Ein Schokoladen-Fan ist sie gewesen. Die Süßigkeiten im Café Schatz hat sie nicht verachtet; überhaupt das Essen, wichtig! Als Kind am liebsten: Schnitzel, Schnitzel, Schnitzel. Jeansröcke hat sie gerne getragen. Niemals Hosen. Ihre bevorzugte Kleiderfarbe: blau. Eine Orchidee, die ihr die Schwester einmal schenkte, hat sie durch viele Winter gebracht. „Akemi, deine Orchidee blüht immer noch!“
Malkurse bei Karin Unterburger, einer Maltherapeutin, hat sie besucht und dabei erstaunliche Bilder geschaffen. Bilder in zarten Farben, mit einer duftigen, berührend positiven Ausstrahlung. Manchmal musste man sie ein bisschen anschubsen, aber dann hat sie mit Freude weitergemalt. Der Mutter hat sie manches Bild überlassen, aber nur für einige Zeit, als Leihgabe. Natalie Hoshi war stolz auf ihre Werke.
Einmal, da war sie 23, 24 Jahre alt, hat sie begonnen, für Udo Jürgens zu schwärmen und hat sich alle CDs von ihm gekauft. Ein jahrelanges Schwärmen ist daraus geworden.
Und später für den Schauspieler und Fernseh-Conférencier Alfons Haider. Sogar seine Biografie hat sie gelesen, als eines der wenigen Bücher in ihrem Leben. Man nennt ihn den Küsserkönig, weil er so charmant und formvollendet allen Damen die Hand küsst. Im Fernsehen hat sie ihn bewundert, einmal sogar live im Salzburger Landestheater, das ist grad einmal ein Jahr her, im Stück Butterbrot von Gabriel Barylli. Der Onkel Heinz hat sie oft zum Lachen gebracht, auch wenn er sie ein bisschen auf die Schaufel genommen hat.
Liam, ihr kleiner Neffe, war der wärmste Sonnenstrahl in den letzten 18 Monaten. Wenn er ihr die Ärmchen entgegengestreckt, seinen Kopf in ihren Schoß gelegt hat, wenn sie ihn hochgehoben hat. Von ihm hat Natalie gelernt, dass man manchmal Rücksicht nehmen muss. „Wir müssen es so machen, wie es für den Liam richtig ist!“ Sie hat auch gelernt, auf die Mama Rücksicht zu nehmen, als ihr klar geworden ist, dass selbst die Mama nicht unverwundbar ist, die Mama, die ihr immer ganz, ganz nahe war und auch jetzt noch ist.
Von der Natalie, sagt Akemi, die wunderbare Schwester, hat man lernen können, dass man die Welt nicht immer durch seine eigenen Augen beurteilen kann, sondern offen sein muss für andere Betrachtungsweisen. Natalie lebte, so Akemi, in ihrer eigenen Welt, die nicht für alle zugänglich war und die andere Werte hatte. „Entschleunigen“ konnte man von ihr lernen. Selbst einmal langsamer werden.
„Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das Große vergebens warten.“ Natalie Hoshi war, weil sie ein bisschen anders war, eine Lehrmeisterin für die anderen. Eine Lehrmeisterin in Sachen kleines, großes Glück und Zufriedenheit.
Dem himmlischen Stern hinterdrein
(Richard Mühl, 1947–2012)
„Deine Wangalan“ heißt die kleine Melodie, die du sehr gemocht hast, Richard. Tobi Reiser, der Jüngere, hat sie komponiert, das Reiser-Ensemble hat sie gespielt. Wir waren Hirten beim Salzburger Adventsingen, lang ist es her. Tobi Reiser, Karl Heinrich Waggerl, das war unsere Bubenzeit, Hirtenstock und Filzhut, der Andachtsjodler und der Stern, dem wir andächtig Jahr für Jahr gefolgt sind, auf dem Weg zum Stall von Bethlehem, auch wenn wir längst gewusst haben, dass der Stern bloß ein heller Scheinwerfer hoch droben im Beleuchterhimmel in der Aula oder im Festspielhaus gewesen ist.
Wer einmal Hirte war, der bleibt ein Hirte, dem Herzen nach, sein Leben lang. Du hast oft von dieser Zeit geplaudert, Richard, bist später gerne zu den Treffen der ehemaligen Hiatabuam und Hirtensänger gekommen. Wenn du aufgetaucht bist, nicht nur beim Hirtentreffen, ich glaube, das hast du immer und in jeder geselligen Runde so gemacht, hast du zuallererst jedem erzählt, wie lang du mit der Anni verheiratet bist. Und im nächsten Satz, dass du deinen erstgeborenen Sohn, den Richard, 1994 durch einen tragischen Unfall verloren hast. Das waren die ersten Sätze. Dann alles andere.
