es eher. Lilith reagiert auf Männer ziemlich empfindlich.«
Er lachte, wandte sich, mit der Hand durch die Luft wedelnd, um und stapfte durch den Matsch zu seinem Wagen hoch, der oberhalb von Kalles Wohnwagenkugel parkte. Von der Silhouette her ein Bentley. Ich war beeindruckt und vielleicht sogar ein klein wenig neidisch.
Gleich darauf grinste ich über mich selbst. Mein Fortbewegungsmittel war ein Mountainbike. Gesund, umweltfreundlich, parkplatzunabhängig und unter den Arm zu klemmen, wenn der Untergrund zu holprig wurde. Der Bentley für Arme gewissermaßen, obwohl ich mein Mountainbike nicht einmal gekauft, sondern beim Pokern gewonnen hatte. Genauso wie die Waldarbeiterhütte, in der ich wohnte.
»Sexistisches Arschloch«, murmelte es hinter mir, und als ich mich umsah, stand Lilith im Eingang des Schiffes, die schwarz umrundeten Waschbärenaugen so hasserfüllt funkelnd, dass ich mich unangenehm berührt fühlte. Sexistische Arschlöcher gibt es viele auf der Welt, doch ihnen mit unverhohlenem Hass zu begegnen, bringt die Menschheit auch nicht weiter. Lilith plagte etwas, das weder mit Leuten wie Eilers noch mit Kalle zu tun hatte, sondern einzig und allein mit ihr selbst. Ich fragte mich nur, was und in wieweit es unserer Zusammenarbeit im Team entgegenstehen konnte. Sofern es das nicht längst tat.
Und warum versteckte sie sich vor der Wasserschutz?
Letztendlich wurde ich von einem Frachtschiff abgelenkt, das sich vor uns an den Anleger legte. Die Max und Moritz, ein Gütermotorschiff mit einer jungen Familie an Bord. Den Skipper kannte ich von früher, wir waren gleich alt und uns schon das eine oder andere Mal auf den Flüssen oder Kanälen begegnet. Ich lief voraus, nahm seinen Tampen entgegen und legte ihn über den Poller, während eine junge hübsche Frau an Land sprang und den Frachter achtern festmachte.
Der Schiffsführer erkannte mich ebenfalls wieder und lud mich zum Abendessen ein, was ich gern annahm. Eine willkommene Abwechslung und gleichzeitig nostalgische Reise in meine Vergangenheit. Seine Frau hieß Cornelia, die Zwillinge zwar nicht Max und Moritz, wie sie auf meine Frage lachend zugab, sondern Kim und Timmi, aber da sie genauso freche Racker waren wie Max und Moritz hatte das Schiff seinen Namen weg.
Es war ein altes Schiff aus den Achtzigern, neunzig Meter kurz und gegenüber den hundertzehn oder hundertzwanzig Meter Schiffen kaum noch konkurrenzfähig. Aber Enno, der Skipper, hatte sich gut organisiert. Er hatte WLan an Bord und bot seine Dienste auf diversen Internetseiten an, bei Facebook, Google+, in den Binnenschifferforen und wo sich sonst noch eine Gelegenheit fand. Man konnte ihn sogar online buchen, und er war mit allen Befrachtern vernetzt, die es europaweit gab.
»Ist schon hart, aber wir kommen über die Runden. Zumindest, solange die Zwillinge noch klein sind.«
Später wurde es noch härter. Die Kinder mussten in eine Schule gehen, brauchten einen festen Wohnsitz und kamen nicht selten in einem Binnenschiffer-Kinderheim unter, ähnlich einem Internat von Nicht-Binnenschiffern. Oder die Frau blieb mit an Land, und früher oder später brach die Familie auseinander. Das Binnenschiff musste unterhalten werden und die Wohnung, in der Frau und Kinder lebten, ebenfalls. Bei aller Euphorie zum Neubeginn mit eigenem Schiff wurde dieser Zeitpunkt häufig genug von allen Beteiligten verdrängt.
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