Verflixt und ausgesperrt!. Mira Bergen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mira Bergen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746730066
Скачать книгу
schade, dass er nicht mehr Herr seiner eigenen Welt war.

      ***

      Frau Wunderlich kam gerade rechtzeitig von ihrem Besuch bei der Kosmetikerin zurück, um die Eskalation des Streits um die Fernbedienung zwischen ihrem Mann und ihrer neuen Tochter zu verhindern.

      Sie ging neuerdings regelmäßig zur Kosmetik und kränkte damit ihren Mann. Vor reichlich zwei Jahren hatte der ihr nämlich nach einem Tipp von jemandem, den er bis dahin für einen guten Freund gehalten hatte, einen Kosmetikgutschein geschenkt. Sein Stolz auf diese außergewöhnlich kreative Geschenkidee verflog nach Überreichen des Gutscheins recht schnell. Stattdessen musste er die folgenden drei Nächte auf dem unbequemen Sofa im Arbeitszimmer verbringen.

      Herr Wunderlich rätselte noch heute, was an diesem Geschenk falsch gewesen sein sollte. Jeder hätte bei halbwegs objektiver Betrachtung zugestimmt, dass Frau Wunderlich eine solche Behandlung gut tun würde.

      Jetzt kamen diese Zweifel erneut auf, zumal seine Frau nun gutes Geld dafür ausgab, den ebenfalls nicht billigen Gutschein jedoch achtlos verfallen ließ.*

      Frau Wunderlich selbst wäre noch bis vor wenigen Wochen nicht im Traum darauf gekommen, sie könne eine kosmetische Behandlung benötigen. Aber zum einen musste sie erkennen, dass ihr die durch Ken verabreichte Verschönerungsaktion gut getan hatte (wenn man mal von der vielen Farbe absah), und zum anderen hatte sie jetzt eine Tochter. Das veränderte alles.

      Es würde nicht lange dauern, bis diese alt genug war, dass sich junge, attraktive Männer nach ihr umdrehten. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen war, wollte Frau Wunderlich auf keinen Fall für Emilys Mutter, sondern allenfalls für ihre Schwester gehalten werden.

      Als Frau Wunderlich das Haus betrat und durch lautes Rufen deutlich machte, dass sie jemanden zum Tragen der Einkaufstüten brauchte, warf Herr Wunderlich die bis dahin tapfer verteidigte Fernbedienung hastig auf den Tisch und eilte seiner Frau entgegen.

      In letzter Zeit waren ihre Launen noch unberechenbarer geworden und er sollte sich nicht schon wieder ihren Unmut zuziehen. Außerdem hielt er es für ratsam, den Inhalt der Einkaufstüten überprüfen, um gegebenenfalls Vorsorgemaßnahmen ergreifen zu können. Denn …

      Frau Wunderlich machte eine Diät. Und da sie das alleine niemals durchstehen würde, hatte sie ihren Mann ebenfalls auf Diät gesetzt. Seitdem hielt er sich häufig in der Garage auf, wo es Regale knapp unter der Decke gab, an die Frau Wunderlich nicht herankam.

      Die Diät bereitete Frau Wunderlich große Schwierigkeiten, was auch ihre wechselhafte Laune erklärte. Sie kämpfte mit dem Problem der meisten Abnehmwilligen, dass Kopf und Magen an unterschiedlichen Fronten kämpften.

      Knurrte der Magen und verlangte nach Eisbein und Sauerkraut oder Sahnetorte, konnte der Kopf seine appetitlich und übersichtlich angerichteten Salatblätter anpreisen wie er wollte – er kam damit nicht durch. Noch schlimmer wurde es, wenn sich auch die verschiedenen anderen Abteilungen des Kopfes auf die falsche Seite schlugen und der ohnehin nur kleine, für die Vernunft zuständige Bereich alleine dastand. So was hielt kein normaler Mensch durch.

      Emily blieb von der Essensrationierung verschont, da sie noch ein Kind war und später groß und stark werden sollte. Gab es trotz sorgfältiger Planung einmal Reste, bekam Emily immer einen Nachschlag, während Herr Wunderlich in die Röhre guckte.

      Trotzdem folgte Emily jetzt ihrem neuen Papa in den Flur, um zu sehen, ob Frau Wunderlichs Behandlung etwas gebracht hatte.

      Als Frau Wunderlich Emily erblickte, machte ihr Herz Purzelbäume, wie häufiger in den letzten Wochen.

      War das schön, ein Kind im Haus zu haben. Und dazu noch so ein hübsches und nettes. Tatsächlich überlegte sie bereits, noch ein zweites zu adoptieren, wenn endlich Emilys Adoption abgeschlossen war. Am besten einen kleinen Jungen. Damit würden sie dem Idealbild einer Familie entsprechen – Vater, Mutter, Tochter, Sohn und Einfamilienhaus. Fehlte nur noch ein Hund. Aber um das zu realisieren, musste erst die Katze sterben.

