Im subatlantischen Klimagebiet erreicht die Stechpalme Höhen bis 10 m, in England und Norwegen bis 15 m, während sie an der französischen Atlantikküste sowie auf den britischen Inseln im Freistand auch über 20 m hoch werden kann.
Die Stechpalme wächst nach dem Architekturmodell Massart, das durch senkrechtes Wachstum des Wipfeltriebes und waagerechte Seitenäste charakterisiert ist. Baumlaien denken meist, dies wäre die häufigste Wuchsform, nach der fast alle Bäume wachsen. Dieses Architekturmodell tritt jedoch fast nur bei Nadelbaumarten auf (z. B. bei Fichte, Tanne, Douglasie) und resultiert in einem für Laubbäume ungewöhnlichen Habitus.
Das ganz Besondere der Stechpalme sind ohne Zweifel ihre Blätter: Sie fallen vor allem im Winter auf, wenn fast alle anderen Laubbäume kahl sind. Dann glänzen sie in der Wintersonne und wirken durch ihre großen Blattrandzähne bizarr (Abbildung 2). Die glänzende Blattoberfläche kommt durch verstärkte Wachsauflagerungen zustande, welche die Blätter vor Austrocknung und Kälte schützen, denn sie sollen mehrere (bis zu 4) Sommer und Winter überleben. Vor dem Laubfall der ältesten Blätter im Spätsommer findet keine nennenswerte Blattfärbung statt.
Es gibt nur männliche oder weibliche Bäume (sog. Zweihäusigkeit), daher ist zur Fruchtbildung die Nähe beider Geschlechter notwendig: Sie sollten dann nicht weiter als 50 m voneinander entfernt stehen. Die von Insekten im Mai (bis Juni) bestäubten Blüten duften angenehm und sind grünlich- bis cremeweiß, aber durch ihre geringe Größe relativ unauffällig (Abbildung 4). Im Gegensatz dazu fallen die Steinfrüchte im Herbst und Winter durch ihre leuchtend rote Farbe zwischen den dunkelgrünen Blättern sehr auf. Das bemerken auch Vögel, die sie im Winter fressen, wenn sie bei Frost weich geworden sind.
Abbildung 4: Hübsche Blüten im Mai mit Bienen als Bestäuber
In natürlichen Beständen überwiegen vermutlich männliche Exemplare. Eine genaue Erfassung ist schwierig, da weibliche Pflanzen nicht jedes Jahr sowie erst in fortgeschrittenem Alter blühen und dann nicht als solche erkannt werden. Außerdem sind weibliche Zweige wegen ihrer attraktiven Früchte bei der Bevölkerung sehr begehrt, was zu einem Rückgang weiblicher Exemplare und in der Folge ganzer Bestände geführt hat. Die Früchte werden durch Vögel (Drosseln, Wildtauben, Feld- und Moorhühner) über größere Entfernungen transportiert und tragen so zur Ausbreitung der Stechpalme bei. Sie dienen den Vögeln allerdings meist nur in sehr harten, schneereichen Wintern als Nahrung. Deshalb verbleiben die Früchte oft noch bis zur nächsten Blüte (Mai/Juni) am Baum.
Eine natürliche Verjüngung über Samen kommt im Wald nur selten und nur an Standorten mit Altholzschirm vor. Die Vermehrung erfolgt dann vornehmlich über Wurzelaustriebe. In Gärten und Parks sieht man deutlich mehr Sämlinge. Die Samen unterliegen zunächst einer ein- bis dreijährigen Keimruhe, die auch in Versuchen unter keimungsfördernden Bedingungen (chemische Mittel, Phytohormone, mechanisches Ritzen, Temperaturwechsel) nicht zu brechen war. Grund dafür ist der zum Zeitpunkt der äußerlichen Fruchtreife noch kleine, ungenügend entwickelte Embryo.
Die Stechpalme entwickelt ein Herz- oder Senkerwurzelsystem: Horizontal verlaufende Hauptwurzeln verzweigen sich zu einem dichten Netz von Feinwurzeln in der Humusschicht, von den Hauptwurzeln dringen Senker in größere Bodentiefen vor. Die horizontale Ausdehnung des Wurzelsystems entspricht in Beständen etwa derjenigen der Krone, im Freistand kann sie auch deutlich darüber hinausgehen.
Sie gehört zur Familie der Stechpalmengewächse (Aquifoliaceae). Der Gattungsname „Ilex“ war die römische Bezeichnung der Stein-Eiche (Quercus ilex) und wurde wegen der ähnlichen Blätter auch auf die Stechpalme übertragen. Es gibt auch eine Ilexblättrige Eiche (Quercus ilicifolia). Das Art-Epitheton „aquifolium“ ist der römische Name dieser Pflanze und bezieht sich auf die stechenden Blätter (lat. acutus = scharf, spitz; lat. folium = Blatt).
