Spurlos. Manuela Martini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manuela Martini
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Shane O'Connor Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742759405
Скачать книгу
sie den Namen Valerie Tate nannte, konnte er nichts mehr entgegnen. Sie hatte ihn völlig überrumpelt.

      „Sie sagt sie ist schwanger und du willst dich scheiden lassen.“

      „Das ist doch völliger Unsinn! Glaubst du das etwa?“, erwiderte er schnell.

      „Sie hat es gesagt, und es hat aufrichtig geklungen. Also, Matthew, wenn du sie willst, dann sollten wir uns scheiden lassen.“ Sie staunte über ihre eigene Nüchternheit – und Klarheit. Keine Lügen mehr – lieber allein leben.

      „Du willst die Scheidung, wegen, wegen … so einer kleinen Geschichte?“ Er kam auf sie zu, verschwitzt und in der Unterhose. „He, Alison“, er sah sie ein wenig so an wie früher, ehrlich, tief. „Ich versprech’s dir: Ich mach’ mit ihr Schluss.“

      Sie wusste nicht, ob sie ihm das glauben sollte.

      „Aber sie ist schwanger, Matthew, und du hast ihr offenbar auch etwas versprochen.“

      „Ich habe nie von Scheidung gesprochen! Sie war es, die mich unter Druck setzte.“

      Er kam näher, seine Stimme wurde sanft. „Ally“, so hatte er sie schon sehr, sehr lang nicht mehr genannt, „es, es tut mir leid, ich hätte es nie anfangen dürfen. Es war – es war einfach dumm. Es hat mir nicht wirklich etwas bedeutet, verstehst du?“ Er stand jetzt ganz nah vor ihr, den Kopf leicht geneigt, die Arme bereit, sie festzuhalten, zu umarmen. Seine Nähe kam ihr zu plötzlich. Sie ging zum Geländer und sah hinunter in den Garten.

      „Ally“, er kam wieder näher, „du musst mir glauben. Ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist.“ Er seufzte. Sie fragte sich, ob er wirklich so zerknirscht war, wie er sich anhörte. „Es hat sich so ergeben! Die Arbeit, du warst mit deinen Dingen beschäftigt, hattest kein Interesse an … mein Gott, Ally, wir sollten nicht einfach alles hinwerfen! Und was ist mit Pru?“

      „Prudence ist alt genug!“ Ihre Tochter studierte in Adelaide. Die Scheidung ihrer Eltern würde kaum ihr Leben ändern.

      „Alison! Bitte!“ Er klang tatsächlich flehend.

      Sie drehte sich um. Er legte die Hände auf ihre Schultern.

      „Ally, ich verspreche dir: ich mache mit ihr Schluss. Ich will dich nicht verlieren! Du bist die Frau, die ich liebe und mit der ich leben will!“

      Stocksteif stand sie da, doch mit jedem seiner Worte zerbröckelte ihr Widerstand ein Stück mehr. Schließlich nahm er sie in die Arme, hielt sie, und sie wehrte sich nicht, sondern weinte. Aber das erhoffte Gefühl von Glück und Erleichterung war ausgeblieben.

      „Dad, komm’ doch zu uns rüber!“ Sie versuchte Matthew zu entlasten. Er tat ihr sogar ein wenig leid. Immer wieder betonte ihr Vater, dass sich Matt nur ins gemachte Nest gesetzt hätte, und noch nicht mal einen Truck-Führerschein besaß.

      „Ja, Liebling!“, fiel ihre Mutter mit ein, die ihr gegenüber am Tisch saß, „lass’ Matthew in Ruhe grillen!“

      Die Männer überhörten die Aufforderungen.

      „Ich wüsste auch nicht, was ich in der Gibson-Wüste sollte, Paul.“ Das kam von Matthew, der ungerührt die Steaks wendete und aus der Bierflasche trank. Paul van Oosterzee, groß und hager, mit eisgrauem Haar, lachte und wandte sich Alison und seiner Frau zu:

      „Habt ihr das gehört! Die Gibson Wüste – die gehört zu unserem wunderbaren Land! Mein Vater hat es mit aufgebaut, von ganz unten…“

      „Nun übertreib nicht, Paul!“ Margret schaltete sich ein. „Von unten aufgebaut haben es die armen Sträflinge, und keiner deiner Familie kam als Sträfling …“

      „Nein, Sträflinge waren wir nicht!“, fiel Paul ihr ins Wort. „Wir waren immer rechtschaffene Leute, ehrliche Arbeiter! Mein Vater ist mit `nem Pferdewagen losgezogen und hat den Leuten auf ihren verdammt weit abgelegenen Farmen alles gebracht, was sie gebraucht haben – und dann hat er sich `en Lastwagen gekauft und …“

      Alison wusste, dass sie jetzt eingreifen müsste, sonst würde Matthew irgendwann der Kragen platzen und alles würde außer Kontrolle geraten. „Daddy! Wir kennen die Geschichten, komm’ schon rüber!“ Sie klopfte auf den freien Segeltuchstuhl neben sich. Ihr Vater machte tatsächlich einen Schritt in ihre Richtung, blieb dann aber stehen.

