Pong zog die Augenbrauen hoch, dann musste er grinsen. „Na, auf die Lady bin ich mal gespannt. Vielleicht ist sie hübsch. Darf ich sie von der Fähre abholen?“
Chaichet schob den Kunststoffteller mit den Papayaresten beiseite und zischte: „Da fahren wir gemeinsam hin.“
* * * *
Koh Chang, Elefantencamp, Dienstag
Die Mae Chi kämpfte mit dem Wasserschlauch, als hätte sie es mit einem zappelnden Python zu tun. Der Gemüsegarten, den sie hinter den Elefantenstellplätzen angelegt hatte, war mehr als ein Hobby. Sie betrachtete dieses Stück Land als Herzensangelegenheit und die Bewässerung erledigte sie am liebsten eigenhändig. Die Trauer um den Tod ihres Cousins schien sie vorerst verdrängt zu haben. Doch sie spürte die innere Anspannung, sie war wütend, verwirrt. Und deshalb fehlte ihr heute die Konzentration. Sie hatte keine Zeit, das schreckliche Geschehen in aller Ruhe zu verarbeiten. In der nächsten Woche waren sie schon ausgebucht, und sie musste sich ums Geschäft kümmern. Kurz vor der Hochsaison war der Todesfall im Camp wie ein Super-Gau. Wenn jemand von der Konkurrenz das Gerücht in Umlauf brächte, dass im Baan Suan Chang gefährliche Elefantenbullen auf Touristen losgelassen würden, dann konnte sie den Betrieb bald dichtmachen. Die beiden Polizisten bereiteten ihr dagegen keine großen Sorgen. Sie war mit einem Polizeichef in Bangkok befreundet, ein alter Schulfreund. Der würde die Provinzermittler schon zurückpfeifen, wenn sie glaubten, sie müssten die Angelegenheit an die große Glocke hängen. Und was die Konkurrenz betraf: Sie hatte sich vorgenommen, morgen alle Elefanten-Camps auf der Insel abzuklappern und mit den Verantwortlichen zu reden. Sie würde die Kollegen hoffentlich davon überzeugen können, dass es im Interesse aller Camps war, diesen Vorfall nicht publik werden zu lassen. Der Ausritt auf einem Elefanten musste weiterhin als harmloses Ferienvergnügen für die ganze Familie kommuniziert werden.
Mae Chi warf den Wasserschlauch achtlos auf den Boden und wischte sich die nassen Hände an ihrer blauen Baumwollhose ab. Auch die Verbrennungszeremonie und die anschließende Bewirtung der Gäste mussten baldmöglichst organisiert werden. Momentan wuchs ihr alles über den Kopf. Sie überlegte, ob sie sofort einen Termin bei ihrem Astrologen vereinbaren sollte.
„Das hat bis morgen Zeit“, dachte sie. Im selben Augenblick ertönte von der Straßenseite her ein aufgeregtes Gebrüll, ein Elefant stieß dort die typischen, grellen Trompetentöne aus. Die Chefin sah trotz der Entfernung, dass es sich um Malai handelte, eigentlich eine ruhige, ältere Elefantenkuh. Der zugehörige Mahout hockte auf dem Hals des Tiers und versuchte, es mit wütenden Befehlen und Schlägen auf die Stirn zu bändigen. Drei oder vier Angestellte liefen bereits zur Straße hinüber, um dem Elefantenboy beizustehen. Vermutlich war Malai auf eine Schlange getreten oder sie hatte ein Tier in dem Graben neben der Straße aufgescheucht. Mae Chi beschleunigte ihre Schritte und rief den Angestellten einige Kommandos zu.
* * * *
Das rostige Fährschiff näherte sich im Zeitlupentempo der Anlegestelle von Ao Sapparot. Pong schätzte, dass der altersschwache Lastkahn mindestens dreißig PKWs und Minibusse, mehrere Motorräder und Lastwagen und über fünfzig Passagiere an Bord hatte. Mit einem metallischen Knirschen schabte die Ladeklappe über den Zement des Anlegeplatzes. Ein junger, braungebrannter Thai sprang an Land und befestigte ein dickes Tau an einem der Metall-Poller. Die Fahrzeuge in der ersten Reihe setzten sich in Bewegung, und die Passagiere quetschten sich vorsichtig zwischen den Autos durch. Pong erkannte die übliche Mischung aus Thais und Farangs, viele Russen und eine Gruppe von jungen Backpackern mit Rastalocken und bunten Tattoos. Chaichet hielt nach der Kollegin Ausschau und war überrascht, als sie unvermittelt vor ihm stand.
