Welche Farbe hat der Wind. Aleksandar Žiljak. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Aleksandar Žiljak
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957771100
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      Aleksandar Žiljak

      Welche Farbe hat der Wind

      SF Erzählungen

      fantastic episodes XVI

      © 2017 Begedia Verlag für diese Ausgabe

      © 1999 bis 2011 Aleksandar Žiljak

      Umschlaggestaltung – Christian Günther

      Korrektur und Satz – Harald Giersche

      Übersetzung aus dem Englischen – Tommi Brem

      und Michael K. Iwoleit

      ISBN – 978-3-95777-110-0 (epub)

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      Die Toten

      SS-Gewinnkalkulation der Arbeitsleistung von KZ-Gefangenen

      Gewinne

      Durchschnittliche tägliche Verleihgebühren: RM 6,--

      abzüglich Verpflegung: RM 0,60

      Durchschnittliche Lebenserwartung

      9 Monate = 270 x RM 5,30 = RM 1.431,--

      abzüglich Kleidungsverschleiß: RM 0,10

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      Gewinne aus der Verwertung einer Leiche

       1. Goldzähne 3. Wertgegenstände

       2. Kleidung 4. Geld

      abzüglich Kosten für die Einäscherung: RM 2,--

      Durchschnittlicher Nettogewinn: RM 200,--

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      Gesamtgewinn nach 9 Monaten RM 1.631,--

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      *

      Die elektrische Klingel schrillt grell durch die Dunkelheit und reißt 41-571512 aus dem trüben Sirup des Schlafs. Er schlägt die Augen auf, die tief in sein hohlwangiges Gesicht eingesunken sind. Die düsteren Gestalten neben ihm begrüßen ihn mit eben solchen Augen. Kahle Köpfe werden benommen angehoben, steife Glieder rühren sich, Fingernägel kratzen über feuchte Bretter, als Körper sich umdrehen. Die Stromsparlampen an der Decke werden eingeschaltet, kaum hell genug, um die Finsternis halbwegs aus der Baracke zu vertreiben. Die Türen der Baracke werden lautstark aufgestoßen, und in einem Schwall kalter Luft tritt der Bokor ein, begleitet von Wachleuten. Die Wachen postieren sich schnell entlang der zwei Reihen von Schlafkojen.

      Der Zauberer bleibt im Gang zwischen den Kojen stehen, eine Peitsche in der Hand. Er mustert die Körper in den Kojen, dann hebt er langsam, in einer fast theatralisch steifen Geste, die linke Hand und befiehlt mit einer Grabesstimme:

      »Aufstehen! Aufstehen!«

      Die Wachen stürmen mit gezückten Schlagstöcken voran, versetzen den ausgemergelten nackten Körpern Stöße und überschütten sie mit Obszönitäten. Die Leiber winden sich übereinander wie Regenwürmer in der Erde, die von der Zauberei des Bokors zum Leben erweckt wurden. Die Wachen tragen schwarze Uniformen, sind mit Pistolen und Maschinenpistolen bewaffnet und Panzern aus Kevlar geschützt. Sie tragen Helme mit hochgeklappten Visieren auf den Köpfen. Einige tragen Gasmasken auf den Gesichtern. Die Luft in der ungeheizten Baracke stinkt nach feuchter Friedhofserde, und einige haben sich nie daran gewöhnen können, auch nach jahrelangem Dienst im Lager nicht.

      Die Dreifachkojen sind aus Brettern gezimmert, gestützt von Pfosten und Balken. Zwischen den Kojen ist jeweils ein halber Meter Platz. Sie erstrecken sich in zwei langen Reihen entlang der fensterlosen Wände der Hütte. Unverständliches Zeug murrend, ziehen sich die Leiber aus den Kojen, springen und fallen auf den Betonboden. Die von oben fallen über die, die aus den unteren Kojen gekrochen sind. Alles ist eine stinkende Masse aus totem Fleisch, das zuckt und tropft, sich erhebt und wankt, schläfrig dahinstolpert und unartikuliert vor sich hinmurmelt, begleitet von den Flüchen der Wachen und den Befehlen des Bokors, als sie sich entlang der Kojen aufstellen. Rechts von 41-571512 bückt sich ein Aufseher, der eine Maske trägt, zwischen die Kojen. Er trägt ein rotes Band um den linken Arm. Seine Faust umklammert einen Knüppel, der länger ist als die Schlagstöcke der anderen Wachen. Er stößt damit den Körper an, der in der unteren Koje liegt. »Steh auf, Mann!«, ruft er. Der Körper rührt sich nicht. Nach einem weiteren Stoß steht der Aufseher auf und wendet sich dem Bokor zu.

