Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charlie Meyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847697503
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Funkamateur angehörte.

      Oh nee, dachte Fred, einen sächsischen Fred ertrage ich um diese Zeit nicht. » DI5XX mobil für rufenden Mobilisten. Kann dich leider nicht verstehen. Momentan völlig verrauscht. Rapport 0 und 0. Gute Fahrt noch.«

      »DB0KB - Relais Köterberg im Weserbergland«, verkündete das Relais emphatisch, gefolgt von hektischem Morsen. Der Relais auf dem knapp fünfhundert Meter hohen Köterberg bei Höxter war mit den Relais auf dem Wurmberg im Harz und dem auf der Rhöner Wasserkuppe verlinkt, sodass der mittlere Teil Deutschlands die Völkerverständigung per Funk weiter vorantreiben konnte.

      »Ja, ja, ich weiß«, sagte Fred, als das hektische Morsen aussetzte. »Alle halbe Stunde derselbe Mist.«

      »DI8QY für DE5XX mobil. Delta India 8 Quebec Yankee für Delta Echo 5 X-ray X-ray mobil.«

      Fred verdrehte die Augen. Diese Trantüte hatte ihm gerade noch gefehlt.

      »Tag Bruno.«

      »Tag Fred. Wo steckst du denn? Bei mir kam der Ruf des Mobilisten prima an. Völlig rauschfrei. Rapport fünf neun. Gilt übrigens auch für dich.«

      Bruno, der Besserwisser. Sein Rapport besagte rein gar nichts. Fünfhundert Meter entfernt von seiner Station, hundert Meter tiefer im Gelände oder hinter dem nächsten Hochhaus konnte die Empfangsqualität schon null null lauten statt fünf neun.

      »Bei mir nicht. Starke Abschattung hier. Häuser, Bäume, du weißt schon«, entgegnete Fred prompt.

      »Wie geht’s der Oberwelle?«

      Fred grinste. Eine Oberwelle war etwas, was bei der Verstärkung von Wechselspannung entstand und selbst bei mittleren Sendeleistungen andere Funkstationen gewaltig stören konnte. Im Jargon der Funker war Axel Freds Oberwelle. Es gab gewisse Worte, die Funker auszusprechen vermieden, wie zum Beispiel Ehefrau oder Arbeitsstelle. Sie liebten es, sich in kryptischen Kürzeln und Zahlenkombinationen zu verständigen. 33 bedeutete freundschaftliche Grüße unter Funkerinnen, 55 hieß viel Erfolg oder alles Gute und 99 verschwinde. Ein OM war ein Old Man, ein alter Freund, hi hieß soviel wie, ich freue mich, und ein ham, ein Schinken, war ein Funkamateur, der Himmel mochte wissen warum. Während sich der kommerzielle Funkverkehr der sogenannten Z-Gruppe bediente, hatte sich im privaten Bereich aus der Telegrafie ein ebenfalls dreibuchstabiger Code entwickelt, der mit einem Q begann, die sogenannte Q-Gruppe. QTH bedeutete den Standort, QSO die Verbindung oder das Gespräch zwischen zwei Funkstationen, QAZ ein örtliches Gewitter, das die Sendestelle zum Abschalten nötigte. Eine globale Sprache mit einigen ländertypischen Abweichungen.

      »So la la, Bruno. Stecken gerade ziemlich in der Scheiße, wenn du weißt, was ich meine.”

      »O ja, wem sagst du das? Das kenn ich nur zu genau. Wenn ich mein Shack nicht hätte, wär’ ich echt gearscht.« Er meinte sein Gartenhäuschen, in dem seine Funkstation stand und er die Nächte verbrachte, während sich seine frustrierte Oberwelle Hilde im Einfamilienhaus nebenan die nötige Bettschwere antrank.

      Fred verzog das Gesicht. Bruno kannte alles nur zu genau, egal ob es um Beziehungskrisen, Geldanlagen, Jobs oder die Mühen des Rasenmähens ging. In Wahrheit kannte er wohl nur eins zu genau: Schlaflosigkeit. Seit ihm zehn Jahre zuvor sein Raucherbein aboperiert worden war, hockte er im Rollstuhl und war zur funkenden Nachteule geworden. Er füllte in einem Monat mehr Logbücher, in denen er akribisch jede Funkverbindung vermerkte, als andere Funkamateure in einem Jahr.

      »Sammelst du noch QSL-Karten. Ich hab’ ein Sonder-DOK am Hals. 725 Jahre Rattenfängersage. DJ8QY im QSO mit DI5XX mobil.«

      »Vergiss es, ich hab’ vor ein paar Jahren mit dem Quatsch aufgehört.« Rattenfängersage? Wie passend. Über Jahre hinweg war er nach dem Sammeln von Empfangsbestätigungen fremder Funkstationen geradezu süchtig gewesen. Fred hatte sich an allen Wettbewerben beteiligt, die ihm zu Ohren kamen. Vor allem Sonder-DOK’s, also Rufnummern, die nur eine bestimmte Zeitspanne existierten und zu besonderen Gelegenheiten vergeben wurden, wie zum Beispiel Jubiläen, waren heiß begehrt gewesen.

