Im 14. Jahrhundert schrieb Konrad von Megenberg, Universalgelehrter und Domherr zu Regensburg, in seinem Buch der Natur (7. Buch, 2. Kapitel, Seite 478): »Daz silber hat auch die art, daz ez ander geschmeid zusammen loett und ainz auz zwain macht. wenn man es pulvert und mischt mit edlen salben, so hilft ez wider die zaehen fäuhlen in den leib, diu flegma haizt. daz silber ist niht lauter an im silber sam daz golt: ez hat auch die art, wie waz ezan im selber ist, krizt man ain ander dinch da mit, ezswerzt ez. sein schaum haizt scoria ze latein und ist für daz kratzen guot und für den roten fluz auz den afternadern.«
Konrad von Megenberg berichtet von der Wirkung des Silbers bei Stoffwechselschwäche, Juckreiz und Hämorrhoidalbeschwerden, was Hildegards Aussagen widerspruchslos ergänzt.
Um 1530 beschreibt der Arzt Paracelsus das »Argentum potabile«, das trinkbare Silber.
Der medizinische Erfolg von Silberpräparaten war bis zur Zeit Samuel Hahnemanns nur sehr bescheiden. Seine Einschätzung von Silber als Medikament beschreibt der Begründer der Homöopathie 1798 in seinem Apothekerlexikon (2. Band, Seite 216f.), einem der Standardwerke der damaligen Zeit, wie folgt: »Der Apotheker bedient sich des Blättchensilbers (Argentum foliatum), um aus Luxus die Pillen zuweilen damit zu versilbern, ein Verfahren, wodurch diese ohnehin schon in unserm Magen schwerlösliche Arzneiform nur noch unauflöslicher und unwirksamer wird.«
In allen seinen weiteren Ausführungen beschreibt er zwei Formen des Silbernitrats, denn metallisches Silber wurde vor ihm nicht in der Medizin eingesetzt. Erst 1820 führte Hahnemann Silber als »Argentum metallicum« in dessen kolloidaler Verreibung als »sinnvolles Medikament« erstmals in die medizinische Therapie ein.
Silber in der Volksheilkunde
Immer wieder findet man im Internet die kolportierte Auffassung, dass früher Silbermünzen in die Milch eingelegt wurden, um sie länger haltbar zu machen. In der Literatur der Volksheilkunde habe ich dazu bisher keinen Hinweis gefunden. Also eine hübsche Geschichte, die möglicherweise wahr sein kann, aber keinesfalls »volksheilkundliches« Gut ist.
»Silber hat die Kraft, Dämonen und Krankheiten abzuwehren, wobei durch mehrere Generationen vererbtes Silber hier besondere Dienste tut. Speziell das Tragen von Silberringen hilft als apotropäisches Mittel gegen diverse Krankheiten. Geschabtes Silber, mit verschiedenen Pflanzen vermischt, gilt als Heilmittel gegen Tollwut, Nasenbluten, Wassersucht etc.« (U. Müller-Kaspar, Handbuch des Aberglaubens).
In der europäischen Volksheilkunde lebte die antike Auffassung, vermischt mit einer mittelalterlich beeinflussten Dämonologie, noch bis ins frühe
20. Jahrhundert fort, vor allem im Alpenraum, auf dem Balkan und im Mittelmeergebiet. Noch heute wird das Silber so eingesetzt, wie es bereits von Dioskorides und Konrad von Megenberg beschrieben wurde. Die Anwendung von Paracelsus und den Alchemisten der frühen Neuzeit bekam keinen Zugang in die Volksheilkunde, dazu war deren theoretischer Ansatz zu abstrakt.
Historische Forschung zu Silber als Medizin
1847 veröffentlichte Francesco Selmi in Modena erste Arbeiten zu kolloidalen Metallen und prägte den Begriff: Kolloid-Chemie.
1861 beschrieb der englische Chemiker Thomas Graham (1805–1869) den Unterschied von membranpassierenden Kolloiden gegenüber gefällten, nichtpassierbaren Niederschlägen.
1869 veröffentlichte der Franzose Gustav Ravelin eine Arbeit zur antimikrobiellen Wirkung von Silber in niedrigen Dosierungen.
1881 empfahl der Leipziger Gynäkologe Carl Sigmund Franz Crede (1819– 1892), der weit verbreiteten Bindehautentzündung bei Neugeborenen, die zur Blindheit führte, durch das Einträufeln von ätzendem Silbernitrat vorzubeugen. Aufgrund des Erfolgs und mangels einer besseren Alternative wurde diese sogenannte Crede-Prophylaxe bei Neugeborenen gesetzlich vorgeschrieben. Ende des 20. Jahrhunderts kam diese Methode in Verruf, wird jedoch heute noch vereinzelt in deutschen Krankenhäusern verwendet.