„Hi, ich bin Captain Jirawan, kaa. Danke fürs Abholen!“
Die beiden Polizisten konnten ihr Erstaunen kaum verbergen. Die Kollegin aus Bangkok war nicht in Uniform - dazu bestand im Moment auch kein Anlass. Sie trug ein rosafarbenes, luftiges Sommerkleid mit gestickten Ornamenten und darüber eine dünne, weiße Strickjacke mit Dreiviertelärmeln. Ihr langes pechschwarz glänzendes Haar fiel offen bis auf die Schultern. Jirawan hatte ein apartes, fein geschnittenes Gesicht, eine kurze schmale Nase und konnte höchstens Anfang dreißig sein. Doch neben ihrer attraktiven Erscheinung in dem eleganten, schlichten Outfit war Chaichet auf der Stelle von ihrer lockeren Art eingenommen.
„Wir freuen uns, dass Sie so schnell anreisen konnten“, sagte er zur Begrüßung. „Wir sind für jede professionelle Hilfe dankbar.“
„Hoffentlich sehen Sie das nicht als Strafversetzung in die Provinz“, witzelte Pong, dessen provozierender Humor nicht bei jedem Gesprächspartner gut ankam. Die Polizistin schien ihm die Bemerkung jedoch nicht übel zu nehmen und schenkte ihm sogar ein offenes Lächeln.
„Nein, das ist keine Strafe. Ich bin froh, mal aus dem lauten Bangkok rauszukommen.“
Pong nahm ihr die seesackartige Tasche ab - das einzige Gepäckstück, das sie bei sich führte.
„Unser Wagen steht dort drüben bei den Sammeltaxis.“
Dank seiner Uniform gelang es Chaichet, die Karawane der von der Fähre rumpelnden Fahrzeuge für einen Moment zu stoppen, sodass sie die Straße sicher überqueren konnten. Pong nahm freiwillig auf dem Rücksitz, Jirawan auf der Beifahrerseite Platz. Chaichet reizte die Idee, die Sirene einzuschalten, denn mittlerweile ging es in der Schlange der Fahrzeuge nur noch im Schritttempo voran. Doch er verwarf den Einfall schnell wieder. In den Augen der Kollegin wollte er nicht wie ein Bulle aussehen, der sich als Wichtigtuer aufspielte. Als er den Zündschlüssel ins Schloss steckte, ertönte wieder die bekannte süße Schlagermelodie seines Handys. Chaichet ging ran, und nach wenigen Sekunden erschien ein besorgter Ausdruck auf seinem Gesicht. „Wir sind in zwanzig Minuten da“, teilte er dem Anrufer mit. „Rührt bloß nichts an! Am besten sperrt ihr die Stelle mit einem Band ab. Krap!“
Pong und Jirawan hatten das Gespräch schweigend verfolgt. Jetzt warteten sie auf eine Erklärung.
„Das darf nicht wahr sein“, sagte Chaichet. Er starrte durch die Windschutzscheibe und fixierte die beiden LKWs, die in einer Wolke aus Staub und schwarzen Abgasen als Nachzügler von der Plattform der Fähre rollten.
„Das war die Mae Chi, die Chefin des Elefantencamps“, erläuterte er der neuen Kollegin. „Sie haben auf dem Grundstück eine zweite Leiche gefunden. Wie es aussieht, handelt es sich um einen jungen Touristen.“
Pong stand der Mund offen, doch eine Sekunde später hatte er seine Emotionen wieder im Griff. Er rieb sich die Hände, und es sah fast so aus, als erfreue ihn diese schreckliche Neuigkeit. Chaichet runzelte die Stirn und warf dem Kollegen einen skeptischen Blick zu.
„Nein, ich bin nicht übergeschnappt“, kam die Erklärung von der Rückbank des Toyota. „Aber ab sofort kann ich offiziell an den Ermittlungen teilnehmen. Ein Tourist fällt nämlich in meinen Zuständigkeitsbereich.“
Chaichet verdrehte die Augen und schaltete die Sirene an.
Der junge Farang lag in dem Entwässerungsgraben, der sich zwischen der Hauptstraße und dem Grundstück des Baan Suan Chang entlangzog. Der Graben war gut zur Hälfte mit Laub, Abfall und vertrockneten Futterresten angefüllt. Wenn der Elefant Malai nicht auf die Leiche aufmerksam geworden wäre, hätte sie dort noch wochenlang unentdeckt liegen können. Der Tote trug eine Wollmütze in den jamaikanischen Farben, dazu ein einfaches, ausgebleichtes Baumwollhemd und knielange Hosen in dem modernen Tarnfarben-Army-Look.
„Kann man schon etwas über die Todesursache sagen?“ fragte Chaichet den Arzt, der neben der Leiche in die Hocke gegangen war.
„Der Junge hat mehrere schwere Kopfverletzungen, und auf den ersten Blick scheinen die nicht von einem Motorradunfall herzurühren“, antwortete Doktor Sawath.
„Es wurde auch kein