      »Der hier ist hinüber«, meldet er mit einem Ekel in der Stimme, der selbst durch die Maske hörbar ist.

      »Sie sind alle definitionsgemäß - wie Sie es so schön ausdrücken - hinüber, Aufseher«, sagt der Bokor und zuckt die Achseln. Der Aufseher packt den reglosen Körper am linken Handgelenk und scannt den tätowierten Barcode mit einem Lesegerät. Dann tippt er etwas in das Gerät. Das Gesicht des Bokor bleibt völlig ausdruckslos, als er sich ein Mikrophon an die Lippen hält. »Wir haben einen für die Einäscherung in 5-b.«

      Unter den wachsamen Augen des Bokor stellen die Wachen die benommenen Gestalten in Reihen zu je vier Leuten auf. Einige von ihnen leisten schwachen Widerstand, heben die Hände, flennen, wimmern, als versuchen sie etwas zu sagen, ein Bitten, ein Betteln, eine Obszönität über die Lippen zu bringen, doch sie werden mit Knüppelschlägen und Stiefeltritten zum Schweigen gebracht. 41-571512 hebt nie die Hände. Er flennt nie, versucht nie etwas zu sagen, bleckt nie vergilbte Zähne in blutendem Zahnfleisch. 41-571512 ist ein gehorsamer Zombie. Zur Belohnung wird er weniger geschlagen als die anderen.

      »Folgt mir!«, befiehlt der Bokor ihnen allen, dreht sich um und geht hinaus. Gehorsam wie alle anderen trottet 41-571512 in die neblige Morgendämmerung der Industrie- und Gewerbezone hinaus, schlurft und stolpert über den kalten, feuchten Asphalt. Endlose Kolonnen nackter toter Körper - Arbeitskommandos - strömen aus den Baracken und stellen sich in Reihen auf, angetrieben von den tödlichen Stimmen der Bokors und den Flüchen und zuckenden Peitschen ihrer Wachen.

      Mit nahezu militärischer Präzision - soweit dies von Toten erwartet werden kann - formieren sich die Kommandos zu Brigaden, wobei vier Baracken je eine Brigade bilden. Nachdem sie sich gut zehn Minuten über den betonierten Hof gewälzt haben - umgeben von Stacheldraht, unter den überkreuzten Scheinwerferstrahlen, die wie Messer in den Nebel über dem Fluss Sava eindringen, und den starren, wachsamen Blicken von MG-Schützen, denen nichts entgeht - sind die Zombie-Brigaden schließlich bereit für den morgendlichen Appell.

      *

      »Können Sie unseren Zuschauern nun endlich das Geheimnis der Zombies enthüllen?«

      »Wie Sie selbst sagten, ist es ein Geheimnis. Ich kann Ihnen so viel sagen: die von Zombietech, Ltd. entwickelten, patentierten Technologien kombinieren die überlieferten Weisheiten haitianischer Voodoo-Zauberer mit den jüngsten Resultaten biologischer Forschung. Diese Technologien...«

      »Noch einmal bitte, zur Klarstellung für unsere Zuschauer: Zombies sind tot, ja?«

      »Natürlich. Jeder Zombie ist eine klinisch tote Person, bevor das Zombifizierungsverfahren angewendet wird.«

      »Ich frage dies, weil - gewissen Legenden zufolge - auch ein Lebender in diesen Zustand versetzt werden kann, nachdem er betäubt und durch Verabreichung bestimmter Drogen...«

      »Nein, nein, das ist nichts als Unsinn und Aberglaube! Man kann nur einen Verstorbenen in einen Zombie umwandeln.«

      »Außerdem befürchtet die Öffentlichkeit eine Epidemie. Angeblich handelt es sich um einen Virus, und sollte er freigesetzt werden...«

      »Ich kann Ihnen und der Öffentlichkeit versichern, dass nicht die geringste Gefahr besteht! Zombie-Apokalypse und solcher Unfug, das ist Romero und Milla Jovovich... Hollywood und Spielekonsolen, aber es hat nichts mit der realen Welt zu tun! Die Umwandlung eines Toten in einen Zombie ist ein streng individualisiertes Verfahren. Relativ einfach und ökonomisch profitabel, aber streng individualisiert.«

      *