Die Übungsaktivität lässt sich beliebig oft wiederholen; die Lernenden haben also die Möglichkeit, sie beim zweiten, dritten oder x-ten Mal richtig zu lösen.
Der eigentliche didaktische Mehrwert der Internetnutzung [und der Nutzung offline laufender digitaler Lernprogramme und Apps] besteht darin, dass Lernende unmittelbares Feedback bekommen können – auch wenn die Lehrkraft keine Zeit hat.
Die Interaktion zwischen Lernenden und Computer erfolgt ohne andere (Mit)Lernende, vor denen sich manche Lernende bei Korrekturen bloßgestellt fühlen könnten.
Schließlich wird der Computer nie ungeduldig und gibt im besten Fall auch Hilfen für den richtigen Lösungsweg (Biechele 2005b: 14 [Ergänzung TZ]).
Weiterhin lassen sich innerhalb von geschlossenen Übungen mögliche Aktivitäten unterscheiden:
Auswahl der richtigen Lösung aus einer Reihe von Vorschlägen,
Kennzeichnung als richtig oder falsch,
Ergänzung einer Lücke (durch Wortteile, einzelne Wörter oder Wortgruppen),
Anordnung der Elemente nach bestimmten Kriterien wie Zuordnung zu verschiedenen Kategorien oder Festlegung der richtigen Reihenfolge,
Umformung vorgegebener Sätze (ebd.: 12).
Die Aktivitäten sind auch in Papierform möglich, der Unterschied liegt in der Realisierung. Sie können in verschiedenen Formaten wie z. B. Anklicken von Antwortmöglichkeiten in Multiple-Choice-Fragen oder Auswahlmenüs, Ziehen (Drag & Drop), Eingabe einer Antwort (Eintippen) realisiert werden. Das Repertoire scheint nicht vielfältig zu sein. Wenn jedoch in die Aktivitäten multimodale Elemente eingebunden werden und unterschiedliche Lösungswege im Programm vorgesehen sind, können sie Lernende beim Erreichen ihrer Lernziele unterstützen.
Darüber hinaus kann die Einbindung spielerischer Elemente in digitale Lernmaterialien das Interesse am Bearbeiten von Inhalten aufrechterhalten. Die Spielmechaniken, wie z. B. levels, challenges, Punktesammeln, Belohnungssystem, etc., werden in modernen digitalen Spielen verwendet. Auch der Faktor Spaß ist nicht unwichtig.5
Die fachdidaktische Diskussion über Spiele im Fremdsprachenunterricht erlebte ihren Boom in den 1980er Jahren (s. z. B. Kleppin 1980; Klippel 1980). Zu diesen Zeiten wurden Sprachlernspiele als Bestandteil des kommunikativen Unterrichts angesehen, heutzutage werden sie dem Prinzip des aufgabenorientierten Unterricht zugeordnet und erfüllen viele Kriterien von Lernaufgaben (vgl. Kleppin 2010: 284). Seit der Verbreitung digitaler Lernmaterialien für das Fremdsprachenlernen wird versucht, die oben genannten Spielmechaniken auch in digitale Materialien, u. a. in geschlossene Übungen einzubinden. Die einfachsten Beispiele für sprachbezogene Lernspiele sind Galgenmännchen, Kreuzworträtsel, Memory, Scrabble, Wortschlangen etc. (vgl. Biechele et al. 2003: 34 ff.). Mit der Entwicklung digitaler Medien wurden Sprachlernspiele komplexer, indem sie als umfangreiche Simulationen mit Lebensweltbezug und einem großen Spektrum von sprachbezogenen Aufgaben gestaltet werden, wie z. B. das Spiel des Goethe-Instituts für B1-Lernende Lernabenteuer Deutsch. Ein rätselhafter Auftrag.6 Für Lernende auf niedrigeren Niveaustufen bietet das Goethe-Institut ein anderes Spiel, in dem Wortschatz zu alltagsnahen Themen entdeckt und geübt werden kann: Die Stadt der Wörter.7 In diesem Spiel kann außerdem gegen andere Lernende gespielt werden. Die Verbreitung der Spiele und Elemente der Gamification weckten in den letzten Jahren großes Interesse auch in der Forschungslandschaft (s. z. B. Sylvén und Sundqvist 2012; Ikumi Hitosugi et al. 2014; Schmidt et al. 2016).