      »Komm doch wieder mal zum Treffen des OV?«

      Treffen des Ortsverbandes? Ach du liebe Güte. »Nö. Kein Interesse.«

      »Also, das letzte Mal war aber interessant, sage ich dir. Wir hatten den Saal bei Kitzinger gemietet, und so gegen acht Uhr ...«

      »Nichts für ungut, Bruno, mein Handy vibriert gerade. Ich bin wieder QRT. 73 und tschüss.«

      »Aber da war im Hintergrund noch eine andere Station, die dich arbeiten wollte«, protestierte Bruno.

      »Dann arbeitet sie eben dich. Ich bin QRL.« Was soviel hieß wie beschäftigt sein, arbeiten, keine Zeit zum Funken mehr zu haben, und zu hundert Prozent der Wahrheit entsprach, wenn man denn das untätige Herumsitzen in Autos arbeiten nennen durfte.

      »Och ... na ja, gut ... Danke für das QSO. 73 und 55«.

      Klar, doch, die schönen Grüße, sprich 73, reichten nicht, es musste auch noch 55, alles Gute, hinterherkommen und ein höfliches Dankeschön für die Verbindung. Bruno der Pedant.

      »Winke, winke.« Fred griff zum Nachtsichtgerät.

      In diesem Moment schrie es hinter ihm im Wagen. Ein Schrei, so durchdringend und hoch, wie ihn nur ein Kind in höchster Not ausstoßen kann. Fred schrak dermaßen zusammen, dass er sich den Ellenbogen an der Tür stieß und den Feldstecher fallen ließ. Sein Herz krampfte, kalter Schweiß stand ihm plötzlich auf der Stirn, eine Gänsehaut überzog den Rest seines Körpers. In Panik versuchte er zweierlei: erstens aus dem Auto zu kommen und zweitens sich umzudrehen. Als Resultat klebte er mit verrenktem Hals an der Autotür, während sein Puls Purzelbäume schoss. Den Türgriff fand er nicht.

      Von der Rückbank her funkelten ihn zwei gelbe Augen mit senkrechten Pupillen an. Löwe!, war Freds erster Gedanke, er wusste selbst nicht warum. Panisch tastete er nach der Taschenlampe auf dem Armaturenbrett. Er knipste das Licht an. Seine Finger zitterten dermaßen, dass er die Lampe kaum halten konnte.

      Hamlet, der Perserkater, sah so griesgrämig aus wie immer, aber ganz kurz war Fred, als zögen sich die Mundwinkel in seinem breiten, platten Katzengesicht zu einem hämischen Grinsen auseinander. Hamlet saß aufrecht auf den Hinterbeinen, bewegungslos wie eine Statue, und sein goldenes Fell schimmerte im Licht der Taschenlampe.

      Einen Moment lang war sich Fred Roderich nicht sicher, ob er nicht doch lieber einen Löwen auf der Rückbank gehabt hätte, dann stieß er die angehaltene Luft aus und sprach das Raubtier an. »Scheiße! Wo zum Teufel kommst du denn her?«

      Hamlet starrte über Sekunden durchdringend zurück, dann wandte er gelangweilt den Kopf zur Seite und begann sich das linke Hinterbein zu lecken.

      Fred Roderich griff zum Handy und wog es unschlüssig in seiner Hand. Hamlet war Axels Kater, also war es, rein theoretisch, eine logische Schlussfolgerung, Axel aus dem Bett zu klingeln, um ihn, Fred, von dem Vieh zu befreien. Rein theoretisch. Auf der anderen Seite reagierte Axel um drei Uhr morgens weit weniger freundlich als um drei Uhr nachmittags. Er hasste es, geweckt zu werden. Außerdem steckte er, Fred, mitten in einer Überwachung, um wen auch immer bei einem erneuten Attentat auf den Taubenschlag in flagranti zu ertappen. Wenn Axel mit Blaulicht und Sirene vorfuhr, im übertragenen Sinne natürlich, konnte er sein »Versteck.« ebenso gut über Funk bekannt geben. Derzeitiges QTH – der Feldweg hinter dem bedrohten Taubenschlag.

      Na, klasse!, dachte Fred Roderich. Da hockte er mitten in der Nacht mit diesem aggressiven Mistvieh von Kater in der Enge eines Kleinwagens zusammen. So etwas nannte man die Arschkarte ziehen, vor allem auch, was die Alternativen betraf. Eine gab es natürlich: Tür auf und Kater raus. Fred feixte. Die Alternative für Krankenhausfans. Hamlet war Axels Baby, und dieses Baby führte schon im normalen Leben zu fatalen Beziehungskrisen. Hamlet, der Fred während des Sex in den Nacken sprang und ihn ins Ohr biss, Hamlet auf dem Frühstückstisch, die Nase in Freds Müslischälchen, Hamlet in Freds Fernsehsessel. Manchmal glaubte Fred sogar, zwischen Axel und Kater eine telepathische Verständigung zu beobachten. Ein Blick von Axel, der Kater sprang. Der Kater war so friedfertig wie eine Dynamitstange