Beinahe erwartete Susanna, es auf der Titelseite der Tageszeitung zu sehen. Im Ehemaligen-Blättchen der Glynn Academy würden sie sicher auftauchen.
Adam und Susanna … aus dem Pärchen, von dem alle dachten, sie wären’s, wird nichts.
Auf dem Weg zu Gage Stone Associates wünschte sich Susanna, sie hätte ihren Eltern nicht mehr erzählt als: „Wir haben uns getrennt.“
Aber Mama … oh, Mama. Sie hatte schon gewusst, wie sie es anstellen musste.
„Was ist los? Ach, du meine Güte, Susanna, du siehst ja aus wie ein Geist.“
„Danke, Mama. Ist Absicht.“
Susanna war an diesem Morgen über einem Teller mit Rühreiern und Toast zusammengebrochen, als sie in der Küche des Rib Shack beim Frühstück zusammensaßen. Sie hatte geweint und jedes Wort, jedes verletzende, bohrende Wort aus ihrem Gespräch mit Adam berichtet. Sie fühlte sich wund und echt, hatte nichts von ihrem Austausch zurückbehalten.
Aber dann hatte sie Nate getroffen. Und diese Neuigkeit hatte sie für sich behalten. Er war ihr Lichtstreif am Horizont gewesen an diesem dunklen Freitagnachmittag. Vielleicht ein kleiner Schulterklopfer von Gott.
Nicht verzweifeln.
Am Sonntag ließ sie den Kirchgang ausfallen. Adams Eltern besuchten die Gottesdienste der Christ Church. Susanna konnte den Gedanken nicht ertragen, ihnen so früh über den Weg zu laufen.
Am Sonntagabend hatte wie immer das Familienabendessen im Rib Shack stattgefunden. Das Restaurant war voller Lachen, Musik, voller Familie und Wärme.
Susanna wollte sich lieber einigeln als dorthin zu gehen, aber ihre kleine Schwester Avery hatte darauf bestanden, dass sie mitkam. Mit ihren siebzehn Jahren war Avery weise, jung und überschwänglich. Und gelegentlich ganz groß im Überreden.
Großeltern, Tanten, Onkel und alle Kusinen und Cousins bis hin zu diversen Urgroßnichten und -neffen kamen an jedem ersten Sonntag im Monat ins Rib Shack. Daddy schloss das Restaurant für das Familientreffen. Es gab kaum jemanden, der die Treffen verpasste. Nicht einmal die Camdens, die möglicherweise nicht einmal blutsverwandt waren mit dem Truitt-Franklin-Vogt-Clan. Aber sie waren schon so lange dabei, dass sich keiner mehr richtig erinnern konnte.
Susanna verstaute ihre Gefühle in ihrem Herzen, versteckte sich in den Schatten auf der Terrasse des Shack und ließ es zu, dass die Gespräche, das Lachen und die Musik ihre Realität für ein paar Stunden verdrängten.
Dann kam der Montagmorgen, und der Wecker riss Susanna aus der besten Viertelstunde Schlaf, die sie das ganze Wochenende über bekommen hatte.
Sie starrte auf die roten Ziffern des Weckers und versuchte, sich eine Entschuldigung auszudenken, um sich krank zu melden und einen weiteren Tag im Bett zu verbringen.
Aber das Häagen-Dazs war ihr ausgegangen, und sie sehnte sich nach Mamas Frühstückseiern und Keksen. Also erlaubte sie sich, aufzuwachen und dem Tag entgegenzutreten.
Auf dem Parkplatz hinter den Büros von Gage Stone legte Susanna ihren Kopf auf das Lenkrad.
So sehr sie es auch versuchte, sie schaffte es einfach nicht, diesen bescheuerten Satz aus Adams Geständnis … „den richtigen Ring, aber nicht die richtige Frau“ … auszublenden.
Ja, sie hatte seine Nummer ein dutzendmal gewählt, aber sie hatte immer aufgelegt, bevor überhaupt eine Verbindung zustande gekommen war. Was hätte sie ihm auch sagen sollen? „Nimm mich zurück … Bitte überleg es dir noch mal, Adam.“ Oder besser: „Warte, ich will zuerst mit dir Schluss machen. Bitte frage mich, ob ich dich heiraten möchte. Ich sag dann Nein.“
Nichts davon hätte ihr weitergeholfen. Dann hatte sie Sonntagnacht in einer Art Anfall alles von Adam aus ihrem Telefon, ihrem Computer und diesem seltsamen digitalen Bilderrahmen, den er ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte, gelöscht.
