Sie dachte nach. Das war eines der Dinge, die ich an Olga mochte. Sie gab keine leichtfertigen Tipps, sondern überlegte sich neue Wege. Ich stellte mir vor, wie sich beim Denken kleine Rädchen in ihrem Hirn drehten und aus ihren Ohren Dampf entwich.
»Eine Plattform für Dicke gibt es schon«, sagte ich, »die gehört aber zu einer ganz normalen Erotikseite. Wenn ich mich registriere, lande ich erst recht wieder im Pool mit allen anderen Frauen.«
»Probier es trotzdem«, sagte Olga. »Denk an die XP.«
Ich lachte. »XP. Das sollte ich mir auf ein Post-it schreiben und über den Schreibtisch kleben.«
»Oder auf die Innenseite eines Rings gravieren lassen. In elbisch.«
Wir lachten beide, dann legte ich auf.
Ich zog mir das Top über den Kopf und nahm mit der Webcam ein Bild meines Dekolletés im schwarzen BH auf, wobei ich mir beim Posieren gleichzeitig sexy und albern vorkam. Bevor mich der Mut verlassen konnte, registrierte ich mich auf dieser eher niveaufernen Plattform und lud das Foto hoch. Dann sah ich mir die Profile der Männer an. Ich fand mehrere hundert Herren, von denen gut die Hälfte ihr bestes Stück als von den Administratoren verpixeltes Profilbild benutzte. Aus denen, die darauf verzichteten, suchte ich mir die heraus, die »dick« als Beuteschema angaben. Doch keiner der Plus-Size-Lover, die ihre echten Fotos auf der Seite zeigten, gefiel mir.
Ich ging wieder zurück zur Startseite und sah mir die Männer näher an, die gar keinen Figurentyp angegeben hatten. Einer weckte meine Neugierde. Wie ich hatte »Freigeist 59« sich für ein Foto seines Oberkörpers entschieden. Sein Bild zeigte in feinen Zwirn gehüllte Schultern, einen Krawattenknopf und ein kantiges Kinn.
Bisher hatte ich für den konservativen Männertyp nichts übrig gehabt. Meine beiden Exliebhaber waren Kreative gewesen, Reisejournalist Harry mit seiner Vorliebe für schwarze Rollis und Kurator Bert, der für kunstvoll zerknitterte Jeanshemden lebte. Wieso war mir nie aufgefallen, wie sexy ein Anzug an einem Mann aussehen konnte? Ich klickte auf das E-Mail-Symbol. »Lieber Anzugträger …«
KAPITEL 7
Roberts Sakko fiel auf den Boden und bildete einen schiefergrauen Fleck auf meinem Parkett. Krawatte, Hemd und Gürtel folgten. Robert betrachtete das Durcheinander unserer herumliegenden Kleider. Der Kontrast zwischen dem diskreten Grau und Weiß seiner Sachen und den Rüschchen und Stickereien meiner Londoner Beute schien ihn zu amüsieren, und als er lächelte, leuchteten seine Zähne aus seinem dunkelgrauen Bartschatten. Die Lachfältchen um seine Augen schnitten sich noch tiefer in seine Wangen und brachten mich dazu, noch schneller zu atmen, als ich es ohnehin schon tat. Fast schon quälend langsam öffnete er den Reißverschluss seiner Hose, schien es zu genießen, dass mein Blick an seinen Fingern hing.
»Neugierig?«, fragte er, und Erregung mischte sich unter den kultivierten Klang seiner Stimme.
Ich leckte mir über meine Lippen, und spürte, wie Verlangen und Unsicherheit sich in mir duellierten. »Ich bin schon den ganzen Abend gespannt, was du unter deinem properen Anzug versteckst«, sagte ich.
Wieder schickte sein Lächeln kleine Blitze zwischen meine Schenkel. Robert schien nur meine Erregung zu bemerken, nicht meine Nervosität, und ich war stolz auf mich. Der Abend lief noch besser, als ich es mir erhofft hatte, schon seit er mit einem Abendessen im Café Prückel voll von Lachen und leichtem Geplauder begonnen hatte, und sich zu einem Spaziergang zu meiner Wohnung gesteigert hatte, begleitet von sanften Küssen und heißen Versprechungen.
Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, das alles so schnell lief, fast zu schnell. Es war gut so, sagte ich mir, das Tempo hielt mich davon ab, dass die Erinnerungen an Christian, an den geplatzten Traum mich überwältigten wie eine riesige Horde White Walker die Männer der Nachtwache im Land nördlich der Eismauer.
»Alles in Ordnung?«, fragte Robert.
Er hatte die Hose anbehalten. Seine Hand lag auf meiner Schulter.