      »Na mein Schatz? Wie geht es dir?«, fragte sie liebevoll an Emily gewandt, und Herr Wunderlich konnte sich nur wundern. Mit ihm hatte sie noch nie in diesem Tonfall gesprochen. Allenfalls ganz am Anfang ihrer Beziehung oder wenn sie angetrunken war und ihn für jemand anderes hielt.

      »Gut. Du … du siehst toll aus«, behauptete Emily, womit sie meinte toll im Vergleich zu vorher. Und sie hatte sogar Recht, wie Herr Wunderlich plötzlich überrascht erkannte.

      Die Diät zeigte erste Erfolge, da Frau Wunderlich sich zwischendurch nicht heimlich durch irgendwelche Notvorräte fraß. Außerdem schienen die preisintensive Pflege und das plötzlich erwachte Modebewusstsein Positives zu bewirken.

      Natürlich konnte man keine Wunder erwarten, aber es gab deutliche Unterschiede zu vorher.

      Geschmeichelt ging Frau Wunderlich in die Küche. »Hast du Lust, mit mir noch ein bisschen spazieren zu gehen?« fragte sie über die Schulter.

      »Können wir machen. Gehen wir am Spielplatz vorbei?« antwortete Emily.

      »Wenn du das möchtest, gerne. Dann zieh aber bitte nicht die gute Jeans an, ja?«

      »Geht klar.« Eilig verschwand Emily nach oben, um sich umzuziehen.

      Herr Wunderlich sah ihr konsterniert hinterher. Was war mit ihm? Fragte ihn etwa keiner? Und überhaupt. Seit wann ging seine Frau gerne spazieren?

      Kleine Erinnerungsfetzen erwachten und füllten Lücken, die schon vor langer Zeit geschlagen worden waren.

      Frau Wunderlich war tatsächlich einmal gerne spazieren gegangen und hatte ihn ständig dazu gedrängt, sobald kein Regen drohte. Und wenn sie ihn endlich überredet hatte, nörgelte sie unentwegt daran herum, wie er spazieren ging. Entweder ging er zu schnell. Oder er bummelte. Oder man konnte sich mit ihm nicht richtig unterhalten, oder er meckerte nur herum. Außerdem wollte er ständig umkehren oder abkürzen und war der Meinung, man sei jetzt genug spaziert.

      Offensichtlich hatte sie nicht am Spazieren die Lust verloren, sondern daran, mit ihm spazieren zu gehen.

      Vielleicht sollte er etwas guten Willen zeigen und mitkommen. Das konnte nicht schaden. Schließlich wohnte jetzt Konkurrenz im Haus.

      ***

      Lautes Gemurmel erfüllte den großen Saal. Die Versammlung hätte bereits vor zehn Minuten beginnen sollen, aber bislang war noch kein redewilliger Zwerg erschienen. Niemand wusste, was heute drohte, und die Mienen waren skeptisch. Es hieß zwar, dass es um etwas Wichtiges ging, aber vielleicht tauchte auch nur Wilbert mit seinen verrückten Ideen auf.

      Dieses Mal waren die Zwerge besser vorbereitet und hatten was zum Werfen mitgebracht. Jetzt mussten sie nur noch mit dem Problem fertig werden, dass sie keine guten Werfer waren.

      Wieso das so war, wusste keiner. Es hatte vermutlich irgendetwas mit Anatomie zu tun. Vielleicht war auch in den Zwergenköpfen das dafür notwendige Programm vergessen worden. So was kam vor.

      Als aus dem Gemurmel allmählich Gemurre wurde, betrat Humbert das Podium und fingerte nervös an einem Zettel herum. Schlagartig trat Stille ein.

      Nach den kürzlichen dramatischen Ereignissen hatte sich Humbert besser erholt, als man es ihm in seinem Alter zutraute. Keine ahnte, dass die Angst vor einem angeordneten Ruhestand dabei eine wichtige Rolle spielte.

      Die Zwerge wurden nun ebenfalls nervös, da ein angespannter Humbert meistens nichts Gutes bedeutete.

      Dieser räusperte sich, entrollte umständlich den Zettel und warf einen kurzen hoffnungsvollen Blick darauf, da man nie wissen konnte. Vielleicht stand dort auf einmal etwas anderes. Doch die Hoffnung erfüllte sich nicht. Humbert runzelte die Stirn.

      »Liebe Zwerge«, begann er, unterbrach sich jedoch und inspizierte mit prüfendem Blick das Publikum. Doch alle waren da. Sogar Constantin und Grummelbert. Soweit so gut. »Vermutlich fragt ihr euch, weshalb schon wieder eine Versammlung einberufen wurde. Ihr könnt mir glauben, dass es mir lieber wäre, wenn das nicht sein müsste. Aber wir haben schon wieder