2 Vorkommen und Ökologie
Die Stechpalme war im Tertiär-Zeitalter ein weitverbreitetes Gehölz, vor allem in subtropischen Wäldern. Während der Eiszeiten überdauerte sie im südlichen iberischen Raum. In der postglazialen wärmezeitlichen Massenausbreitung erreichte sie aus dem atlantisch-submediterranen Raum bereits vor 8.000 Jahren die heutige Ostgrenze der Verbreitung. In kontinentalen Bereichen ging sie sogar über ihr heutiges Areal hinaus, wie fossile Funde bei Cottbus und Weimar belegen. Außerdem stammen Fossilien aus England, dem Westrand der Lüneburger Heide (Honerdingen), der Schweiz (St. Gallen) und Oberitalien (Provinz Bergamo). Blüten zweier Ilex-Arten wurden in samländischem Bernstein gefunden, wodurch das hohe Alter der Familie und Gattung in Europa unterstrichen wird.
Die Stechpalme konnte jedoch erst mit dem Eingreifen des Menschen in der ehemals geschlossenen Waldlandschaft des atlantischen Eichenmischwaldes bessere Entwicklungsbedingungen finden. Deshalb erscheint sie erst zu Beginn neusteinzeitlicher Siedlungstätigkeit verstärkt in Pollendiagrammen, sodass ein synchrones Verhalten dieser Gehölzart mit siedlungsintensiven Phasen und Siedlungsdepressionen zu beobachten ist. Es wurde zudem eine Korrelation zwischen Buchen-Ausbreitung und stellenweiser Anreicherung von Ilex nachgewiesen, sie wird deshalb auch als Buchenbegleiterin bezeichnet. Ilex-reiche Bestände kommen aber auch in bodensauren Eichenmischwäldern vor.
Die Bodenansprüche sind indifferent. Man findet die Art deshalb auf den verschiedensten Bodenarten und sogar auf felsigem Untergrund und in Heidelandschaften (Abbildung 5). Sie kommt dabei vorwiegend auf mäßig trockenen, humusreichen Sand- und Lehmböden vor und geht bei entsprechenden lokalklimatisch günstigen, luftfeuchten und frostgeschützten Situationen auch auf kalkreiche Böden über.
Abbildung 5: Vorkommen in Heidefläche, unten stark gezähnte und oben glattrandige Blätter
Die Stechpalme ist relativ frosthart, aber empfindlich gegenüber Früh- und Spätfrösten. Keimlinge besitzen bereits im ersten Winter eine Frostresistenz bis –20 °C, wobei im Alter einige Herkünfte bis maximal –25 °C ertragen. Die Art ist aber gegen austrocknende Nord- und Ostwinde im Winter empfindlich. Frostschäden treten auch an ungeschützten Pflanzenteilen auf, die aus der Schneedecke oder aus schützender Begleitvegetation herausragen. Als (sub)atlantische Art ist die Stechpalme empfindlich gegenüber großer Trockenheit, wobei die Hitzeresistenz junger Blätter geringer ist als die älterer und eine fortlaufende Anpassung erfolgen kann. Ihre Verbreitungsgrenze ist temperaturbedingt: Sie kommt vor allem in Regionen vor, wo die mittlere Januartemperatur über –0,5 °C liegt und die Durchschnittstemperatur des wärmsten Monats 12 °C übersteigt.
Ilex aquifolium gedeiht sowohl in tiefem Schatten als auch in direktem Sonnenlicht, wobei sie in schattigen Wäldern allerdings nur geringere Wuchshöhen erreicht – optimal ist Halbschatten. In England und Irland mit dem dortigen atlantisch-milden Klima findet man auch Stechpalmenbestände, die ohne eine beschattende Baumschicht wachsen. Ehemalige Waldweiden erkennt man bisweilen an starken Vorkommen von auch hochgewachsenen Stechpalmen. Es wird vermutet, dass die Stechpalme heute in den verschieden differenzierten Forsten ein Relikt aus alter Zeit darstellt, in der in Deutschland Ilex-reiche Mischwälder vorgeherrscht haben. Die damalige Vielzahl von Stechpalmen ist auf die Hutewirtschaft zurückzuführen, sodass Ilex-reiche Wälder heute weitgehend als Relikte der ehemaligen Waldnutzung aufzufassen sind. Denn durch die Waldweide wurde die Stechpalme gefördert, da sie vom Großvieh gemieden