Teresa von Avila im Spiegel des Lebens und der Deutung Edith Steins. Mike Wogengletter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Wogengletter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742722959
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Schülerinnen ist sie Vertrauenslehrerin und Vorbild. Während der Lehrtätigkeit in Speyer entstehen Schriften zur Psychologie, Jahresschriften zu Husserls 70. Geburtstag und Schriften zur Frauenbildung, aber auch die ersten Anfänge der Übersetzung der Schriften des heiligen Thomas von Aquin. Da diese Übersetzung viel Zeit in Anspruch nimmt, entscheidet Edith Stein sich für den Weg nach Münster als Dozentin an der dortigen Universität. Sie erhält dort eine Stelle ab dem Jahr 1931.

      2.5 Gelehrte, Nonne, Märtyrerin

       In den Jahren zwischen 1931 und 1933 ist Edith Stein Dozentin an der Universität zu Münster. Sie vollendet in dieser Zeit die Übersetzung der „Quaestiones“ von Thomas von Aquin, widmet sich der theologischen Anthropologie und ihrer Autobiografie. In Münster schreibt Edith Stein einen offenen Brief an den Papst Pius XI. Sie bittet ihn um eine Audienz und eine Enzyklika, um die „Judenfrage“[79] zu klären, da sie die Bedrohung durch Hitlers Schergen deutlich spürt. „Ob Juden wie beispielsweise Edith Stein Christen geworden sind, ist völlig gleichgültig. […] Ihr Ziel [das der Nationalsozialisten] ist es das jüdische Volk zu vernichten.“[80] Als sie sich nun durch Hitlers grausame Politik im Jahr 1933 gezwungen sieht, ihre Dozentur aufgeben zu müssen, schreibt sie:

       „Seit fast 12 Jahren war der Karmel mein Ziel. Seit mir im Sommer 1921 das „Leben“ unserer hl. Mutter Teresia in die Hände gefallen war und meinem langen Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gemacht hatte.“[81]

       In diesem Zitat wird die besondere Rolle der heiligen Teresa von Avila unterstrichen, die sie in den Katholizismus überführt. Die Heilige beeinflusst von nun das weitere Leben der Edith Stein, die ersten Jahre nach der Konversion eher unmerklich und im Gebet, aber in den Jahren nach ihrer Dozentur in Münster immer deutlicher. So ist es auch Teresa von Avila zuzuschreiben, dass Edith Stein sich letztendlich am 14. Oktober 1933 in den Karmel begibt. Hier hat sie die Zeit und die Aufgabe an ihren philosophischen Schriften zu arbeiten, sodass die ersten Werke zu Teresa von Avila zwischen Ende 1933 und Anfang 1936 entstehen.[82]

       Die erste Schrift „Liebe um Liebe. Leben und Wirken der heiligen Teresa von Jesus“[83] entsteht in den ersten Monaten im Karmel zu Köln. Bis zu ihrer Einkleidung soll es nunmehr nur noch sechs Monate dauern, sodass sie am 15. April 1934 ihren Ordensnamen „Teresia Benedicta a Cruce“ tragen darf. Da sie diesen Namen selbst gewählt hat, spiegelt sich insbesondere hier die starke Verbundenheit Edith Steins mit Teresa von Avila wieder, ist sie doch jetzt Namenspatronin. Aber auch der Einfluss der vom Kreuz scheinenden Heiligkeit, das Geheimnis des leidenden Christus ist in ihrem Namen präsent. Ob sie mit diesem Namen auch an Johannes von Kreuz, den Wegbegleiter Teresa von Avilas, gedacht hat, muss offen bleiben, da weder ihre Autobiografie noch anderen Werke direkt Auskunft dazu geben. Zwar mutet in der „Kreuzeswissenschaft“, ihrem letzten Titel, eine Verbundenheit auch zu diesem Heiligen an, aber über den Gedanken zur Wahl ihres Namens schweigt sie. Edith Stein bleibt bei allem Jüdin voll Stolz, ist sie doch eines „Blutes“[84] mit der Gottesmutter Maria und Jesus Christus.[85]

       Die Kölner Klosterjahre sollen noch zwei weitere Texte zu Teresa von Avila hervorbringen: „Eine Meisterin der Erziehungs- und Bildungsarbeit: Teresia von Jesus“ entstanden 1935 [und] Die Seelenburg, entstanden 1936, als Ergänzung zu Endliches und Ewiges Sein.“[86] Etwa in diesen Jahren legt sie auch das zeitliche Gelübde ab, während sie das ewige Gelübde erst im April des Jahres 1938 ablegt. Sie bleibt auch im Kloster der Welt zugewandt und interessiert sich für Politik, zeigt sich für das Schicksal von Freunden sowie Verwandten interessiert. Als dann in der Reichspogromnacht 1938 der Rassenhass offenbar wird, begibt sich Edith Stein unter „Sicherheitsvorkehrungen“[87] etwas über ein Jahr später zum Karmel nach Echt in die Niederlande, wo sie auf ihre Schwester Rosa trifft, die in Echt als Pfortenschwester eingesetzt ist.[88]

