Das Industriegelände war seit Jahren nicht mehr in Betrieb.
Lagerhallen rosteten vor sich hin und selbst die Konkursverwalter des Unternehmens, das hier einst seinen Sitz gehabt hatte, schienen das Interesse an dem Gelände verloren zu haben.
Angeblich war das Grundstück mit Schwermetallen verseucht.
Deswegen fand sich auch niemand, der es erben wollte.
Ein ideales Versteck.
Der Krankentransporter fuhr vor ein Lagerhaus, dessen Fenster zugemauert waren.
Zwei bewaffnete Männer in dunklen Lederjacken kamen aus einer schmalen Stahltür heraus. Ihre Maschinenpistolen hielten sie feuerbereit im Anschlag.
"Wieso hat der Transport heute Verspätung?", knurrte einer der Männer.
Er hatte eine sehr heisere Stimme.
Sie gingen an der Fahrerkabine vorbei.
Es saßen zwei Männer darin, die sie noch nie gesehen hatten.
Aber das war in Ordnung.
Vor einigen Minuten hatten sie den Anruf des regulären Fahrers bekommen, der ihnen mitteilte, dass die heutige Tour zwei Neulinge machten.
Der Heisere hämmerte gegen die Fahrertür.
"Na los, kommt raus, ihr faulen Hunde! Oder glaubt ihr, dass wir die Tragen schleppen?"
Die beiden Männer in den weißen Kitteln stiegen aus.
Zusammen mit den beiden Bewaffneten gingen sie zur Rückfront des Transporters.
"Na, was bringt ihr uns denn heute?", fragte der Heisere lachend. "Lopez hat doch gesagt, dass wir mit der Jagd erstmal etwas kürzer treten, bis sich die allgemeine Aufregung gelegt hat..."
"Zwei G-men!", sagte der Fahrer des Transporters, ein Mann mit flachsblondem Haar. "Sie werden noch 'ne ganze Weile schlafen."
"Von mir aus hätte man sie gleich erschlagen können..."
"Schöne Grüße von Lopez, er kommt nachher vorbei."
"Na, wunderbar. Wo hat er die G-men aufgegabelt?"
"Frag Lopez. Ich mach hier nur meinen Job."
"Komisch, ich kenne dich gar nicht..."
"Ich dich auch nicht. Aber irgendwie begrenzt das doch das Risiko für jeden von uns, oder?"
"Auch wieder wahr."
Der Heisere öffnete die Transportertür mit einer ruckartigen Bewegung.
Er zuckte zusammen.
Die beiden G-men kauerten auf den Tragen.
Der Heisere und sein Komplize blickten direkt in die blanken Mündungen ihrer SIGs.
"Keine Bewegung! FBI!"
31
Ich hatte mir geschworen, diese Stimme nicht zu vergessen.
Die Erinnerung stieg in mir auf.
Erinnerung an das furchtbare Erlebnis in den Abwasserkanälen, als ich der Meute der maskierten Killer hilflos ausgeliefert war...
Diese Stimme...
Ich war mir sicher, dass dieser Mann dabei gewesen war!
Er gehörte zu den Männern, die auch unsere Freunde Sid und Brett auf dem Gewissen hatten.
Der Heisere wirbelte herum, stieß einen dumpfen Laut aus und riss die MPi herum.
Clive Caravaggio und Orry Medina steckten in den weißen Kitteln der beiden Männer, die den Transporter ursprünglich begleitet hatten.
Blitzschnell hatten sie ihre Pistolen hervorgezogen.
Die Läufe waren auf die beiden MPi-Schützen gerichtet. Sie erstarrten.
"Jeder Widerstand ist zwecklos", sagte ich. "Das Gelände ist im Übrigen weiträumig umstellt. Sie hätten keine Chance zu entkommen..."
"Verdammt..."
"Erinnern Sie sich an mich?"
Der Heisere verzog keine Miene. Seine Nasenflügel bebten.
Orry und Clive nahmen den beiden ihre MPis ab.
"Wie viele von euch sind noch da drinnen?", fragte Orry und deutete in Richtung des Lagerhauses.
"Findet es doch selbst heraus", krächzte der Heisere.
Wir holten die beiden in den Transporter und ketteten sie mit Handschellen fest. Clive blieb bei ihnen und funkte unsere Kollegen an, die sich im Umkreis um das Gelände verteilt hatten.
Orry, Milo und ich stürmten in Richtung der Stahltür, aus der die beiden Bewaffneten gekommen waren.
Sie stand einen Spalt breit offen. Ein Tritt öffnete sie vollends. Ich stürzte mit der SIG in beiden Händen ins Innere.
Milo deckte mich von hinten ab.
Ich blickte einen, langen, kahlen Flur entlang, der durch ein paar vereinzelte Glühbirnen erleuchtet wurde.
Eine MPi bellte auf.
Ich ließ mich seitwärts gegen die kahle Betonwand fallen.
Die Kugeln kratzten am Putz, zerfetzten eine Rohrleitung, die an der Decke entlanggeführt wurde.
Milo und Orry feuerten zurück.
Ich riss die SIG hoch und feuerte ebenfalls.
Ein Bewaffneter tauchte hinter der nächsten Biegung in Deckung.
Wir hörten seine schnellen Schritte.
Er rannte davon.
Orry griff zum Funkgerät, um die Kollegen vorzuwarnen.
Wenn der Kerl nach draußen kam, würden unsere Leute ihn empfangen.
Motorengeräusche dröhnten von dort jetzt auf. Eine Megafonstimme forderte alle, die sich eventuell noch im Inneren des Lagerhauses befanden, auf, sich zu ergeben.
Wir tasteten uns vorsichtig weiter voran.
Eine Explosion war jetzt zu hören.
Unsere Leute hatten eine andere Tür aufgesprengt. Über Funk meldeten sie sich bei uns.
Wir pirschten uns zur Biegung heran.
Rechts und links des Flurs befanden sich feuersichere Stahltüren.
Sie waren abgeschlossen.
Stimmen waren aus den Räumen heraus zu hören.
"Da ist jemand drin", stellte Milo fest.
"Das bekomme ich auf", meinte Orry, griff in die Innentasche und holte aus einem Etui ein Stück Draht heraus.
Augenblicke später sprang die erste dieser Türen auf.
Der Raum dahinter war dunkel.
Aber