Im Dorf ihrer Kindheit wurden die weißen Kutteln der Kälber stundenlang unter kaltem Wasser gebürstet und, erst wenn sie rochen wie frisch gewaschen, in hauchdünne Streifen geschnitten. Diese rösteten die Frauen in großen Eisenpfannen in viel Butterschmalz, bestreut mit Salz und frisch gemahlenem Pfeffer und ganzem Kümmel, auf mittlerer Flamme, so lange, bis sie goldbraun waren. Dazu gab es Rösti.
Isabella mochte auch den Tessiner Kutteleintopf mit Tomaten und Polenta, Pacal, das ungarische Kuttelgulasch mit roten und grünen Paprika, viel Zwiebel und Knoblauch und Chili, das indonesische Kuttelcurry Gulai babat, und sie wollte irgendwann auch Motsu, die gekochten japanischen Kutteln, probieren. Sie hatte ein Faible für jede Art von Innereien, von Nieren, Leber und Herz über Hirn und Bries bis hin zu Stierhoden.
Dieses Kuttelessen war die Krönung ihres Porto-Aufenthalts. Am letzten Abend machte sie sich dann auf zu einem vier Kilometer langen Fußmarsch am Douro entlang. Der Fluss teilte die Stadt in zwei Hälften und mündete im Westen in den Atlantischen Ozean. Der Himmel war bewölkt, als sie die Küste erreichte, die Luft roch nach Salz, das zischende Meerwasser hatte 15 Grad.
»Kein Badewetter«, schrieb sie Prinz mit einem Augenroll-Emoji und schickte ein Foto vom fast menschenleeren Strand mit. Nur zwei Mutige stürzten sich vor ihr in die Fluten, wahrscheinlich Skandinavier oder Russen.
»Du könntest eisschwimmen«, kam zurück. Dazu drei blaue Kristalle.
Der Gedanke jagte Isabella kalte Schauer über den Rücken.
»Klingt wie eine gefährliche Drohung für mich«, tippte sie ins Handy. Sie konnte nicht einmal lauwarm duschen.
»Ist ein gutes Gefühl. Erklär ich dir, wenn du zurück bist«, schrieb Prinz.
Das war wieder einmal typisch für ihn. Hitze oder Kälte, Prinz war jede Energiequelle recht. Er saugte Energie ab wie ein Vampir. Lotete stets Grenzen aus, was Isabella anziehend fand. Praktizierte Krav Maga, die angeblich effizienteste Art der Selbstverteidigung, entwickelt vom israelischen Geheimdienst, war im offenen Meer mit meterlangen Makohaien getaucht, und träumte von Antarktis-Expeditionen oder Samurai-Kämpfen. Aber wenn er vor einem Teller mit gebackenen Sardinen saß, schaffte er es nicht, den Fischchen den Kopf abzubeißen. Vielleicht würde sie ihn einmal in die Gemütlichkeit ihrer Küche locken und geröstete Kutteln für ihn kochen. Oder ein butterweiches Rahmherz.
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