       Bald schon finden die National Sozialisten einen Weg, die Niederlande zu erobern, sodass es im Juli zum Konflikt zwischen der katholischen Kirche und den Eroberern kommt. Es wird ein Hirtenbrief verlesen, der mit allen „Maßnahmen gegen die Juden“[89] deutlich und stark ins Gericht geht, sodass im August der hasserfüllte Vergeltungsschlag der Nazis erfolgt. Am 2. August 1942 werden Edith und Rosa Stein aus dem Karmel in die Sammellager von Westerbrook entführt. Edith Stein geht diesen Weg auf eine sehr gelassene Art und Weise. Hatte sie nicht schon 1939 die Priorin gebeten, dass ihr Leben „mit dem Herzen Jesu als Sühneopfer für den wahren Frieden“[90] anbieten dürfe und so ging sie diesen Weg für ihr „Volk“[91]. Sie bittet sogar noch im Schrecken der Lager um warme Sachen und Decken für die Anderen. Getragen vom Kreuz geht sie den Weg zu Ende, in ihr Ende. Im Gift der Nazis in Auschwitz sterben sie und Rosa wahrscheinlich am 09. August 1942.[92]

      3. Exkurs: Der Wahrheitsbegriff bei Edith Stein:

       In den frühen Schriften Edith Steins, wie etwa „Zum Problem der Einfühlung“ kommt der Begriff „Wahrheit“ nicht wesentlich zum Tragen. Das meint, dass der Begriff meist in einer relativ unreflektierten Variante von „in Wahrheit“[93],im Sinne von „der äußeren Realität entsprechend“, auftaucht. Dreimal ist der Begriff an „historisch“[94] gekoppelt. Dieses geschieht gegen Ende der Schrift. Daher ist es relativ schwierig, den Begriff Wahrheit zu treffen, der Edith Stein im Sommer 1921 zu eigen war. Die thomistische Schule wurde ihr erst in den darauffolgenden Jahren von Joseph Schwind nahegelegt. Daher wird im Folgenden noch auf diesen reflektierten Begriff der Wahrheit in den Jahren nach etwa 1923 eingegangen. Dieser, so wird hier vermutet, wird durch ihre philosophische Vorbildung im Sommer 1921 schon angelegt gewesen sein. In ihrem Hauptwerk „Ewiges und Endliches Sein“ ist der Wahrheitsbegriff in tieferen Reflexionsstufen ausgeprägt aufzufinden. Erst durch diese Schriften ist eine Rekonstruktion gesichert möglich.[95]

       Edith Stein beschreibt mit der thomistischen Lehre „die Wahrheit [als] nur eine“[96]. Diese Wahrheit ist für das Subjekt in verschiedenen Ausprägungen „in [den] Wahrheiten“[97] erkennbar. Wird dabei eine der Wahrheiten betrachtet, so wird diese sukzessive in einer größeren Weite offenbar. Diese Weite aber führe zu einer jeweils größeren Tiefe in der Erkenntnis der einen Wahrheit.[98]

       Edith Stein wagt dabei den Versuch, die Phänomenologie mit der Scholastik zu vereinen. Sie beschreibt, dass „in der Schule Edmund Husserls ihre philosophische Heimat und in der Sprache der Phänomenologie ihre philosophische Muttersprache“[99] sei. Dabei wolle sie mit der Phänomenologie versuchen, „den großen Dom der Scholastik“[100] zu erreichen. Um die Wahrheit finden zu können, sei die Philosophie eine der möglichen Geisteshaltungen. Dennoch sind der Philosophie, die sich der natürlichen Vernunft bedient, Grenzen gesetzt. Die natürliche Vernunft kann bis zum ersten Seienden vordringen. Was dieses erste Seiende sei, darüber gäben der Philosophie der Glauben und die Theologie Auskunft.[101]

       „Die Vernunft würde zu Unvernunft, wenn sie sich darauf versteifen wollte, bei dem stehen zu bleiben, was sie mit ihrem eigenen Licht entdecken kann, und die Augen vor dem zu schließen, was ein höheres Licht ihr sichtbar macht.“[102]

       Die Philosophie sei aber dennoch autark, da sie ihre eigenen Methoden mitbrächte. Der zu betrachtende Gegenstand sei unter anderem entscheidend für die Art des Entdeckens. Philosophie wird also nicht zur Theologie, wenn sie sich mit dem Glauben befasse. Sie gehöre zu dem Kanon der Wissenschaften als Einzelwissenschaft. Die wissenschaftliche Regel aber sei also durch das zu Betrachtende bestimmt, sodass Philosophie, die die geoffenbarte Wahrheit mit einbezieht, nicht mehr „reine und autonome Philosophie“[103] sei. Der Gegenstand lege somit diese Regeln fest. Wissenschaft an sich aber sei absolut. Sie habe ein „unabhängiges Dasein“[104], das durch spezifische Arten von Beweisen und Verfahren die Gegenstände unterscheide und aufbaue. Es gehörten aber auch „Irrtümer, Umwege und Entstellungen der Wahrheit“ [105] zu den natürlichen Anteilen der Wissenschaft. Wirklichkeitswissenschaft sei nicht zu einem Abschluss zu bringen, da das Seiende sich in Gattungs- und Artmäßigkeit unterscheide. Die natürliche Vernunft sei dabei in ihrer Erkenntnisfähigkeit limitiert, sodass