Einführung Gerontopsychologie. Ben Godde. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ben Godde
Издательство: Bookwire
Серия: PsychoMed compact
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846345672
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der Forschung gilt vielfach das experimentelle Design. Hierbei wird eine sogenannte unabhängige Variable, zum Beispiel die Aufgabenschwierigkeit, manipuliert und der Effekt dieser Manipulation auf eine oder mehrere abhängige Variablen, zum Beispiel die kognitive Leistung, gemessen. Aus einem solchen Design lässt sich schließen, dass Ausprägungen der unabhängigen Variable unterschiedliche Werte der abhängigen Variablen erklären oder verursachen können.

      Variablen in der Altersforschung

      Üblicherweise wird in Altersstudien das Lebensalter (chronologisches Alter) als unabhängige Variable verwendet und dessen Wirkung auf oder sein Zusammenhang mit abhängigen Variablen wie der Leistungsfähigkeit in verschiedenen Aufgaben, der Gesundheit oder der Gehirnfunktion untersucht (zu unterschiedlichen Altersbegriffen vgl. Kapitel 1). Allerdings ist die Variable Alter nicht wirklich unabhängig, das heißt, sie kann nicht manipuliert und Versuchspersonen können nicht randomisiert zu Altersgruppen zugeordnet werden. Deshalb spricht man bei Altersstudien von quasi-experimentellen Designs. Alter wird zwar als unabhängige Variable behandelt und kann verwendet werden, um Unterschiede zwischen Untersuchungsgruppen zu beschreiben. Es kann aber nicht darauf geschlossen werden, dass Alter Unterschiede in der abhängigen Variablen verursacht. Lebensalter wird deshalb auch als Trägervariable für andere, häufig mit dem Alter eng verknüpfte Faktoren bezeichnet (Trautner, 1978). Dazu gehören zum Beispiel der Bildungsstand, der sozioökonomische Status, die subjektive und objektive Gesundheit und andere psychophysische Faktoren, die die zu untersuchende abhängige Variable ebenfalls beeinflussen und die Ergebnisse verzerren können. In der Altersforschung ist man deshalb bestrebt, mögliche Effekte dieser sogenannten konfundierenden Variablen und Faktoren auszuschließen, um mit höherer Wahrscheinlichkeit tatsächliche Alterseffekte zu finden. Um Alterseffekte und Altersunterschiede als solche identifizieren zu können, müssen mit geeigneten statistischen Verfahren die Effekte der konfundierenden Variablen kontrolliert werden. Dies ist umso wichtiger, je länger diese Faktoren ihre Wirkung entfalten können, also im höheren Alter. Da sich im Verlauf des Lebens die Effekte der konfundierenden Faktoren kumulativ auswirken, ist folglich die Vorhersagekraft des Alters allein in der Regel relativ gering. Oder anders ausgedrückt, scheinbar zu beobachtende Alterseffekte können in Wirklichkeit ihre Ursache im langfristigen Wirken der konfundierenden Faktoren haben.

      Kohorte und Messzeitpunkt

      Zwei Faktoren, die insbesondere in der Altersforschung von großer Bedeutung sind und Alterseffekte vortäuschen können, sind die Kohorte, zu der der jeweilige Proband gehört, und der Zeitpunkt der Messung (Tabelle 3.1). Die Kohorte wird durch das Jahr oder die historische Periode bestimmt, in der die Person geboren wurde. Sie wird häufig auch als Generation bezeichnet. Personen einer Kohorte erfahren in der Regel ähnliche historische und soziale Einflüsse, die Personen jüngerer oder älterer Kohorten nicht erfahren. In einem Altersgruppenvergleich kann ein Kohorteneffekt also einen Alterseffekt vortäuschen. Ebenso verhält es sich mit dem Messzeitpunkt, also dem Jahr oder der Periode, in der die abhängige Variable einer Person erhoben wird.

      Personen gleichen Alters gehören zum gleichen Messzeitpunkt unausweichlich auch zur gleichen Kohorte. Deshalb ist es in diesem Fall unmöglich zu sagen, ob ein Effekt bezüglich der abhängigen Variablen ein Alterseffekt ist oder auf gemeinsamen Erfahrungen beruht. Eine Lösung wäre die Messung von Personen gleichen Alters zu verschiedenen Messzeitpunkten. Dies birgt aber die Gefahr, dass sich Untersuchungsmethoden und verwendete Untersuchungsmedien oder auch die Erfahrung der Probanden mit diesen Medien über die Jahre verändern. In der Altersforschung wurden deshalb verschiedene Verfahren entwickelt, um Alterseffekte mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit identifizieren zu können.

