Sie sperrte den Mund auf. „AQ? Werbeaufnahmen? Wirklich, Jack?“ Ihr Gesichtsausdruck wurde weich, und ihre Augen funkelten vor Freude.
„So was in der Art. Es ist Teil ihrer neuen Marke. Durch all die Heimwerkersendungen und Gartenserien und so gibt es ein neuerwachtes Interesse an Architektur. Sie haben eine laufende Kampagne, und es gibt da ein Gebäude …“ Jack hatte ehrlich gesagt keine Ahnung von den Details. Er hatte nur ein paar Schnipsel eines Gesprächs zwischen Hops und der Verlegerin des Architecture Quarterly, Cabot Grayson, mitbekommen. „Irgendwo gibt es jedenfalls ein Gebäude.“ Jack lächelte und war fest entschlossen, seiner Frau den Gefallen zu tun. Ihr zu zeigen, was seine Worte nicht beweisen konnten: dass er an sie glaubte. „Ich kümmere mich um die Einzelheiten.“
„Und die wollen mich?“
„Sie haben um einen Fotografen gebeten. Ich habe dich vorgeschlagen.“ War es denn so falsch, der Liebe wegen ein bisschen an der Wahrheit zu drehen? Er wollte ihr Held sein. Er wollte, dass sie es nicht bereute, sich auf das Abenteuer mit ihm eingelassen zu haben.
Am Morgen würde er das alles Hops beibringen müssen. Aber es war nur ein kleiner Auftrag. Bestimmt konnte Hops ein paar seiner Regeln für Jack und seine junge Frau umgehen.
„Ehrlich? Und wann wolltest du mir das erzählen?“
„Heute. Wie gesagt, das wollte ich eigentlich, als ich nach Hause kam …“ Und London. Er musste ihr von London erzählen. Aber er hatte diese Woche noch eine große Präsentation und wollte eigentlich alles andere ausblenden, bis die perfekt war.
Trotzdem spürte er das Gewicht seiner Lüge. Wenn die wie ein Bumerang zurückkam, würde er Ärger bekommen – mit seinem Chef und seiner Frau gleichermaßen.
Die dunkle Welle überrollte ihn einmal mehr und brach sich an den Felsen seiner Seele. Für Jack Forester hatte Gutes keinen Bestand. Nie. Die Sache mit Hops, seine Arbeit, seine junge Ehe, das alles waren nur Illusionen.
„Über den Auftrag würde ich mich sehr freuen. Danke, dass du an mich gedacht hast.“ Taylor kam zu ihm herüber. Das Licht aus der Küche küsste ihren goldbraunen Scheitel. „Wann wäre das denn?“ Sie küsste ihn, schlang ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn.
„Ich-ich gl-glaube, nächste Woche.“ Jack vergrub sein Gesicht in ihrem langen, seidigen Haar. „Ich werde Petra anweisen, dir und Addison zu schreiben.“
„Danke.“
Und sein Herz seufzte.
„Und, also, wegen vorhin. Die Aufgaben im Haushalt und so. Also, das schaffen wir schon, Taylor. Das kriegen wir hin …“ Sein Telefon summte wieder, noch fordernder als vorhin, falls das überhaupt möglich war.
Taylor ging zu ihrem Schreibtisch zurück, und seine Brust fühlte sich ein zweites Mal so kalt an. „Nun geh schon! Wir können später reden. Aaron wird stinksauer sein.“
„Taylor“, sagte Jack und öffnete die Tür, „wegen Doug …“
„Vergiss ihn, Jack. Der will nur, dass alle nach seiner Pfeife tanzen.“
Er nickte. „Aber er ist ziemlich überzeugend.“
„Was meinst du damit?“ Der Schimmer ihres Computerbildschirms betonte die glatten, hohen Flächen ihres Gesichts, und der Anblick nahm ihm den Schneid.
„Nichts. Nur so eine Beobachtung.“
Nur so eine Angst, dass Jack sie verlieren könnte. Wie konnte er Taylor sagen, zeigen, wie sehr er sie liebte? Die Liebe war so ein unbekanntes Territorium für ihn.
Was er eigentlich wollte, war, sie zu fragen, ob sie ihn noch liebte. Ihre Wirbelsturmromanze und ihre Hochzeit waren unmittelbar nach dem Bruch mit Voss passiert.