2.1.5. Potenziale digitaler Medien für das Grammatiklernen
Bereits in früheren Diskussionen über den Computereinsatz im Fremdsprachenunterricht werden Potenziale des Mediums speziell „bei der Darstellung und Einübung von grammatischen Strukturen“ hervorgehoben (Hope et al. 1989: 29). Insbesondere für die Auslagerung von Drill-Übungen aus dem Unterricht bieten digitale Medien viel Potenzial (vgl. ebd.), somit kann eine Lehrperson von Korrekturen entlastet werden. Solche Übungsprogramme (reine drill & practice) verfügen jedoch über wenig Interaktivitätspotenzial (vgl. Rüschoff 1988: 48ff.). Die Anfangseuphorie verschwand mit der Zeit. Die meisten digitalen Grammatikaufgaben im Netz sind weiterhin geschlossen, was mit der generellen Formfokussierung im Bereich Grammatik verbunden ist (s. o). Jedoch bieten digitale Medien weitere Möglichkeiten zur Gestaltung von Grammatikaufgaben.
Rösler (2004: 137) weist darauf hin, dass digitale Grammatikübungen „zumeist überwiegend dem Erwerben und Sichern des Formbestandes“ dienen. Darüber hinaus ermöglichen digitale Medien entdeckendes Lernen der Grammatik und steuern z. B. durch die Veränderung der Farblichkeit die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte grammatischer Phänomene (vgl. ebd. 136-137). Digitalen Medien werden auch weitere Potenziale für die Grammatikvermittlung zugeschrieben, wie z. B. die Erweiterung der Darstellungsformen von grammatischen Strukturen durch interaktive animierte Grammatiken sowie die Implementierung mehrerer Pfade, die unterschiedliche Vorgehensweisen beim Lernen zulassen. Durch den Zugriff auf linguistische Datenmengen kann auch entdeckendes Lernen ermöglicht werden (vgl. Rösler 2012: 182). Laut Freibichler ermöglichen digitale Medien spielerisches und entdeckendes Sprachenlernen, das speziell für Anfänger eine wichtige Rolle spiele (vgl. Freibichler 1997: 41). Scheller schreibt digitalen Medien viel Potenzial bei der Grammatikvermittlung, insbesondere durch animierte Darstellungsformen, zu (vgl. Scheller 2012: 2 ff.), die in Kapitel 3.5 einer näheren Betrachtung unterzogen werden.
In Anbetracht der relativ einfachen Programmierung von Programmen und Materialien zur Grammatik1 ist die hohe Anzahl digitaler Grammatiklernangebote nicht verwunderlich. Interessanterweise sind jedoch wenige Forschungsbeiträge zu finden, die sich mit der Analyse dieser Materialien beschäftigen. Einen Versuch unternahm Rausch (2017), indem sie den Aufbau, die Merkmale sowie Übungstypen von Online-Übungsgrammatiken analysierte. Auf der Grundlage der Analyse fasst Rausch folgende Vorteile gegenüber gedruckten Grammatiken zusammen: Durch die Hypertextstruktur der Online-Materialien ist der Informationszugriff schneller und auf die jeweiligen Lernbedürfnisse anpassbar. In Online-Grammatiken können multimediale Komponenten eingebettet werden, was in gedruckten Übungsgrammatiken mit einer CD oder DVD allerdings auch möglich sei. Die analysierten Online-Grammatiken beinhalten interaktive Komponenten (wie z. B. Kommentarfunktion, Foren, automatisches Feedback etc.). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Vernetzung mit anderen Lernenden sowie mit Experten. Außerdem ermöglichen die Online-Übungsgrammatiken die Auswahl mehrerer Beschreibungssprachen, was insbesondere für Anfänger vorentlastend ist. Als nachteilig wird die Tatsache bezeichnet, dass eine unübersichtliche Navigationsstruktur sowie die Informationsmenge überfordern könnten. Eine starke Abhängigkeit des Lernfortschrittes von Lerngewohnheiten und dem Lerntyp beim Lernen mit Online-Materialien wird ebenfalls als problematisch angesehen (vgl. Rausch 2017: 105-106).
In diesem kurzen Überblick über die Entwicklung digitaler Lernmaterialien und ihrer Vor- und Nachteile für selbstständiges Fremdsprachen- und insbesondere Grammatiklernen wurden ihre Potenziale und Grenzen gezeigt. Die Skizzierung lässt deutlich werden, dass Lernende eine aktive Rolle im Lernprozess übernehmen sollten. Das kann durch die Interaktivität von digitalen Lernmaterialien erfolgen.