Es war einmal ein Prinz. Rachel Hauck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rachel Hauck
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783865066954
Скачать книгу
anderer Leute Augen herum?“ Obwohl sie schon lange vermutete, dass Aurora lange Tage auf den Knien in ihrem Zelt verbrachte und von Gott auf eine Weise hörte, von der andere nur träumen konnten.

      „Ich schnüffele nicht. Aber ich sehe auf jeden Fall etwas.“ Sie zeigte von ihren Augen auf Susannas. „Ich hab die Gabe, weißt du. Deshalb musste ich Washington verlassen. Gott hat mir die Augen geöffnet, und ich konnte die Lügen sehen, die Dunkelheit. Nicht fühlen … sehen. Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten.“

      „Das Gute hast du nie gesehen?“

      Aurora lächelte. Ihre Zähne waren weiß und gleichmäßig, ein weiteres Vermächtnis ihrer Zeit in DC. „Ich seh das Gute doch gerade jetzt.“

      „Ich meine in Washington.“

      „Ich bin nicht in Washington. Ich bin auf St. Simons und schaue dich an.“

      Mehr kalte Schauer. Trotzdem brachte das Feuer von Auroras intensivem Blick Susannas Seele zum Brennen. „Hast du mir etwas zu sagen? Dann sag es.“

      „Okay. Danke dem Herrn für diese Angelegenheit mit Adam. Jetzt kannst du endlich deinen Weg gehen und brauchst nicht mehr herumzutrödeln und auf ihn zu warten.“ Aurora klatschte Hände so laut zusammen, dass Susanna zurückzuckte. Sie hatte einen Punkt hinter ihre Erklärung gemacht.

      „Weißt du, was dein Problem ist?“

      „Ich hab nur ein Problem?“

      Auroras lautes Lachen war völlig unbefangen. „Touché.“ Sie hielt Susannas Arme fest. „Du hast einfach nicht Schluss … du wolltest nicht loslassen. Du hast so sehr festgehalten. Ich seh ein bisschen von mir in dir, meine Liebe. Ich war so eng mit allem verbunden, dass Gott nicht mal meinen Namen flüstern konnte, ohne mich zu knacken. Ich musste loslassen. Ich musste zerbrechen.“ Sie drohte mit dem Finger. „Das ist genau das, was du auch brauchst.“

      „Ich glaube, ich weiß nicht, wie das mit dem Zerbrechen gehen soll. Jedenfalls nicht an den richtigen Stellen, Aurora.“

      „Er weiß es.“ Sie zeigte nach oben. „Und wenn ich mir das Ganze so anschaue, hat er die erste Sollbruchstelle schon richtig erwischt. War nicht allzu schmerzhaft, oder?“

      „Willst du mir sagen, dass Gott mir Adam geschickt hat, damit der mit mir Schluss macht?“

      „Wenn er dich gefragt hätte, hättest du Ja gesagt?“

      „Nein.“

      „Siehst du. Du wusstest es doch schon die ganze Zeit. Genau wie ich. Damals, mit den Drogen, als ich mich durch alle Betten geschlafen habe, da dachte ich, ich sei frei. Dabei war ich so dermaßen gebunden.“ Sie griff vor sich in die Luft. „Aber ich habe festgehalten. An meinem Ruf, meiner Karriere, meinem tollen Haus, meinen Kleidern, meinem Schmuck, meinem teuren Auto.“

      „Deiner Pediküre?“ Auroras Heftigkeit forderte Susannas Bequemlichkeit und ihr Verständnis von Gottes Platz in ihrem Leben heraus. „Wie kann ich meine Pläne und Ziele verfolgen, ohne …“

      „Ohne so verklemmt zu sein? Überlass das Ergebnis ihm. Wir machen unsere Pläne, aber Gott lenkt unsere Schritte.“

      „Ich habe keine Pläne, Aurora.“ Susanna warf einen Blick auf ihr Bürofenster in der zweiten Etage. „Nix, null, nada. Die sind alle mit Adam verschwunden.“

      „Fantastisch.“ Aurora vollführte ein kleines Tänzchen auf dem Gehweg. „Dann kann er ja kommen.“

      „Wer kann kommen?“

      „Der eine …“ Sie bedeckte ihren Mund mit ihren langen, schlanken Händen, und in einem einzigen Moment wichen die Haltung und der Anstand der Lobbyistin aus Washington der süßen Unschuld einer leicht verrückten Frau. „Du glaubst doch an, den einen‘, Susanna?“

      Eine göttliche Unruhe erschütterte Susanna. Sie fühlte sich nackt und verletzlich. Sie hatte nie jemandem von ihrem Glauben an „den einzig Wahren“ erzählt. Na ja, jedenfalls bis sie sich am Freitagabend bei Nate verplappert hatte.

