Alexandra Walczyk
Sturmgeflüster Tödliche Spurensuche im Land der Sioux
Ethno-Krimi
Sturmgeflüster
Tödliche Spurensuche im Land der Sioux
Ethno-Krimi
von
Alexandra Walczyk
Impressum
Sturmgeflüster, Alexandra Walczyk
TraumFänger Verlag Hohenthann, 2015
eBook ISBN 978-3-941485-36-5
Lektorat: Ilona Rehfeldt
Satz und Layout: Janis Sonnberger, merkMal Verlag
Datenkonvertierung: readbox, Dortmund
Titelbild: „Sturmgeflüster“ von Alexandra Walczyk
Copyright by TraumFänger Verlag GmbH & Co. Buchhandels KG,
Hohenthann
Produced in Germany
Inhalt
Erstes Kapitel Lewis Left Hand Geistertanz
Zweites Kapitel Lewis Left Hand Schneegestöber
Drittes Kapitel Lewis Left Hand Akteneinsichten
Viertes Kapitel Lewis Left Hand Sturmgeflüster
Erstes Kapitel Kakisniyapi „Sie foltern dich“
Zweites Kapitel Lewis Left Hand Der Prozess
This is dedicated to those who live and fight the struggles of their people
To the prisoners of war, politics, crime, race and religion The living and the dead
Mitakuye Oyasin
Prolog
Er rennt durch das Gras den Hügel hinauf. Sein ächzendes Herz zieht keuchend ein Bündel Angst hinter sich her. Vage Hoffnung klammert sich an das löchrige Gewebe. Sein Gedankenbeutel ist leer. Ausgefranst vor Erschöpfung.
Eng geknüpfte Fragen verweben die brüchigen Fäden seines Verstandes. Flüchtige Antworten umflattern seinen Kopf. Schwer zu fassen.
Er läuft. Streift ab seine Haut. Seine Haut streift die Rinde der Steine mit heiserem Schrei. Ein Laut bricht aus seinen Lungen, den er festhalten möchte, trösten möchte. Der Boden unter seinen Füßen ist warm und duftet nach Salbei. Die Hitze schwelt in seinen Augen und versengt sein Gesicht. Der Wind zerrt an seinem Haar. Er stolpert und dreht sich im Kreis. Sein Tanz beugt das Gras. Ebnet den Weg.
Schüsse fallen. Der Tod wirft seinen Schatten über das Land.
Rasselnder Atem bläst der Sonne Staub ins Gesicht. Leben verströmt in pulsierenden Schlägen und wächst, herzwurzelnd in Erde, himmelwärts.
Er verharrt zitternd auf scharfkantiger Erinnerung. Das Echo der Furcht verhallt. Seine Gedanken und Füße betreten neuentdecktes, wiedergefundenes Land. Die Luft schmeckt nach Regen, Süßgras und Schmerz.
Und er rennt, ein Wirbel aus Licht, in schimmernder Klarheit davon. Folgt dem grünen Pferd der atmenden Erde. Leichtfüßig und schnell. Verschwindet seine Seele im Dunkel der Nacht. Verliert sich die Fährte zwischen den Steinen.
Erstes Buch
in the Rosebud Reservation in nameless villages empty rooms full of voices
Erstes Kapitel
Lewis Left Hand Geistertanz
New York, Mai 1968
Molly Walks Around The Water hatte sich davongestohlen. Weit weg von dem blauen Haus ihrer Erinnerung, weit weg von den Warteräumen der Vergangenheit kam ihr Kind zur Welt. Molly hatte die Farben ihrer Herkunft neu gemischt und verteilte sie mit großzügigen Pinselstrichen auf der weißen Leinwand ihrer Zukunft.
Andrew Maclean. Der Name ihres neuen Mannes. New York. Die Heimat ihres neuen Mannes. Andrew Maclean war ein guter Mann und er würde ein guter Vater für ihren Sohn sein.
Molly war allein. Allein mit der Vergangenheit und dem Traum der Zukunft in ihren Armen. Sie summte leise vor sich hin. Eine alte, erdige Melodie. Das Baby bewegte sich, drehte den Kopf. Die winzigen Finger der linken Hand ballten sich zur Faust. Die Mutter lächelte.
Molly Walks Around The Water nannte ihren Sohn Lewis Alistair Left Hand Maclean.
Lewis nach dem Vater ihrer Mutter: Lewis Clark Many Horses.
Alistair nach dem Vater ihres Mannes: Alistair James Maclean.
Left Hand nach dem wahren Vater ihres Sohnes: John Left Hand.
Andrew kam und küsste zuerst seine Frau und dann seinen Sohn.
Er war glücklich. Alles schien gut.
Rosebud Reservation, Mai 1968
John Left Hand wusste nichts von Mollys Schwangerschaft. Bemerkte nicht einmal, dass sie plötzlich nicht mehr da war. Er ahnte nichts von der Existenz seines Sohnes. Es konnte ihm auch völlig egal sein, denn John Left Hand Junior war bereits tot, als die Lichter in Mollys Kreißsaal ausgingen.
Molly hörte erst Wochen später von einem Zwischenfall in der Pine Ridge Reservation in South Dakota, bei dem, wieder einmal unter mysteriösen Umständen, ein Indianer ums Leben gekommen war. Eine Tatsache, die lediglich von der Presse im Osten registriert worden war. Ortsansässige Blätter urteilten anders.
„Zuviel Alkohol“ hieß es in seriösen Medienkreisen.
„Betrunkene Rothaut“ vermerkte eine der Lokalzeitungen.
„Kein Grund zur Aufregung“ lautete die schulterzuckende Reaktion der Bevölkerung.
Der Fall John Left Hand lag schon bei den Akten, bevor ein richtiger Fall daraus werden konnte.
John war das egal. Selbst wenn er noch hätte aussagen können, hätte ihn wohl keiner gefragt. Seine Leiche wollte auch niemand sehen. Nicht der Mühe wert. Kein rechtschaffener Pathologe schüttelte den Kopf. Kein aufrechter, vom Leben gebeutelter Beamter der Mordkommission bemühte sich um Aufklärung. Kein Aufschrei der Empörung ging durchs Volk. Und keine gramgebeugten Verwandten zogen vor Gericht, um beim letzten unparteiischen Richter des Staates ein gerechtes Urteil über einen Fall zu erwirken, der gar keiner war. Es hätten ohnehin keine Beweise mehr existiert, denn aufgrund einer bedauerlichen Unachtsamkeit der neuen Sekretärin des zuständigen Beamten hatte man die Leiche eingeäschert.
Die Polizei hatte ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen getan und die Leiche aufgesammelt. Der Pathologe hatte einen Zettel mit der Nummer 7985 an