1893 beschrieb der Wissenschaftler von Nägeli (1871–1938) die Eigenschaft des Silbers mit »oligodynamisch«, was so viel bedeutet wie »wenig aktiv sein«. Er fand heraus, dass schon Konzentrationen von nur 0,0000001 Prozent Silberionen genügen, um einen in Frischwasser vorkommenden Keim (Spirogyra) abzutöten.
Von 1900 bis Anfang der 1940er Jahre, dem Beginn der modernen Antibiotika-Ära mit der Einführung der Sulfonamide, wurde Silber in der medizinischen Praxis in Europa und Amerika häufig eingesetzt. Verschiedene Silberverbindungen wurden verwendet, um eine Vielzahl von Beschwerden zu behandeln. Beschrieben sind in diesem Zusammenhang Infektionen der Lunge wie Lungenentzündung, Tuberkulose und Rippenfellentzündung; Geschlechtskrankheiten wie Gonorrhö und Syphilis; Hautverletzungen wie Wunden, Beingeschwüre, pustulöses Ekzem oder Impetigo; akute Meningitis und Cerebrospinalmeningitis; Infektionskrankheiten wie Mediterranes Fieber, Rotlauf, Blasenentzündung, Fleckfieber, Typhus und Mandelentzündungen; Augenerkrankungen wie Hornhautgeschwüre, Konjunktivitis und Blepharitis; auch Formen von Sepsis, einschließlich Kindbettfieber, Peritonitis und Post-Abortion-Septikämie.
1910 beschrieb Dr. Henry Cook, dass bestimmte kolloidale Metalle sehr effektiv bei der Abtötung von Keimen waren.
1919 schrieb der Amerikaner A. Searle in The Use of Colloides in Health and Disease: »Die Keimtötung gewisser Metalle in der kolloidalen Zustandsform ist nachgewiesen worden. Sie brauchen nur am Menschen angewendet werden, und das geschah in zahlreichen Fällen mit erstaunlichem Resultat.«
1924 wurde das erste elektro-kolloidale Silber durch elektrische Entladungen unter Wasser produziert.
Dr. Robert Becker untersuchte in den 1970er Jahren die Wirkung von kolloidalem Silber auf elektrochemische Vorgänge im Körper. Er stellte einen Bezug von Silber zu Krebserkrankungen fest. Obwohl er über fünf Jahre große Dosen von kolloidalem Silber eingenommen hatte, ergab eine Autopsie nach seinem Tod 1998, dass sich in seinen Organen kein Silber abgelagert hatte.
Farber hat durch seine jahrelange Arbeit bewiesen, das Silber ein hochwirksames Therapeutikum ist, es nicht im Körper angereichert wird und vor allem, dass es therapeutisch angewandt nie zu einer Argyrie führt.
1976 erschien die Untersuchung von Fumio Shimizu et al., vom Department of Microbiology, Tohoku University, Sendai, Japan, über die Deaktivierung verschiedener Viren durch Silbernitrat-Lösung: (Specific Inactivation of Herpes Simplex Virus by Silver. Nitrate at Low Concentrations and Biological Activities of the Inactivated Virus). Sie lässt nur eine unzulässige Verallgemeinerung auf kolloidales Silber zu.
In der Chirurgie hat Silber seinen Stellenwert zum Beispiel beim Abklemmen von Hirngefäßen oder zum Verschließen von Schädeldachdefekten (Heidenhain-Plastik). Vor allem zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde die Wirksamkeit des Silbers intensiv von zahlreichen Wissenschaftlern untersucht, die die Ergebnisse in renommierten Medizinzeitschriften wie Lancet, Journal of the American Medical Association und British Medical Journal veröffentlichten.
Der Australier Courtenay hat diese beeindruckenden Arbeiten gesammelt und in einem Buch (The hidden Truth, Sydney 1997) zusammengefasst. Darin sind auch etliche Mitteilungen über aktuelle Forschungsvorhaben enthalten, die belegen, dass sich die moderne Wissenschaft heute wieder sehr intensiv mit der Wirkung und den Einsatzmöglichkeiten kolloidalen Silbers befasst. Es würde jeden Rahmen sprengen, hier auf alle Details und Ergebnisse eingehen zu wollen.
Silberfunde in der Alten Welt und in der Neuen Welt
Die Gegenüberstellung zeigt eindrucksvoll, in welch langer Tradition der Silberabbau in Europa steht und auf welch geringe Erträge man angewiesen war, aber auch, von welchem Interesse die unermesslichen Bodenschätze der neuen Welt waren.
(Die angegebene Menge in Tonnen ist die Gesamtfördermenge in der angegebenen Zeit.)
Alte Welt
BRD/Mansfeld (Sachsen-Anhalt), 1199–1990, 12 000 Tonnen.
BRD/Freiberg (Sachsen), 1168–1969, 5500 Tonnen.
BRD/Oberharz (Niedersachsen), 16. Jahrhundert bis