FLORA (ärgerlich). Nein, das is wirklich arg! Das bisserl Weg von der Stadt fünf Viertelstund’ herausfahren! Schamen soll sich so ein Stellwagen!
PLUTZERKERN. Warum denn? Er heißt ja desstwegen Stellwagen, weil er von der Stell nicht weiterkommt.
FLORA. Schad, dass du mit deiner Langsamkeit kein Stellwag’n worden bist.
PLUTZERKERN. Dazu fehlet mir die Pfiffigkeit. Ein Stellwagen is das pfiffigste Wesen auf der Welt, weil er ohne Unterschied des Standes jeden Menschen aufsitzen lasst.
FLORA. Ich glaub, du hast wieder dein’ witzigen Tag, da bist du noch unerträglicher als gewöhnlich.
PLUTZERKERN. Schimpfen S’ zu, lassen S’ Ihre Gall aus an mir! Lang wird’s so nit mehr dauern.
FLORA. Willst du etwa aus dem Dienst der gnädigen Frau gehn? Das wär g’scheit.
PLUTZERKERN. O nein; aber Sie werden gewiss bald heiraten, dann ist Ihrer Sekkatur ein neues Feld eröffnet, und ich bin nicht mehr der Spielraum Ihrer Z’widrigkeit.
[11]FLORA. Dummer Mensch! Ich werd mich nie mehr verheiraten, ich bleib meinem Verstorbenen getreu.
PLUTZERKERN. Vielleicht sieht er’s ein nach sein’ Tod; bei Lebzeiten hat er’s nie recht glauben wollen.
FLORA. Wenn ich die gnädige Frau wär, ich hätt Ihn schon lang gejagt.
PLUTZERKERN (mit Beziehung). Wenn ich die gnädige Frau wär, blieb auch nicht alles im Haus.
FLORA. Wer weiß, ob Er nicht bald springt! Ich hab die Erlaubnis, einen flinken, rüstigen Burschen aufzunehmen.
PLUTZERKERN. Das is recht, dann is doch die Plag nicht mehr so groß! Ich gieß den Winterradi, mehr Einfluss verlang ich mir nit.
FLORA. Geh Er jetzt zum G’vatter Polz, der will mir einen Gartenknecht rekommandieren.
PLUTZERKERN. Gut, vielleicht wird aus dem Knecht Ihr künftiger Herr.
FLORA. Warum nicht gar! Von mir bekommt jeder einen Korb.
PLUTZERKERN. Leider, das g’spür ich! Jetzt müssen Sie ihn aber wieder nehmen, wenn ich zum G’vattern soll. (Gibt ihr den bepackten Korb.)
FLORA. Mach Er geschwind, langweiliger Mensch! (Ab in die Gartentüre.)
PLUTZERKERN (allein). Hm, hm! Der Garten ist doch nicht so verwahrlost, und wie’s die treibt um den flinken, rüstigen Gartenknecht – hm, hm! (Geht rechts ab.)
[12]Fünfte Szene
Titus Feuerfuchs tritt während des Ritornells des folgenden Liedes erzürnt von rechts vorne auf.
Lied
1.
Der hat weiter nit g’schaut,
Beinah hätt ich ’n g’haut;
Der Spitzbub, ’s is wahr,
Lacht mich aus weg’n die Haar’!
Wen geht’s denn was an,
Ich hoff doch, ich kann
Haar’ hab’n, wie ich will,
Jetzt wird’s mir schon z’ viel!
Rote Haar’ von ein’ falschen Gemüt zeig’n soll’n?
’s is ’s Dümmste, wann d’ Leut nach die Haar’ urteil’n woll’n.
’s gibt G’schwufen g’nug mit ein’ kohlrab’nschwarzen Haupt,
Und jede is ang’schmiert, die ihnen was glaubt;
Manch blondg’lockter Jüngling is beim Tag so still
Und schmachtend – warum? Bei der Nacht lumpt er z’ viel!
