Operation Icefish 2015, das illegale Wildererschiff THUNDER kentert und sinkt schnell nach der Verfolgung durch BOB BARKER. © Simon Ager
Sea Shepherd arbeitet mit kleinen Ländern zusammen wie Gabun, São Tomé und Príncipe oder Kap Verde. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat Japan versucht, diesen Ländern die Fangrechte abzukaufen. Wie unterstützt ihr kleine Staaten dabei, sich gegen die Übervorteilung durch größere zu wehren?
Die staatlichen Stellen, mit denen wir in diesen Ländern zu tun haben, versuchen, die Situation zu verbessern, aber wenn man mit einer Behörde wie beispielsweise dem Umweltministerium oder dem Fischereiministerium zusammenarbeitet, können dessen Interessen denen des Finanzministeriums zuwiderlaufen. Wenn man also mit einer Behörde zusammenarbeitet, kommt es häufig vor, dass eine andere dazwischenfunkt. Das ist das Problem, wenn man mit staatlichen Stellen zusammenarbeitet. Als wir beispielsweise nach Peru eingeladen wurden und mit der Arbeit loslegten, meinte plötzlich eine andere, nicht beteiligte Behörde, dass es da Probleme gibt, die wir besser zuerst angehen sollten. In Afrika ist es das Gleiche. In Sierra Leone sind die Ministerien, mit denen wir zusammenarbeiten, zwar sehr kooperativ, aber gleichzeitig erlauben sie den Japanern, dort eine Fischverarbeitungsanlage zu bauen, wofür allerdings eine andere Behörde zuständig ist.
Das ist schon ziemlich frustrierend, aber damit müssen wir nun mal leben. Trotzdem haben wir eine Menge erreicht. Wir haben allein im letzten Monat sechs Trawler in den Gewässern von Sierra Leone festgesetzt und in den letzten Jahren fast 70 Trawler in Afrika. Wir waren also schon recht erfolgreich. Zurzeit versuchen wir gemeinsam mit Peru, gegen die Präsenz der chinesischen Flotte im Pazifik vorzugehen. In Mexiko steht die Regierung unter starkem Druck seitens der lokalen Fischer. Dort ist die eine Behörde sauer auf uns, während die andere meint, dass wir einen guten Job machen. Das kann schon verwirrend sein. Es ist also nicht einfach, aber wir tun, was wir können, und ich finde, wir haben einiges erreicht. Wir sind zahlreiche Partnerschaften eingegangen, aber wir messen unseren Erfolg an der Anzahl unserer Operationen. Das ist das einzig verlässliche Kriterium.
Wildtier-Rettung, Sea Shepherd Crew befreit Hai, der sich im Netz verfangen hat.
Sea Shepherd & Veganismus
Vor ein paar Tagen haben wir in einem Artikel gelesen, dass die weltweite vegane Bewegung einen großen Einfluss auf die Nachhaltigkeit und die Zukunft der Fisch- und der Fleischindustrie haben könnte, selbst wenn sich nur 1% der Bevölkerung der westlichen Welt vegan ernähren würde. Glaubst du, dass die zunehmende Anzahl junger Menschen, die sich für eine vegane oder vegetarische Ernährung entscheiden, die Wende bringen könnte?
Sicher, die Bewegung wächst. 1980 wusste noch niemand, was vegan überhaupt bedeutet. Seitdem hat sich einiges getan. Ich schätze, dass mittlerweile 3% aller US-Amerikaner Veganer sind. In Europa dürften es mehr sein. Wir sehen ja den Erfolg an der Zunahme von Fleischersatzprodukten wie Beyond Meat, Impossible Burgers usw., die der herkömmlichen fleischbasierten Ernährungsweise Konkurrenz machen. Das ist die Zukunft, denn es gibt keine Alternative. Wenn man sich Science-Fiction-Filme wie Star Trek anschaut, sieht man ja, dass die Zukunft vegetarisch ist. Die Weltbevölkerung ist einfach zu groß für eine fleischbasierte Art von Ernährung. Ab 1979 gab es auf den Schiffen von Sea Shepherd nur vegetarische Kost. 1999 sind wir dann auf vegane Verpflegung umgestiegen. Trotzdem sind wir keine vegane Organisation. Wir sind nicht einmal eine Tierrechtsorganisation. Veganer werfen uns vor, dass wir keine echten Veganer wären, weil wir uns nicht für den Veganismus starkmachen. Sind wir aber. Wir sind einfach nur eine Meeresschutzorganisation, die aus ökologischen Gründen eine vegane Lebensweise praktiziert. Aber dann kommen diese selbstgerechten Typen und sagen: „Also, das sind aber nicht die richtigen Gründe.“ Scheiß auf die Gründe. Als käme es darauf an. Wir machen es schließlich aus ökologischen Gründen. Tja, man sollte meinen, dass sie das freuen müsste (lacht), aber nein, die Fleischesser und die Pflanzenesser liegen sich weiterhin in den Haaren.
