Die Hochzeitskapelle. Rachel Hauck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rachel Hauck
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783865069641
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während er ins Wohnzimmer zurückkam, und lachte leise. „Was glaubst du, warum er mitten in der Nacht Basketball spielen will? Der muss Stress abbauen. Ich nehme an, das Ding hat Koliken oder zahnt oder was weiß ich.“

      Das Ding? Eine der Grundsatzdiskussionen, die sie im Wirbel ihrer Gefühle ausgelassen hatten, war die Frage, wie viele Kinder sie haben wollten oder ob sie überhaupt welche wollten. Von seiner Standardantwort „Jetzt nicht“ einmal abgesehen, wusste Taylor nicht, was Jack von Familie hielt.

      Und davon abgesehen, dass er seine eigene Familie verabscheute.

      Taylor musterte ihn. Sie spürte ihr Herz in der Brust rasen. Sosehr sie es auch versuchte, sie schaffte es einfach nicht, ihre Ehe mit einem realistischen Blick zu betrachten. Jack zog sie immer noch in seinen Bann. Der bekümmerte, nachdenkliche, umwerfend gutaussehende Junge von der Highschool, der mit den verletzten, vernachlässigten Jugendlichen unterwegs war und trotzdem in allen Punkten herausragende Leistungen zeigte. Aus irgendeinem unbekannten, verstörenden Grund hatte sie den Wunsch, nein, das tiefe Bedürfnis, seine Aufmerksamkeit zu erhaschen und zu halten. Sie wollte ihn dazu bringen, sie anzulächeln, wegen ihr zu lächeln, für sie zu lächeln. Sie wünschte sich, in seinen Augen zu sehen, dass sie ihm etwas bedeutete, sein Leben vollständig machte.

      „Warum musst du?“, fragte sie ohne Vorwarnung.

      Jack schaute kurz zu ihr. „Was muss ich?“

      „So … perfekt sein.“

      „Perfekt?“ Er zog eine Grimasse und nahm einen Schluck Wasser. „Abgesehen davon, dass ich zu viel Geld ausgebe, meinst du?“

      „Jack …“

      „Ich bin entschlossen, zielstrebig, genau, vielleicht ein Perfektionist, aber wohl kaum perfekt.“ Noch ein Schluck Wasser. „Perfektion habe ich erst im Kalender stehen, wenn ich fünfundvierzig bin oder so.“ Er grinste und zwinkerte, und eine Hitzewelle überflutete Taylor. „Also entspann dich.“

      Hinter seiner Stärke und seinem Selbstbewusstsein erhaschte Taylor einen Blick auf den Jungen aus Heart’s Bend, der mit Dämonen kämpfte, die nur er allein sehen konnte. Er hatte all seine Gaben und einzigartigen Talente darauf verwendet, sich selbst zu heilen; Taylor musste erst noch entscheiden, ob ihm seine Versuche tatsächlich dabei halfen, wieder heil zu werden, oder ob sie ihn nicht sogar noch mehr verwundeten.

      War sein spontaner Heiratsantrag nur ein weiteres Heftpflaster für seine Wunden gewesen? Ein weiterer Versuch, seinen Schmerz zu vergessen? Waren sie zu ungestüm gewesen? Zu wollüstig? Von Sinnen?

      Ganz zu schweigen davon, dass Jack jede Frau haben konnte, die er wollte. Betonung auf jede. Models. Schauspielerinnen. Schönheitsköniginnen. Sie hatte sich mal seine Freundesliste bei Facebook angeschaut.

      Warum hatte er sich also gerade sie ausgesucht? Eine zu spät geborene Hippie-Fotografin. Aus der kleinen Stadt, die ihre gemeinsame Heimat war?

      Drüben am Kühlschrank überprüfte Jack eine Schachtel übriggebliebenes chinesisches Essen.

      „Haben wir noch etwas anderes als drei Tage alten gebratenen Reis?“ Er warf die kleine weiße Schachtel wie ein Basketballspieler in hohem Bogen in den Müll.

      „Ich dachte, du hättest keinen Hunger.“ Taylor hielt ihre Stimme leise und nüchtern, versuchte, nicht defensiv zu klingen.

      „Ich habe es mir anders überlegt. Wow, da haben wir nun also einen fünfzehnhundert Dollar teuren Kühlschrank mit nichts drin außer Essensresten.“

      „Wir haben Milch“, sagte sie, ging zum Sofa und setzte sich neben die Stelle, wo er gesessen hatte. „Und Müsli.“

      „Müsli?“ Sein schwerer Seufzer irritierte sie.

