Von den Arbeiten Haugens und Weinreichs ausgehend, führt der kroatische Sprachwissenschaftler Rudolf Filipović die kroatische Terminologie in die Sprachkontaktforschung ein, deren Gegenstand Berührungen und Konflikte zwischen Sprachen, Zwei- und Mehrsprachigkeit, Übersetzungswissenschaft, Erst- und Zweitspracherwerb sowie sprachliche Interferenz und Integration umfasst (vgl. Filipović, 1986: 15). Wichtig dabei ist immer die Rolle, die die Sprachen im Kontakt im Entlehnungsprozess innehaben. Die Ebenen, auf denen die Beschreibung der sprachlichen Interferenzen möglich und notwendig ist, sind die phonologische, morphologische, semantische, lexikalische, syntaktische und stilistische (ebd. 53). Das Innovative an Filipović Theorie ist die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer sprachlicher Adaption. Im Zuge der primären Adaption wird die Entlehnung dem sprachlichen System der Nehmersprache angepasst, während im Zuge der sekundären Adaption diese assimilierte Entlehnung Veränderungen durchlaufen kann, wie jedes andere native Wort. Die ursprüngliche Form des Wortes in der Gebersprache heißt Modell, die übernommene Form in der Gebersprache Replik (ebd. 38). Die Replik erscheint in drei Formen: 1. in der gleichen Form wie das Modell, es handelt sich um einfache Übernahme aus einer Sprache in die andere; 2. in einer Kompromissform, d.h. die Replik hat sich dem Modell gegenüber aufgrund von Interferenzen auf einer oder mehreren sprachlichen Ebenen verändert; 3. in integrierter Form, so dass die Replik nicht mehr als fremdes Wortgut erkannt wird, weil es im Prozess der Adaption vollkommen an die Nehmersprache angepasst wurde.
Im Laufe ihrer Entwicklung ist die Sprachkontaktforschung zu einem weiten, interdisziplinären Forschungsfeld geworden, das sich bei der Untersuchung abstrakter sprachlicher Systeme im Kontakt ebenfalls mit Fragen der Psycho- und Soziolinguistik, Anthropologie, Kulturgeschichte, (Sprach-)politik, Pädagogik, Kommunikations- und Literaturwissenschaften auseinandersetzt (Oksaar, 1984: 853). In neuerer Zeit beschäftigt sich auch die Ökolinguisitk mit diesem sprachlichen Phänomen, mit dem Ziel, Unterschiede zwischen Entlehnungen im gesamten Sprachsystem, Entlehnungen in Dialekten und Entlehnungen in Soziolekten festzustellen (Sočanac, 2004: 31).
2.2 Lehnwortforschung
Die Lehnwortforschung ist eines der ältesten Forschungsgebiete der Sprachkontaktforschung, die sich insbesondere mit den Wirkungen des sprachlichen Kontaktes sowohl auf der Ebene des Sprachsystems (Sprachkontakt im engeren Sinne) als auch auf der Ebene der Individuen (Zwei- oder Mehrsprachigkeit) beschäftigt. Das Ziel ist die Identifikation und Analyse der einzelnen Spuren des Sprachkontaktes mithilfe synchronischer Diagnosen (Bechert/Wildgen, 1991: 57). Die Lehnphänomene lassen sich sprachebenenspezifisch gliedern (Tesch, 1978: 83ff) in phonetisch-phonologische, die Phonemimport, Phonemschwund bzw. Phonemzusammenfall verursachen, grammatikalische, die in der Entlehnung der Wortbildungsmorpheme und Flexionssubstitution ihren Ausdruck finden, lexikalisch-semantische, die in der Übernahme bzw. Nachbildung der Lexeme bestehen, syntaktische, wodurch sich Lehnkonstruktionen und Lehnwortstellung im Satz ergeben. Die Übernahme betrifft jedoch vor allem die lexikalische Ebene, weil Wörter wegen ihrer allgemeinen Dynamik am einfachsten zu entlehnen sind. Der lexikalische Einfluss geht insbesondere auf inner- und außersprachliche Gründe zurück. Im Unterschied zu grammatischen und syntaktischen Elementen und Beziehungen innerhalb des Sprachsystems, die primär eine innersprachliche Funktion (z.B. Rektion, Koordination, Wortfolge) ausüben oder eine allgemeine Beziehung zur außersprachlichen Wirklichkeit (Tempora, Deiktika etc.) darstellen, steht bei den lexikalischen Einheiten die denotative Funktion im Vordergrund. Der Sprecher kann lexikalische Einheiten einer anderen Sprache am einfachsten wahrnehmen und lernen, weil diese explizit mit der außersprachlichen Wirklichkeit verbunden sind. Darüber hinaus ist die Lexik innerhalb des Sprachsystems mehr oder weniger offen und deshalb dynamischer bei der gegenseitigen Beeinflussung als das grammatische System. Dies stellt die strukturelle und kognitiv-semantische Grundlage des lexikalischen Einflusses einer Sprache auf eine andere dar.
Ein weiterer Grund ist das universale Bedürfnis für die Benennung neuer Entitäten. Die Motive können innersprachlich, z.B. geringe Verwendungshäufigkeit, schädliche Homonymie und der stetige Bedarf an Synonymie sein (vgl. Weinreich, 1977: 80ff). Diese Motive dürfen jedoch nicht als absolute Determinanten betrachtet werden, sondern sind vielmehr als Tendenzen zu verstehen. Die Gefahr ist groß, dass selten benutzte Wörter durch Lehnwörter ersetzt werden. Bei dem Grundwortschatz ist diese Gefährdung durchaus geringer. Homonymie ist ein großer Anreiz für lexikalische Entlehnungen, da die phonetische Übereinstimmung unterschiedlicher Begriffe den Sprecher verwirrt und das anders