Aber wenn er fragte, würde er schwach aussehen und erbärmlich klingen.
„Arbeite nicht zu hart, okay?“
Sie nickte lächelnd. „Und du spiel nicht zu hart.“
„Gegen Aaron? Oh doch, werde ich. Geht nicht anders, das ist so eine Alles-oder-nichts-Geschichte.“
Er musste hart spielen. Er musste die Zweifel und den Dreck, die Doug Voss hinterlassen hatte, aus seiner Seele verbannen. Vielleicht war „glücklich bis zu ihrem Lebensende“ nicht drin für sie, immerhin hatten sie den Sprung gewagt, ohne hinzuschauen, aber Jack klammerte sich an die Hoffnung. Im Zweifel Taylor zu vertrauen, was den Typen betraf, schien ein ganz guter Anfang zu sein.
Kapitel Vier
COLETTE
Manhattan
Ihr Tag begann auf dem Rücksitz eines Taxis, das sie zu einem Termin in einem Fotostudio in Brooklyn brachte, wo sie und ihre Kolleginnen und Kollegen des Ensembles von Morgen ist ein neuer Tag ein letztes Mal gemeinsam vor der Kamera stehen würden.
Das Ende einer Ära. Einer sehr langen, glanzvollen Ära.
Colette wand sich ihr Taschentuch um die Finger. Sie würde nicht sentimental werden oder gar weinen, aber das Ende einer Ära? Nun, was sollte denn eine gealterte Seifenoperndiva jetzt mit ihrer Zeit anfangen?
In ihrem Leben hatte es mehrere Enden gegeben, die schmerzhaftesten davon waren geschehen, bevor sie einundzwanzig Jahre alt geworden war. Während des Blitzkriegs war sie aus London weg aufs Land geschickt worden. Obwohl das schon fünfundsiebzig Jahre her war, gab es Tage – so wie heute –, an denen es ihr vorkam, als wäre es gestern gewesen.
Dann der Tod ihrer Eltern während des Krieges und wie sie mit sechzehn Großbritannien verlassen hatte, um bei ihrer Tante und ihrem Onkel in Tennessee zu leben.
Wie sie mit neunzehn aus Heart’s Bend abgehauen war. Wie sie damit ihn und den ganzen Kern ihres Wesens hinter sich gelassen hatte.
„Zoé sagt, deine Nichte sei heute die Fotografin? Ich wusste gar nicht, dass du eine Nichte hier in der Stadt hast.“
„Bitte?“ Colette wandte sich Ford zu, der seit einundfünfzig Jahren ihr Manager war. Ihr treuester Freund, neben ihrem Alter Ego Vivica Spenser, die sie seit dem Sommer 1954 in Morgen ist ein neuer Tag verkörperte.
„Deine Nichte? Sie sei heute die Fotografin?“
Ihre Nichte? „Oh ja: Taylor. Die Enkelin meiner Schwester Peg.“
„Peg.“ Colette kannte den Gesichtsausdruck, die gehobenen Augenbrauen und das gesenkte Kinn, wie er sie da so erwartungsvoll musterte. „Sag mir nicht, dass das keine verschütteten Gefühle weckt.“
„Mal ehrlich, Ford, du hättest Psychiater werden sollen und nicht Künstleragent.“
„Ich wusste gar nicht, dass es da einen Unterschied gibt.“
Colette drückte ihm sanft den Arm. „Taylor zu sehen wird keine verschütteten Gefühle wecken.“ Dank ihrer Karriere auf dem Fernsehschirm hatte sie die Kunst, sich zu verstellen, perfektioniert. Sie hätte einem Ertrinkenden ein Glas Wasser verkaufen können. „Wie sind im Grunde völlig Fremde. Ich habe sie einmal getroffen, als sie ein kleines Mädchen war, das ist über zwanzig Jahre her. Das letzte Mal, als ich in Heart’s Bend war. Als du mich dazu überredet hast, bei ihrer Weihnachtsparade den Marschall zu geben.“
Sie war außer Landes gewesen, als ihre Tante Jean im Sommer 1990 gestorben war. Als dann also das Angebot kam, bei der großen Parade Marschall zu sein, hatte Colettes