»Sicher, warum?«
»Du warst auf einmal so nachdenklich. Und blass. Richtig weggedriftet bist du.«
»Entschuldige. Alte Gedanken.«
Robert nahm mich in die Arme. Ein kleines Zittern durchlief mich, als ich seine nackte Haut an meiner spürte, und ich war nicht ganz sicher, ob es Angst oder Lust war. Ich horchte in mich hinein, verband mich mit dem Zentrum meiner Intuition tief in meinem Bauch. Doch, ich vertraue ihm, dachte ich. Robert hatte die Situation im Griff. Ich war eindeutig nicht die erste Frau, die sein Profil unter all den Sexprotzen auf der Erotikseite ausgewählt hatte, und er wusste, wie man einer Frau das Gefühl gab, gleichzeitig begehrt und geborgen zu sein.
Ich stieß ein paar Rüschen weg, die bei meinen Füßen lagen. »Alles wieder gut«, sagte ich.
Robert senkte langsam den Kopf und küsste mich. Er neckte mich mit seinen Lippen, dann ermutigte er mich mit sanften, lockenden Bewegungen seiner Zunge, mich selbst vorzutasten und die seidige Hitze seines Mundes zu erkunden. Er schluckte mein Seufzen und schmiegte seinen schlanken Körper an meinen runden.
Gefiel ihm die Berührung mit meiner Fülle? Hatte er schon entdeckt, wie ausladend meine Hüften wirklich waren? Was würde er über die kleinen Dellen an meinem Hintern und an den Oberschenkeln sagen?
»Lass mich nur schnell das Licht ausmachen«, flüsterte ich, und wollte mich ihm entwinden.
Er hielt meine Hand fest und führte sie an seine Lippen. »Ich bin neugierig, wie nahe deine Figur meiner Fantasie kommt«, sagte er.
Ich war zuerst überrascht, dann fand ein kokettes kleines Lächeln den Weg auf meine Lippen. »Wie habe ich da ausgesehen?«
Er küsste mich wieder, dann strich er mit seinen Lippen über meine Wange, zu meinem Ohr und meinen Hals entlang. Ich drückte mich der süßen, heißen Reibung seiner Bartstoppeln entgegen, und atmete seinen Duft ein, eine Mischung aus Haut, Hitze und, zu meiner Überraschung, etwas, was nach Räucherkräutern roch und so gar nicht zu meiner Vorstellung von einem Marketingleiter eines großen Versicherungskonzerns passte.
Robert löste seine Lippen von mir. »Ich habe mir vorgestellt, wie dein Busen sich in meiner Hand anfühlt, wenn ich ihn vom BH befreie, und wie deine Haut unter deinem Kleid aussieht. Ob sie überall so hell ist wie in deinem Ausschnitt.«
Ich lächelte ihn an. Das klang doch besser als die grenzwertigen Fettenfantasien meiner anderen beiden Liebhaber. Viel besser.
Robert ließ seine Finger unter einen Träger meines BHs gleiten und zog ihn sanft nach unten. »Ich wusste seit dem Moment, als du ins Café kamst, dass ich dich vögeln will«, sagte er.
Die Lust in seiner Stimme schickte Schauer über meinen Rücken, die sich über meinen Bauch und meine Schenkel ausbreiteten. Wie gut zu wissen, dass mich mein Bauchgefühl nicht täuschte. Robert schien perfekt für meine Mission zu sein. Er war sanft, zärtlich und relativ unpervers. Ihr Göttinnen der Liebe, falls es euch denn gibt, bitte macht, dass es so bleibt, dachte ich.
»Jetzt lass mich machen«, sagte er, trat hinter mich und öffnete meinen BH. Er streichelte über meine Schultern und drückte Küsse auf das weiche Fleisch meines Rückens, sogar auf die kleinen Röllchen unterhalb der Taille. Dann kniete er sich hinter mich, um mit beiden Händen meinen Slip herunterzuziehen. Nicht nervös werden, Romy. Er weiß, dass du dick bist, und er mag es.
Ich hörte mich kichern, als er die tiefe Mulde am Ansatz meines Hinterns kitzelte. Robert strich über meine Pobacken, so sanft, als würde seine Hand über meiner Haut schweben. Ich glaubte zu spüren, wie die hauchfeinen Härchen sich unter seinen Fingern aufrichteten, und seufzte noch einmal, als der letzte Rest an Anspannung meiner Erregung wich.
»Du magst das, ja?«, fragte Robert.
»Und wie«, gurrte ich.
»Dann leg dich aufs Sofa.«
Ich gehorchte. Was hatte er vor?
Robert kniete sich neben mich,