Erst als er dicht hinter Laura stand, beschlich sie ein unangenehmes Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte.
Sie wollte sich umdrehen und den Namen der Freundin rufen.
Da stürzte der Maskierte sich auf sie!
Es kam zu einem kurzen, heftigen Handgemenge - und dann verlor auch Laura Holden das Bewusstsein...
6
Etwa zehn Minuten später kam Audrey Zima zu sich. Sie begriff zunächst überhaupt nichts und konnte sich nicht erklären, wieso sie in der Küche auf dem Boden lag.
Zwischen ihren Schläfen hämmerte es laut, und ein ziehender Schmerz saß in ihrem Nacken.
Die dicke Frau richtete sich benommen auf. Mit schmerzlicher Miene massierte sie ihr Genick.
Es dauerte ziemlich lange, bis sie begriff, dass sie in ihrem eigenen Haus überfallen und niedergeschlagen worden war.
Ächzend kam sie auf die Beine.
Die Tür, die zum Kräutergarten hinausführte', war nach wie vor offen. Sie schloss sie.
Ihr Kreislauf drohte zu versagen. Sie schloss die Augen, lehnte sich an den Kühlturm und atmete mehrmals tief durch.
Langsam öffnete sie die Augen wieder, und als sie einigermaßen sicher sein konnte, dass sie nicht mehr Umfallen würde, verließ sie - jede Gelegenheit, sich abzustützen, nutzend -die Küche.
Laura war verschwunden. Ihr Platz war verwaist.
»Laura?«, rief Audrey. »Laura!«
Die Freundin antwortete nicht.
»Laura!«, rief Audrey Zima noch einmal.
Stille herrschte im Haus.
Was ist passiert?, fragte sich Audrey. Wo ist Laura? Hat sie mitbekommen, dass ich in der Küche niedergeschlagen wurde? Hat sie Reißaus genommen? Was wollte der Kerl in meinem Haus? Ist er am Ende noch hier?
Ein eisiger Schreck fuhr ihr in die Glieder. Sie hielt die Luft an und lauschte.
Nein, es war niemand mehr im Haus. Sie war mit Sicherheit allein.
7
Janis Holden war 20. Ihr Bruder Dudley war ein Jahr älter. Sie sahen sich ähnlich, aber ihr Charakter hätte nicht unterschiedlicher sein können.
Dudley war nach dem Vater geraten und Janis nach der Mutter. Beide befanden sich in Janis’ Zimmer, und Dudley sagte soeben verächtlich: »Mach dir doch nichts vor, Janis. Du bist nicht besonders hübsch, hast keinen Geschmack, läufst immer in diesem unattraktiven Schlabber-Look herum, und du hast weniger Sex-Appeal als ’ne tote Wasserschildkröte. Dick Pryor würde niemals mit dir schlafen, wenn du nicht Andrew Holdens Tochter wärst. Pryor ist im Begriff, ein Broadway-Star zu werden. Er benutzt dich. Er erhofft sich dadurch, dass er sich im Bett deiner erbarmt, einen Karriere-Kick von unserem Vater.«
Janis starrte ihren Bruder wütend an. »Weißt du, was du bist, Dudley Holden?«
Er griente provokant. »Was?«
»Ein ganz fieses Schwein, das alles in den Dreck zieht«, spie sie ihm ins Gesicht. Tränen glänzten in ihren Augen. »Dick liebt mich.«
»Hat er das gesagt?«
»Jawohl, das hat er.«
»Dann hat er gelogen.«
Janis konnte sich nicht länger beherrschen. Immer wieder brachte Dudley sie zur Weißglut. Er legte es ständig darauf an, sie zu beleidigen und zu kränken.
Er war ein bösartiger Bastard. Sie hasste ihn, und sie verpasste ihm jetzt eine schallende Ohrfeige.
Sie traf ihn nicht oft. Zumeist sah er den Schlag rechtzeitig kommen und wich ihm höhnisch lachend aus, doch diesmal war sie schnell genug gewesen. Es klatschte laut - und Dudley lachte nicht.
Der Abdruck ihrer Hand leuchtete rot auf seiner Wange.
»Raus aus meinem Zimmer!«, keifte sie ihn an. »Verschwinde! Ich will dich nicht mehr sehen!«
Er maß sie abschätzig von Kopf bis Fuß, näherte sich rückwärts gehend der Tür, öffnete sie und sagte: »Ich bleibe bei meiner Meinung. Dick Pryor bumst dich nur, weil du Andrew Holdens Tochter bist, und aus keinem anderen Grund.«
Er flitzte augenblicklich aus dem Zimmer seiner Schwester. Kaum hatte er die Tür geschlossen,, zerschellte eine Kristallvase daran.
Janis hörte ihn draußen spöttisch lachen.
»Irgendwann bringe ich dich noch mal um, du gottverfluchtes Dreckschwein«, zischte sie mit brennendem Hass in der Brust.
Immer, wenn sie sich geärgert hatte, erwachte ihre Gier nach Schokoladeneis. So auch diesmal.
Wenige Minuten nachdem Janis ihren Bruder geohrfeigt und aus ihrem Zimmer hinausgeworfen hatte, ging sie nach unten und holte sich ihren kalten Frust-Killer.
Nach den ersten Löffeln ging es ihr gleich etwas besser.
Das Telefon läutete. Janis ging an den Apparat. Am anderen Ende war Audrey Zima, Mutters Freundin.
»Ist deine Mom da?«, wollte Audrey wissen.
»Nein«, antwortete Janis.
»Hätte mich auch sehr gewundert.«
»Ist etwas passiert?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Was denn?«, fragte Janis.
Audrey Zima erzählte es.
»Hat der Kerl irgendetwas mitgehen lassen?«, fragte Janis Holden hinterher.
»Ich vermisse nichts.«
»Dann - dann wurde Mom vielleicht... Oh, mein Gott, ich wage es fast nicht auszusprechen... Kann es sein, dass Mom - ge-gekidnappt wurde?«
»Das befürchte ich«, sagte Audrey Zima.
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