Ich finde das schon witzig, denn der Mensch war eigentlich nie ein echter Fleischfresser. Ich meine, es wird zwar gern behauptet, dass wir Fleischfresser sind, aber in Wirklichkeit sind wir Kadaverfresser. Wir essen tote Tiere. Wahrscheinlich sind wir mit Geiern, Hyänen und Schakalen enger verwandt als mit irgendeinem anderen Tier, denn das Fleisch, das wir essen, ist bereits seit sechs oder zwölf Monaten tot, in manchen Fällen sogar länger. Wir essen also totes Fleisch. Aber wir müssen dieses Fleisch mit Farbstoff präparieren, damit es appetitlich aussieht. Herrgott, Käfer werden zermahlen, um Fleisch einzufärben. Dann wird es auch noch in ein Bleichbad getaucht und mit allen möglichen Chemikalien vollgepumpt. Es ist der reine Irrsinn, was da gemacht wird. Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal auf einem Fleischmarkt wart, beispielsweise in Brasilien. Ich war mal auf einem in Amazonien. Ich konnte es nicht fassen. In einem modernen Supermarkt bei uns im Westen gibt es diese tollen roten Steaks. Aber auf einem Fleischmarkt in Brasilien ist das Fleisch grau, fast grünlich, von Fliegen übersät und es stinkt.
Vor drei Jahren kostete in Frankfurt eine Rinderhälfte dem Weltmarkt entsprechend um die 40 Dollar. Das ist einfach absurd, unethisch und aus ökologischer Sicht eine Katastrophe.
Hai-Finning
Das liegt an den Subventionen. In der Europäischen Union gibt es alle möglichen Agrarsubventionen. Einerseits ist das gut, andererseits aber verlieren wir das Gefühl für den Wert einer Ware.
Die industrielle Fischerei würde es ohne die enormen staatlichen Subventionen gar nicht geben. Nur so kann sie aufrechterhalten werden. Die Fischereipolitik der EU fördert im Grunde die Piraterie. Indem Europäer und Asiaten die Gewässer Afrikas ausplündern, betreiben sie indirekt Piraterie. Nehmen wir die somalischen Piraten. Wer sind die eigentlich? Das sind Fischer, die man beraubt hat und die sich in ihrer Verzweiflung nicht anders zu helfen wissen, als ihrerseits zu rauben. Man könnte es fast als eine Art Steuer bezeichnen, die sie auf Schiffe erheben, die durch ihre Gewässer fahren. Als eine Wiedergutmachung für das, was man ihnen in der Vergangenheit angetan hat. Aber so sehen wir das natürlich nicht. Ich meine, Spanien ist eine der größten Piratenfischer-Nationen der Welt, wahrscheinlich die zweitgrößte nach China, und wir versuchen, sie vor Gericht zu bringen. Aber die spanischen Richter behaupten einfach, dass sie außerhalb der spanischen Hoheitsgewässer keinerlei Handhabe hätten, selbst wenn die Schiffe unter spanischer Flagge fahren.
Offenbar ist die Behauptung der internationalen Fischereilobby, dass 20% oder 30% der Weltmeere unter Naturschutz stehen, nicht zutreffend. Wir denken, es sind weniger als 1%.
Aber auch die sind vor Wilderern nicht sicher. Jedes Jahr werden 30.000 Haie illegal aus dem Galapagos-Meeresschutzgebiet gefischt. Es ist weder im politischen noch im ökonomischen Interesse der Regierungen, daran etwas zu ändern.
Die Ökonomie der Ausrottung
Wenn Schiffe in einen Hafen in Spanien, Italien oder Deutschland einlaufen, könnte man sie doch fragen, wo und wie sie ihren Fisch gefangen haben und wie ihre Fangmethoden aussehen. Es ist alles eine Frage des politischen Willens. Regierungen könnten die illegale Fischerei sanktionieren, wenn sie wollten. Aber eine gut funktionierende Fischereiindustrie ist ihnen wichtiger.
Seht euch nur die Niederlande an. Sie gelten als progressives Land, aber trotzdem ist die holländische Flotte mit ihren riesigen Supertrawlern vor der irischen und afrikanischen Küste im Einsatz. Und diese gigantischen Schiffe werden auch noch staatlich subventioniert.