      „Was?“

      „Es ist nur einfach … Du bist doch tagsüber hier. Zu Hause. Ich dachte, du würdest dich um das Essen kümmern, um die Küche … ums Abendessen.“

      „Mich ums Abendessen kümmern?“

      „Du weißt, was ich meine.“

      „Nein, das weiß ich nicht.“

      „Es ist nur einfach … Du bist doch zu Hause.“

      „Ich bin nicht nur einfach zu Hause. Ich arbeite.“ Sie wies auf ihren kleinen Bürobereich, den sie in einer Nische ihrer Wohnung eingerichtet hatte. Der Bereich war klein, aber sie hatte einen wahnsinnig tollen Ausblick auf den East River und das untere Ende Manhattans.

      „Schön, aber können wir wenigstens hin und wieder hier aussortieren?“ Er warf mit großer Geste eine weitere Schachtel chinesisches Essen in den Mülleimer und knallte dann die Kühlschranktür zu.

      „Können wir gerne, tu dir keinen Zwang an.“ Taylor griff nach der Fernbedienung und schaltete um. Unter ihrer Haut brodelte der Groll. Den ganzen Tag über war er weg, kam dann ohne ein einziges zärtliches Wort nach Hause, zog sich um, um Basketball spielen zu gehen, und kritisierte sie nebenbei für zu viele Essensreste.

      Was lief denn um halb elf abends im Fernsehen? Irgendetwas Lustiges …

      „Was hat es eigentlich mit dir und den Essenresten auf sich, so allgemein gesprochen, meine ich?“, fragte sie. „Ich wollte das doch schon vor zwei Tagen wegwerfen, und du hast gesagt, ich sollte es noch behalten.“ Sie landete bei der Wiederholung einer Sendung aus den Achtzigern. „Dann iss es doch jetzt, Jack.“

      Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Tresen. „Ich sage doch nur, dass die Küche irgendwie dein Bereich ist.“

      „Mein Bereich? Was ist denn dein Bereich? Mir zu sagen, was ich zu tun habe? Ich kümmere mich doch schon um das Putzen, die Wäsche, das Einkaufen und um andere Erledigungen.“

      „Dein Zeitplan ist eben flexibler als meiner.“

      „Das stimmt überhaupt nicht. Ich bin genauso beschäftigt wie du, und ich habe keine Riesenfirma, die mir dabei den Rücken stärkt. Wenn ich gerade keinen Auftrag habe, muss ich mir einen suchen. Wenn ich diesen Auftrag dann habe, muss ich das Studio buchen, Ausrüstung mieten, die Zeitplanung machen und die Auftragsliste anfertigen. Dann gehe ich an die Recherche, und zwar ohne fleißige Helfer, die mich dabei unterstützen.“

      „Was ist denn mit Addison? Sie ist deine Assistentin. Ich habe eingewilligt, dass du sie aus unserer gemeinsamen Haushaltskasse bezahlen kannst.“

      „Sagt der Mann mit den fünfundzwanzig Paar Schuhen.“

      „Was haben denn jetzt meine Schuhe damit zu tun?“

      „Deine Schuhe, deine Ausgaben … Und jetzt gehst du mich an, weil ich ein bisschen Geld in Anspruch nehme, um eine Assistentin zu bezahlen.“

      „Und assistiert sie dir denn? Warum machst du die Retuschen bei den Fotos für Melinda House und nicht Addison?“

      „Sie ist nicht so gut bei so was. Noch nicht.“

      „Dann finde jemand, der das besser kann.“

      „Was? Nein. Sie ist organisiert und hat einen Blick für Details, sie hält mich auf Spur.“

      Sie war zu müde für all das. Und sie hatte dieses Karussell-Spiel so dermaßen satt. Du machst dies, ich mache das.

      Jack zog eine Schublade auf, dann eine zweite und schob den Inhalt geräuschvoll hin und her. Alle paar Sekunden schoss er ihr einen Blick aus seinen knallblauen Augen zu. „Haben wir denn nicht einmal Stift und Zettel hier?“

      Taylor zeigte auf den Stifteköcher neben dem Telefon. „Was hast du vor?“

      „Ich mache eine Aufgabenliste.“

      „Oh Jack, jetzt komm aber.“

      „Komm aber, was? Ich habe dich schon verstanden. Wir müssen das ausgeglichener aufteilen. Lass uns auf die eine Seite Taylor schreiben und auf die andere Seite Jack.“

      Warum