Und mit eisgraue Haar’ schaun die Herrn aus so g’scheit
Und sein oft verruckter noch als d’ jungen Leut!
[13]Drum auf d’ Haar’ muss man gehn,
Nachher trifft man’s schon schön.
2.
(Drohend in die Szene blickend, von woher er gekommen.)
Mir soll einer traun,
Der wird sich verschaun,
Auf Ehr, dem geht’s schlecht,
Denn ich beutl’ ihn recht;
Der Kakadu is verlor’n,
Wenn ich in mein’ Zorn
Über d’ Haar’ ein’ kumm,
Der geht glatzkopfet um.
Die rothaarig’n Madeln, heißt’s, betrüg’n d’ Männer sehr;
Wie dumm! Das tun d’ Madeln von jeder Couleur.
Die schwarz’n, heißt’s, sein feurig, das tut d’ Männer locken,
Derweil is a Schwarze oft d’ fadeste Nocken.
Die Blonden sein sanft? Oh! A Blonde is a Pracht!
Ich kenn eine Blonde, die rauft Tag und Nacht.
Doch mit graue Haar’ sein s’ treu, na, da stund man dafur,
Nit wahr is, die färb’n sich s’ und geb’n auch keine Ruh –
Drum auf d’ Haar’ muss man gehn,
Nachher trifft man’s schon schön.
[14] So kopflos urteilt die Welt über die Köpf, und wann man sich auch den Kopf aufsetzt, es nutzt nix. Das Vorurteil is eine Mauer, von der sich noch alle Köpf, die gegen sie ang’rennt sind, mit blutige Köpf zurückgezogen haben. Ich hab meinen Wohnsitz mit der weiten Welt vertauscht, und die weite Welt is viel näher, als man glaubt. Aus dem Dorngebüsch z’widrer Erfahrungen einen Wanderstab geschnitzt, die Chiappa-via-Stiefeln angezogen und ’s Adje-Kappel in aller Still geschwungen, so is man mit einem Schritt mitten drin in der weiten Welt. – Glück und Verstand gehen selten Hand in Hand – ich wollt’, dass mir jetzt ein recht dummer Kerl begegnet’, ich sähet das für eine gute Vorbedeutung an.
Sechste Szene
Titus. Plutzerkern.
PLUTZERKERN. Der Weg war auch wieder umsonst! – (Titus erblickend.) Ein Fremder gestaltet sich vor meinem Blick?
TITUS (für sich). Schicksal, ich glaub, du hast mich erhört.
PLUTZERKERN (Titus musternd). Der B’schreibung nach, die mir der Herr Polz g’macht hat, könnt das der sein, den er erwart’t. Wuchs groß, Mund groß, Augen sehr groß, Ohren verhältnismäßig – nur die Haar’ –? (Zu Titus.) Sucht der Herr hier ein Brot?
TITUS. Ich such Geld, ’s Brot wüsst ich mir nachher schon z’ finden.
[15]PLUTZERKERN (für sich). Er sucht Geld – und das verdächtige Aussehen – (laut) auf d’ Letzt is Er ein Schatzgraber?
TITUS. Wenn mir der Herr ein’ Ort zeigt, wo einer liegt, so nimm ich gleich bei ein’ Maulwurf Lektion.
PLUTZERKERN. Oder is Er gar ein Rauber?
TITUS. Bis jetzt noch nicht, mein Talent ist noch in einer unentwickelten Bildungsperiode begriffen.
PLUTZERKERN. Versteht Er die Gartnerei?
TITUS. Ich qualifiziere mich zu allem.
PLUTZERKERN (für sich). Er is es! (Zu Titus.) Er möcht also bei unserer jungen, saubern Gartnerin-Witwe Gehilfe werden?
TITUS. Gehilfe der Witwe? – Wie g’sagt, ich qualifizier mich zu allem.
PLUTZERKERN.