Karl Zander ging mit dem ausgelagerten Teil der Stadtwerke zunächst nach Heiligenbeil und später zusammen mit Bürgermeister Dr. Gert Wander über Köslin und Berlin nach Schwarzenberg in Sachsen, der zugewiesenen Auffanggemeinde.
Die Familie war auseinandergerissen, Rosemarie musste allein in Insterburg bleiben.
Es wurde durch die allgemeinen Auflösungserscheinungen zunehmend gefährlich in der Stadt. Einzelne Soldaten, aber auch ganze Einheiten wurden hin und her geschoben und neu gruppiert, viele blieben nur kurz, Insterburg war Durchgangsstation. Die Disziplin ließ nach, es kam sogar zu Vergewaltigungen. Auch Rosemarie wurde eines Abends von einem deutschen Soldaten angegriffen, konnte sich aber wehren, riss dem "Du willst Dich wohl für die Russen aufsparen!" grölenden Soldaten das Ohrläppchen ein und erreichte die rettende Haustür. Ihre leicht behinderte Kollegin war von einem Soldaten fürchterlich zugerichtet worden.
Die Bankarbeiten korrekt zu erledigen, wurde immer schwieriger. Etwa am zehnten Dezember erfuhr Rosemarie, dass ihre Bank zum 18. nach Königsberg verlegt werden würden und sie mitgehen müsste.
Die Hauptstelle der Bank in der Landhofmeisterstraße war schon im Sommer 1944 durch die Luftangriffe vernichtet worden, nur der Tresor stand noch, daher wurde in einer Privatvilla in der Hufenallee gearbeitet. Man stellte ein paar Tische zusammen, stapelte die Akten an den Wänden auf und arbeitete so gut es ging mit dem mitgebrachten eigenen Material, geschafft wurde nicht mehr viel.
Königsberg nach dem 2. Luftangriff 1944
Foto: Sendker, gemeinfrei, CC-PD-Mark, PD Old
Über Weihnachten 1944 bekamen sowohl Rosemarie als auch ihr Vater noch einmal Urlaub, die Familie konnte sich in Köslin zu den Feiertagen treffen. Rosemarie fuhr mit dem Zug über Heiligenbeil, wo der Vater zustieg. Der Zug war total überfüllt und sie konnte ihm nur mühsam einen Platz freihalten, sie saßen halb aufeinander. Auch Leo Salowsky, der noch in Insterburg war, konnte kommen, er hatte denselben Zug genommen, man traf sich in Köslin auf dem Bahnhof und fuhr nach den Weihnachtstagen zurück nach Ostpreußen, als ob das alles ganz normal wäre. Bis zwei Wochen vor dem Untergang der ganzen Provinz Ostpreußen herrschte dort im Ostern des Deutschen Reichs eine Mischung von zur Schau gestellter krampfhafter Normalität und Endzeitstimmung mit dem Tanz auf dem Vulkan.
Und so lebte man seinen Alltag so gut wie möglich weiter, als ob das alles ganz normal wäre, an den Geschützdonner war man längst gewöhnt. Man lachte, man stöhnte, arbeitete, feierte, ging ins Kino, existierte in einer Götterdämmerungsatmosphäre der Vorapokalyse… Und viele Ostpreußen bereiteten sich vor, manche ganz bewusst und alle Anzeichen versteckend, andere eher unbewusst und andere Gründe vorschiebend.
Rosemarie hatte noch in Insterburg Vorbereitungen getroffen. Sie hatte eine große, feste Kapuze für ihren Mantel genäht, unter der auch die Pelzmütze Platz fand. Mit Möbelgurten hatte sie aus einer Tasche einen Rucksack gebastelt. An ihren Muff hatte sie ebenfalls feste Kordeln genäht, um ihn um den Hals gesichert tragen zu können und eine Tasche eingepasst, in der die Dokumente untergebracht werden konnten und Lebensmittel vor Frostschäden bewahrt werden konnten. Die festen Winterstiefel wurden überholt und standen stets gut gefettet bereit.
Vom 1. Januar 1945 bis zur Kapitulation führte Rosemarie Jäger das folgende stichwortartige Tagebuch. Ihre Originaltexte sind mit Erläuterungen und Anmerkungen zum Kriegsverlauf in kursiver Schrift ergänzt, die ihre Geschichte in den historischen Kontext stellen und dem besseren Verständnis dienen.
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