In der Nacht vor deinem so überraschenden Tod heute vor einer Woche, hast du mit der Nachtschwester im „Wehrle“ ein bisschen geshakert, kavaliersmäßig, und hast ihr dein ganzes Leben erzählt. Der erste Satz war wohl der: „45 Jahre bin ich mit der Anni verheiratet!“ Und der zweite: „Seit 18 Jahren ist mein erster Bub, der Richard, tot.“
Du warst so stolz und so verwundbar zugleich. Kein Diplomat, weiß Gott nicht. Wie einseitig wäre das Leben, wenn es nur diplomatische Menschen gäbe! Die zu allem Ja und Amen sagen. Du bist immer den geraden Weg gegangen, und der führt manchmal mit dem Kopf durch die Wand. Du bist einer mit Ecken und Kanten gewesen, da eckt man hin und wieder an. Das ist halt so.
Du hast oft einfach die Wahrheit gesagt, gradheraus – das verträgt nicht ein jeder. Das Wichtigste: Du hast Handschlagqualität besessen, auf dich hat man sich hundertprozentig verlassen können, ob als Versicherungs-Kunde oder als Freund. Du hast geholfen, wo es was zu helfen gab, ohne Zögern und ohne auf die Uhr zu schauen. Warst einfach da – zur richtigen Zeit. Du mit deiner rauen Schale und diesem großen butterweichen Herzen!
Der Anfang, der Einstieg ins Leben, war nicht gerade leicht. Die Jahre vor deiner Geburt: Der Vater im Krieg, die Mutter mit zwei Mädchen, der Judith und der Helga, deinen älteren Schwestern, auf der Flucht vor den Russen – irgendwohin in den Westen. In der Unterfischach-Mühle bei Köstendorf sind sie angekommen, haben beim Bauern wohnen und mitarbeiten dürfen. Gott sei Dank ist auch der Vater unversehrt aus dem Krieg zurückgekehrt. Und dann hast du das Licht der Welt erblickt, Ritschi – am 24. Februar 1947.
Richard Mühl, genauso wie der Vater. Dein Vater war gelernter Tischler und später ist er Finanzbeamter geworden. Aber vor allem war er so geschickt mit den Händen, beim Bauen, beim Basteln, ach bei allem. Wie tatkräftig hat er später beim Umbau eurer so sehr geliebten Hütte am Fuß des Schlenken mitgearbeitet! Er hat dir früh beigebracht, dass ein richtiger Bub immer ein Taschenmesser, eine Schnur und Streichhölzer bei sich tragen muss. Das hast du als richtiger Bub befolgt und später an deine beiden Buben weitergegeben. Beim Bauern von der Unterfischach-Mühle bist du am liebsten mit dem Traktor herumgefahren. Aber dann seid ihr mit Kind und Kegel in die Stadt gezogen, Salzburg, Nonntaler Hauptstraße – die ganze Familie auf engstem Raum. Platz ist in der kleinsten Hütte. Und dann ist noch der Bernhard, der kleine Bruder, zur Welt gekommen.
Eure Mutter, Leopoldine Mühl, hat sich einen Namen gemacht als engagierte Funktionärin bei den ÖVP-Frauen. Du hast ja später auch, ihrem Vorbild folgend, viel Zeit und Energie in die Partei-Mitarbeit bei der Ortsgruppe Parsch gesteckt.
Du, Ritschi, hast die Volksschule in Nonntal besucht, bist beim Sternsingen als einer der Heiligen Drei Könige vor lauter Übermut in den Almkanal gefallen, aber dir ist nichts passiert und man hat dir statt dem nassen Heiligen-Gewand Klamotten aus der Altkleidersammlung der Pfarre angezogen, dass du dir keinen Schnupfen holst. Du hast im Nonntaler Kirchenchor mitgesungen, warst Handballspieler, Hirte beim Adventsingen und Ministrant.
Lasst uns über die Liebe reden. Dass Ehen im Himmel geschlossen werden, ist ein allseits bekannter Satz. Aber dass sich zwei junge Menschen in der Kirche ineinander verschauen, so sehr, dass sie später einmal heiraten, das kommt nicht so oft vor. Du warst also Ministrant im Nonntal, Richard, fromm und spitzbübisch zugleich. Grad einmal fünf Jahre jung, als du damit angefangen hast. Und später dann, als ihr Ministranten alt genug dafür wart, habt ihr, deine Kollegen und du, leidenschaftlich gern mit dem Herrn Pfarrer tarockiert, wenn er nicht grad im Brevier gelesen hat.
Wo Ministranten sind, da sind meistens auch die Jungscharmädchen nicht weit. Eines dieser Mädchen, sie ist noch in die Hauptschule gegangen wie du, hat Anni geheißen, die Anni vom Hinterholzerkai. Jedes der Mädels hat sich einen Ministranten ausgesucht, rein platonisch, nur so zum Anhimmeln. Sie, die Anni, hat dich erkoren, den schlanken, ranken Ministranten Richard, blond und blauäugig … obwohl sie eigentlich von einem Schwarzhaarigen mit braunen Augen