      „Wisst Ihr: Euch geht es viel zu gut. Ihr habt nie richtig schuften müssen.“

      Alison sah, dass Matthew innerlich kochte.

      „Matt, denk’ dran, ich will mein Steak richtig durch!“ Armer Matthew, er hatte es wirklich nicht leicht im Schatten seines Schwiegervaters zu stehen. Vielleicht – vielleicht hing auch die Sache mit Valerie Tate damit zusammen, dass es ihm an Macht im Büro fehlte? Jeder Psychologe würde das wahrscheinlich so sehen. Vielleicht wäre es endlich an der Zeit, darüber nachzudenken, ob er nicht woanders einen Job finden könnte. Selbst wenn er seinen Porsche verkaufen müsste … Das waren doch nur unbedeutende Dinge …

      „Darling?“

      Alison fuhr auf. Ihre Mutter hatte die Hand auf ihre gelegt.

      „Du kommst mir so nervös vor. War es dieses Beben vorhin? Ich gebe zu, es hat mich auch erschreckt, aber - gibt es noch irgendwas?“

      „Nein, Mum, wirklich nicht!“ Sie lächelte rasch. Mein Gott, Mum, dachte sie, wenn du wüsstest. „Es ist alles in bester Ordnung! Dein Glas ist ja leer!“ Hastig hob sie den Deckel der Kühlbox, die neben ihrem Tisch stand, und nahm die von Eisbrocken und den Bierdosen für Matthew und ihren Dad verdeckte Champagnerflasche heraus. Warum tat sie sich diese Einladungen auch immer wieder an?

      „Gib’ her, ich mach’ das schon!“ Ihr Vater nahm ihr die Flasche aus der Hand und drehte den Draht auf. „Ihr solltet euch endlich `nen Kühlschrank hier raus stellen. Jedes Mal, wenn wir kommen, habt ihr diesen verdammten Eski. Der ist was fürs Picknick aber nicht für `ne Terrasse! Du weißt doch Ally, was wir für einen Kühlschrank haben, so einen großen, silbernen, der würde da neben den Barbecue passen!“ Der Korken ploppte passend am Satzende.

      „Du kannst uns ja nächstes Mal einen mitbringen!“, antwortete Matthew bevor Alison den Mund aufgemacht hatte.

      „Mal sehen, was sich machen lässt!“, gab sein Schwiegervater gönnerhaft zurück.

      Nach dem ersten Schluck wurde der Blick ihrer Mutter sorgenvoller.

      „Schätzchen, dich bedrückt doch was. Es ist doch nicht nur das Beben heute, das dich so durcheinander gebracht hat.“

      „Nein, wirklich, Mum“, sie setzte ein verkrampftes Lächeln auf, „es ist wirklich nichts. Ach, übrigens, ich habe am Samstag Christine getroffen.“

      Die Miene ihrer Mutter gefror. Alison überging die Veränderung.

      „Ihr Job in dem Friseurladen macht ihr, glaube ich, Spaß.“

      Ihre Mutter stellte abrupt das Glas ab. „Ach, Christine!“, sie schüttelte den Kopf, die senkrechte Doppelfalte zwischen ihren Augen vertiefte sich. „Warum ist sie nur so, so…“

      „Anders?“

      „Ja! So anders als du! Sie hätte es so leicht im Leben haben können, so wie du.“

      Alison schluckte eine Bemerkung hinunter. Ihre Mutter sah für einen Moment gedankenverloren ins Leere, dann sagte sie fröhlich „Der Champagner schmeckt köstlich!“

      Alison unterdrückte ein Seufzen. So war ihre Mutter. Kaum hatte sie ein heikles Thema angeschnitten, ließ sie es wieder fallen, wie eine heiße Kartoffel.

      Drinnen läutete das Telefon. Endlich! Alison sprang auf und eilte durch die Küche ins Wohnzimmer, wo sie abnahm.

      „Christine, endlich! Hast du meine Nachricht bekommen?“

      „Nee!“

      „Ich hab’ dir auf deinen Anrufbeantworter gesprochen, dass …“

      „He, hör’ ich