Fragen zum Verständnis:
Wie versuchte man im Dritten Reich, die Euthanasie an verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen zu rechtfertigen?
In der DDR war „Fremdunterbringung“ die Universallösung für „verhaltensabweichende“ Kinder und Jugendliche. Welches Verständnis von Verhaltensstörungen liegt diesem Vorgehen zu Grunde?
Fragen zum erweiterten Verständnis und zur
Vertiefung:
Verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche wurden in der NS-Zeit als „Asoziale“ bezeichnet und galten als „erbkrank“. Welche Rolle spielen soziale Einbindung und Vererbung jenseits von Ideologien für das Entstehen von Verhaltensauffälligkeiten?
Warum bemühte man sich in der DDR nicht um alternative Bildungswege für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche?
Antworthorizonte als Online-Material verfügbar..
Grundlagenliteratur:
Beyer, C., Strobl, C., Müller, T. (2016): „Hier kommste nicht raus“. Geschlossener Jugendwerkhof Torgau: Endpunkt erzieherischer Willkür der SED gegenüber verhaltensabweichenden Jugendlichen. Schneider, Hohengehren
2.3 Separation und Institutionen
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt der Ausbau eines vielgliedrigen Sonderschulwesens da an, wo er zuvor ins Stocken oder zum Erliegen gekommen war (s. thematische Skizze 3). Daher verbreiten sich auch Schulen für Erziehungshilfe in Deutschland mehr und mehr. Ausgangspunkt dieser Schulart waren Sonderklassen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Zürich und in Berlin als „Erziehungsklassen (E=Klassen) für schwererziehbare Kinder der Volksschule“ (Fuchs 1930) entstanden. Auch wenn unter anderer Terminologie („kriegsgeschädigt“), wurden dort vermutlich „traumatisierte“ Kinder und Jugendliche beschult, die nach einer Phase intensiver pädagogischer Begleitung in einem pädagogischen Schonraum wieder dem Regelschulunterricht folgen sollten. Die Idee des Durchgangs ist von Anfang an ein Prinzip der Schule für Erziehungshilfe. Alsbald entwickelten sich diese Klassen zum „Sammelbecken“ für alle möglichen Kinder und Jugendlichen, die durch ihr Verhalten aus dem Rahmen fielen und an den Regelschulen als unbeschulbar galten.
Thematische Skizze 3: Separation und Institutionen
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Bremen, Hamburg und Berlin Kleinklassen für kriegsgeschädigte Kinder gegründet (Klink 1962, 92). Bald wurden sie zu Institutionen für leicht erregbare, leistungsverweigernde und anderweitig schwierige Schülerinnen und Schüler. Mitte der 1950er Jahre wurden bundesweit Sonderschulen für Erziehungshilfe gegründet, die unter uneinheitlichen Bezeichnungen bestanden. Zudem wurden aus einigen Heim- bzw. Heimvolksschulen Schulen für Erziehungshilfe (Mau 1981). Dem Gutachten des Deutschen Bildungsrates, stärker integrativ statt weiter separierend zu beschulen, folgte die Kultusministerkonferenz nicht – stattdessen wurde 1972 die Bezeichnung „Schule für Verhaltensgestörte“ eingeführt und zudem entstanden sonderpädagogische Ambulanzen.
Trotz Diskussion um die Schule für Erziehungshilfe (Myschker / Stein 2018, 356 f.) kam es nach der Wiedervereinigung zu einem Ausbau in Ostdeutschland. Sowohl in den „Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland“ (KMK 1994) als auch in den „Empfehlungen zum Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung“ (KMK 2000, 24 f.) wird dies dargelegt. Ging es der Schule für Erziehungshilfe vormals eher darum, Fehlentwicklungen zu verhindern, stehen aktuell der emotional-soziale Förderbedarf und besondere Erziehungsbedürfnisse im Mittelpunkt: Kinder und Jugendliche sollen die Möglichkeit erhalten, sich mit ihren Verhaltens- und Erlebensweisen auseinanderzusetzen, lernen und sich bilden zu können. Mit Blick auf die Schulqualitätsforschung halten Opp / Wenzel (2003) fest:
„Die Begegnung mit gefühls- und verhaltensgestörten Kindern erfordert neben erweitertem theoretischen Wissen und methodischem Repertoire auch die kontinuierliche Reflexion der eigenen Arbeit. […] Es geht darum, dass sich die Professionellen selbst und in kollegialen Zusammenhängen mit den Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen, Zielen und Problemstellungen der eigenen Arbeit konfrontieren“ (Opp / Wenzel 2003, 34).
Da die Schule für Erziehungshilfe von Beginn an als Durchgangsschule verstanden wird, werden Kinder und Jugendliche in einigen Bundesländern nur bis zur 6. Klasse oder aber erst ab einer bestimmten Jahrgangsstufe beschult, was aber bisweilen zu Anschlussschwierigkeiten führt.
Schulen für Erziehungshilfe sollen Regelschulen von als störend empfundenem und auffällig erlebtem Verhalten entlasten. Damit geraten sie jedoch in die Gefahr der