      „Aurora, wovon sprichst du eigentlich?“ Bitte fang jetzt nicht an, Unsinn zu reden. Susanna sehnte sich danach, etwas Gutes, Tiefgründiges zu hören. Aber Aurora schlug Brücken zwischen den Welten. Zwischen natürlichen, übernatürlichen und manchmal leicht depperten Welten. Sie konnte jederzeit zwischen ihnen hin- und herwechseln.

      „Einer. Nur einer.“ Aurora warf ihre Arme weit auseinander. „Du bist frei, Suzy-Q. Und jetzt mach dich bereit.“ Sie wandte ihr Gesicht himmelwärts. „Glaub‘s. Er kommt …“ Überrascht atmete sie ein. „Er ist schon hier, oh wie schön, er ist ja schon hier.“ Aurora klatschte in die Hände und tanzte weiter.

      „Ja, gut, dann.“ Was als ermutigendes, vernünftiges Gespräch angefangen hatte, war im Laufe eines einzigen Satzes komplett außer Rand und Band geraten. „Wir sehen uns, Auroa. Vergiss nicht, Schuhe zu kaufen.“

      „Ich seh dich zuerst, Suz. Und lass diesen Adam nun mal ganz raus aus deinem Herzen. Lass los. Lass loooos.“ Sie hob die Hände und wackelte mit den Fingern. „Gott wird dein Herz mit Wundern füllen, von denen du noch nicht einmal geträääuuuumt hast.“

      „Oh, okay?“ Träume? Susanna konnte keinen Einzigen herbeizaubern. Hatte sie überhaupt Träume? Nein, sie hatte Pläne. Träume waren etwas für Märchen und Romanzen. Sie war praktisch veranlagt, geduldig und … traumlos.

      In den Tiefen ihrer Tasche hörte sie ihr Handy. Das Tonsignal kündigte eine Nachricht von Gage an.

      Mitarbeitermeeting in 5 Minuten. Du kommst zu spät.

      „Hör mal, Aurora, ich muss mich beeilen.“ Sie zeigte ihr kurz das Display. „Brauchst du noch was?“

      „Nein, mir geht es allerallerbestestens.“ Aurora lächelte, ganz perfekt und klar, und hüpfte dann über den Parkplatz in Richtung Wald davon, wo sie zwischen Bäumen und Unterholz verschwand.

      „Aurora?“ Susanna, die plötzlich ihre heilige Zuversicht vermisste, rannte ein paar Schritte hinterher. „Besorg dir ein paar Schuhe, ja? Aurora?“

      Aber sie war verschwunden.

      „Aurora?“

      Wie machte sie das nur? Als hätte sie sich im Nebel aufgelöst.

      Susannas Handy machte wieder ping.

      Meeting in 3 min.

      Gage. Als ob sich seine fünf Mitarbeiter zwingend pünktlich um neun Uhr treffen mussten. Als Susanna es bis in den zweiten Stock geschafft hatte, wartete er dort schon auf sie.

      „Und?“ Er verschränkte seine Arme und sah ihr suchend ins Gesicht.

      „Und was?“ Sie drängte sich an ihrem Chef … und Freund … vorbei und stellte ihre Tasche auf ihrem Schreibtisch ab.

      „Wie ist es gelaufen?“ Gage lehnte sich an den reich verzierten Türrahmen und zeigte vage auf ihre linke Hand. „Wie kommt‘s, dass mich kein Glitzern blendet?“

      „Ich dachte, wir hätten ein Meeting?“ Susanna griff nach ihrer University of Georgia-Tasse auf der Anrichte. Zeit und Abnutzung hatten das Logo verbleichen lassen, und das UGA sah inzwischen mehr wie ein IGI aus. Und das Maskottchen, eine Bulldogge, hatte keine Schnauze mehr.

      „Ja, klar, das Meeting. Haben wir. Aber ich wollte das Glitzern sehen. Adam ist doch nach Hause gekommen? Du bist am Freitag früher gegangen, um ihn zu treffen.“

      „Ich brauche Kaffee.“ Susanna glitt an Gage vorbei und die Treppe hinunter. Während des Gesprächs mit Aurora hatte sie sich zusammengerissen, aber Gages Nachfrage kratzte zu sehr an ihrem emotionalen Schutzwall.

      Er war ihr … und Adams … Freund, seitdem sie zusammengekommen waren, und war die ganzen zwölf Jahre dabei gewesen, hatte zugesehen, manchmal Rat gegeben.

      „Suz, was ist passiert?“ Gages Schritte donnerten hinter ihr die Treppe hinunter.