BegriffDefinitionGemessen wird …
AlterChronologisches AlterVeränderung innerhalb des Individuums
KohorteJahr der GeburtSpezifische historische Einflüsse
MesszeitpunktDatum des TestsAktuelle Einflüsse auf das Individuum
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      Als Kohorteneffekte werden in der Entwicklungsforschung Verhaltensunterschiede zwischen Personengruppen (Kohorten) bezeichnet, die darauf zurückzuführen sind, dass die Personen in einem bestimmten Zeitraum geboren sind und daher in bestimmten Phasen der Entwicklung vergleichbaren Umwelteinflüssen ausgesetzt waren/sind.

      Periodeneffekte beeinflussen relativ unabhängig vom Alter das Verhalten aller Personen einer Population.

      Querschnittsstudien

      Ein häufig verwendetes Design ist die Querschnittsstudie. In einer Querschnittsstudie werden Personen unterschiedlichen Alters zum selben Messzeitpunkt befragt oder ihr Verhalten gemessen. Schlussfolgerungen zum Effekt des Alters auf Variablen, wie zum Beispiel die Leistung in bestimmten Aufgaben, werden dabei aus dem Vergleich zwischen Personen unterschiedlichen Alters, z. B. jungen und alten Personen, zu einem Zeitpunkt gezogen. Dazu werden die Probanden in der Regel in Altersgruppen zusammengefasst, sodass keine kontinuierliche Abdeckung der gesamten Altersspanne notwendig ist.

      Der Vorteil von Querschnittsdesigns liegt darin, dass die Versuchspersonen nur zu einem einzigen Zeitpunkt untersucht werden müssen und dadurch der zeitliche Aufwand der Untersuchung und die Belastung der Probanden minimiert werden.

      Problematisch ist allerdings, dass dieses Design keine Auskunft über Veränderungen von Individuen geben kann, sondern mittlere altersbezogene Veränderungen über einen Altersvergleich geschätzt werden. Querschnittsstudien bergen überdies die Gefahr von Kohorten- und Periodeneffekten, indem gefundene Unterschiede auf historisch bedingt unterschiedlichen Lebensumständen und Ereignissen beruhen können. Auch besteht die Gefahr der Selektion bestimmter Individuen, insbesondere innerhalb der älteren Gruppe. Untersucht werden diejenigen, die bis zu diesem Zeitpunkt, aus welchem Grund auch immer, überlebt haben und die körperlich (noch) in der Lage sind, an der Studie teilzunehmen (Abbildung 3.2). Querschnittliche Designs erfordern deshalb eine sorgfältige Auswahl der Versuchsgruppen. Auch muss sichergestellt („validiert“) werden, dass die verwendeten Testprozeduren für die verschiedenen Altersgruppen und damit Alterskohorten gleichermaßen geeignet und vertraut sind. Schlussfolgerungen bezüglich eventueller Alterseffekte sind zumeist vorläufig und sollten in nachfolgenden Studien repliziert werden.

      Säkularer Trend

      Es gibt zahlreiche Hinweise aus Kohortenstudien, dass veränderte Lebensweisen, wie veränderte Ernährung und verbesserte medizinische Versorgung, im letzten Jahrhundert zu einer Zunahme der Körpermasse und einer beschleunigten körperlichen Entwicklung geführt haben. Auch die Intelligenzleistung zeigt einen solchen säkularen Trend mit einem kontinuierlichen Anstieg über die vergangenen Jahrzehnte („Flynn-Effekt“), der vermutlich ebenfalls mit den veränderten Lebensbedingungen zusammenhängt. Zeigen Ältere heutzutage eine schlechtere kognitive Leistung als junge Erwachsene, könnte dies darin begründet sein, dass sie schon als Kinder ein schlechteres Ausgangsniveau hatten.

      Korrelationsstudien

      Korrelationsstudien sind eine spezifische Form der Querschnittsstudien. Dabei gibt es jedoch keine abhängigen oder unabhängigen Variablen, sondern die zu untersuchenden Variablen – z. B. Alter und kognitive Leistung – werden miteinander in Beziehung gesetzt und auf einen Zusammenhang getestet. Der sogenannte Korrelationskoeffizient gibt Auskunft über die Stärke des Zusammenhangs (hier zwischen Alter und kognitiver Leistung).

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      Der Wert einer Korrelation kann sich zwischen -1 und +1 bewegen. Ein Korrelationskoeffizient von 0 bedeutet, dass keine Korrelation vorliegt. Ein negativer (-) Korrelationskoeffizient bedeutet, dass eine Variable zunimmt, während die andere abnimmt. Ein positiver (+) Korrelationskoeffizient bedeutet, dass beide Variablen zu- oder abnehmen.

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