1.2Schlüsselbegriffe
1.2.1Leere(n) (
»Leere(n)« steht sowohl für das Ziel, ohne Wünsche, ohne Bedürfnisse, ohne Beschwerden zu sein, als auch für die Handlung (Bewegung ins Leere).
1.2.2Shen-Behandlung (
Der Begriff des »Shen« in der TCM unterscheidet sich von den Vorstellungen zu Bewusstsein und Psyche in der modernen Psychologie. In der chinesischen Medizin bilden Geist/Seele und Form eine Einheit. »Shen« stellt die Essenz aller Lebensaktivitäten dar, die fünf inneren Organe4 verfügen über »Shen« (siehe Kap. 4); die Unterscheidung zwischen Körper und Psyche spielt keine wesentliche Rolle. Ein weiser TCM-Arzt beginnt jede Behandlung mit der Behandlung von »Shen«, wir würden sagen, mit der Behandlung der Seele. Anders als in der westlichen Psychotherapie bedeutet dies, nicht nur die psychischen Beschwerden zu adressieren, sondern den Menschen als eine Einheit, ein Ganzes zu betrachten und entsprechend zu unterstützen.
1.2.3Cunxiang5 / Vertiefende Imagination (
Die »vertiefende Imagination« und die Meditation sind in Buddhismus und Daoismus des antiken China zwei Wege, psychische Vorgänge zu regulieren und sich körperlich und mental zu stärken.
Beim Cunxiang wird, ähnlich wie im Prozess der intensiven Imagination in der westlichen Psychologie, ein Gegenstand klar, konkret und lebhaft imaginiert. Beispielsweise wird das Bild der Mutter im nüchtern-wachen Zustand als Produkt der Vorstellungskraft im Kopf wahrgenommen (»Wahrnehmungsbild«), während das Bild der Mutter im Traum dem Erleben der vertieften Imagination entspricht, einem »Objektbild«. Das sogenannte »Objektbild« ist so lebendig und gegenwärtig, dass es beim Cunxiang als Realität wahrgenommen wird.
1.2.4In Ruhe (
Im intensiven meditativen Zustand, im Ruhen, hören alle bewussten kognitiven Aktivitäten auf. Das »Ruhen«6 kann hier ein leerer Bewusstseinszustand sein, der sich einstellt, wenn das Denken aufgehört hat. Es kann auch den Prozess bedeuten, in dem das Denken langsam aufhört. Denken ist eine Aktivität, aber nicht ausschließlich eine bewusste. Auch wenn das bewusste Denken aufhört, besteht das Bewusstsein weiterhin.
1.2.5Die therapeutische Beziehung (
Der gemeinsame Arbeitsgegenstand bei der Behandlung mit der Chinesischen Truhe ist die Entwicklung der Imagination von Symbol und Träger. Der Therapeut lädt den Klienten ein, zu imaginieren. Dabei werden Anliegen, Fragen, Schilderungen, Wünsche und Emotionen des Klienten ernst genommen, seine innere Welt findet Gehör; die Durchführung der Technik wird trotz der Standardisierung des Verfahrens individuell auf ihn abgestimmt. Die Arbeitsatmosphäre kann dabei seriös oder locker sein, sogar lustig, es kann auch gemeinsam gelacht werden. Es gibt dennoch eine eindeutige Arbeitsteilung und der Klient wird bei seiner Aufgabe klar angeleitet. Seine aktive Beteiligung regt, verbunden mit der Führung durch den Therapeuten, das Selbstwirksamkeitsgefühl an.
Bei der Anwendung der Chinesischen Truhe besteht zwischen dem Behandler und dem zu Behandelnden eine kooperative Beziehung. Dabei gibt der Therapeut die Anweisungen, der Klient setzt sie um. Die Anleitungen des Therapeuten nehmen dabei auf, was die Schilderungen, Wünsche und Emotionen des Klienten vorgeben, und er richtet sich genau danach, was er aus der der inneren Welt des Klienten vernimmt. Im Vorfeld bespricht der Therapeut intensiv mit dem Klienten, was er zu tun hat und wie. Das Ergebnis der vertiefenden Imagination von Symbol und Träger wird als gemeinsamer Arbeitsgegenstand von beiden genauer untersucht. Auch dies zeichnet die kooperative Beziehung aus.
1.2.6Symptome (
Gegenstand der Chinesischen Truhe sind subjektive Beschwerden des Klienten, wie psychische oder psychosomatische Probleme bzw. Störungen. In der Regel gibt es ein akutes hauptsächliches Problem, welches verschiedenen Krankheitsbildern zugeordnet werden könnte. Die Aufgabe der Anwendung der Chinesischen Truhe besteht jedoch nicht in der Diagnostik. Insofern gibt es keine entsprechenden Indikationen oder Kontraindikationen. Die zu behandelnden, subjektiv als negativ empfundenen Erlebnisse und damit verbundene Verhaltensabweichungen wie Zwänge können sowohl somatischer als auch psychischer Natur sein. Psychische Beschwerden beinhalten v. a. negative Emotionen wie Ängste und Depressivität, körperliche Beschwerden sind beispielsweise Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl. Die somatischen Beschwerden können Ausdruck einer psychischen Störung, aber auch Symptome einer somatischen oder psychosomatischen Erkrankung sein, beispielsweise Kopfschmerzen bei Erkältung oder Menstruationsbeschwerden. Insgesamt zeigt sich eine bessere Wirkung der Chinesischen Truhe bei der Behandlung psychischer Beschwerden.
1.2.7Symbole (
Die Reduktion oder Remission der Symptome geschieht durch die Veränderung eines für sie stehenden Symbols während der vertiefenden Imagination, nicht durch eine unmittelbare Intervention. Im psychischen Prozess wird beim Imaginieren das negative Erleben konkretisiert, beispielsweise wird Wut als Feuer, Schmerz als Nadelstich imaginiert. Nachdem ein Symbol aufgetaucht ist, wird noch ein geeigneter Träger gesucht, in dem das Symbol seinen Platz findet. Das Symbol stellt die Symptome des Klienten dar, der Träger seine Fähigkeit, die Symptome auszuhalten.
1.2.8Bewegung (
Ein Kernschritt der Behandlung ist die wiederholte Bewegung des mit dem Symbol bestückten Trägers auf unterschiedliche imaginäre Entfernungen. Dabei werden drei Stufen der Bewegung unterschieden, die hintereinander durchgeführt werden: das Warm-up, das Bewegen im Sichtbaren und das Bewegen jenseits des Sichtbaren. Sobald Symbol und Träger mittels Bewegung jenseits des Sichtbaren gebracht wurden, sollte im Bewusstsein des Klienten das Nichts herrschen,8 der angestrebte leere Zustand. »In die Leere kommen« ist ein weiterer Kernschritt dieser Behandlungsmethode.
1.2.9Linderung oder Remission der Symptome (
Die