Das hatte geholfen, und sie fühlte sich besser. Viel besser. Und sie hatte endlich schlafen können.
Aber die ganze Quälerei hatte sie tief in ihrer Seele erschüttert. Nicht wegen Adam, sondern wegen ihr. Wie hatte sie so blind sein können? So dumm? An einem Mann festzuhalten, den sie nicht wirklich liebte.
Ein leises Klopfen an ihrem Autofenster ließ sie aufschauen. Aurora. „Suzy-Q, geht es dir gut?“
Susanna tastete nach dem Fensterheber. „Aurora … hey.“
„Alles klar, Mädchen?“ Die Frau lehnte sich an die Autotür.
„Ja, klar, mir geht es gut.“
„Ich hab davon gehört.“ Tiefe Falten prägten die Konturen ihres verwitterten, aber weisen Gesichtes. Ihre grauen, klaren und ruhigen Augen beobachteten Susanna.
„Hat nicht die ganze Insel davon gehört?“ Susanna nahm ihre Tasche, öffnete die Tür und ging auf das Bürogebäude zu.
„Es macht die Runde.“ Aurora fiel in Gleichschritt, ihre nackten Füße krümmten sich auf dem scharfkantigen Kies des Parkplatzes.
„Aurora, wo sind deine Schuhe?“ Susanna zeigte auf die rot bemalten Zehennägel der alten Frau.
„Hab ich verschenkt.“ Sie hüpfte mit einem Seufzer auf den Rasen. „Meine Füße sind nur noch nicht abgehärtet. Ich bin vor lauter Schuhetragen ganz verweichlicht. Aber ich krieg sie schon in Form.“ Die obdachlose Frau sprach mit dem gepflegten Akzent einer Dame, die einst in Washington DC unter Politikern Lobbyarbeit gemacht hatte. Mit Erfolg. Forsch und immer auf den Punkt. „Ein Mädchen ist ins Lager gekommen. Sie war nicht ganz richtig.“ Aurora tippte sich an die Stirn. „Hatte überhaupt kein Kleingeld.“
Susanna hielt auf dem Gehweg neben Aurora an. „Also hast du ihr deine Schuhe geschenkt.“
„Naja, ich konnte ihr jedenfalls keine Tasche voll Kleingeld geben.“ Die Frau kicherte. „Denk nicht, ich hätte es nicht versucht.“
„Kein Zweifel.“ Susanna war sich sicher, dass Aurora mehr Kleingeld besaß als alle Frauen auf St. Simons lsland zusammen. „Brauchst du denn Geld für neue Schuhe?“
„Nö. Hab alles Geld, was ich brauche.“
Es war eine rhetorische Frage gewesen. Susanna wusste, dass die Frau genug Geld hatte. Sie wollte nur, dass sie auch ein bisschen davon für ihre Füße ausgab.
Aurora lebte einfach, aber weise. Es hieß, sie habe ein kleines Vermögen angehäuft, ehe sie Washington verließ, um in den Wäldern der Insel ihr Zelt aufzuschlagen.
„Bin eines Tages aufgewacht, als mich der Herr anstupste., Wirklich?’, fragte er., Das hier willst du also? Mit deinem Freund zusammenleben, trinken, Drogen und Lügen?’ Mädchen, damals konnte ich so haarsträubend lügen, ich hätte dir die Dauerwelle gespart. Diese ganze Fallenstellerei, von der ich dachte, ich hätte sie im Griff, hatte eigentlich mich im Griff. Deswegen bin ich zerbrochen …… Aber nur an den richtigen Stellen.“
„Kauf dir ein neues Paar Schuhe, Aurora.“ Susanna lächelte und schlenkerte ihre schwarze Aktentasche in Richtung der Füße. „Du wirst dir die Pediküre ruinieren.“
„Nimm mir meine Pediküre nicht übel, Suzy-Q. Du kannst ein Mädchen aus der Stadt holen, aber nicht die Stadt aus dem Mädchen. Es ist meine einzige Prasserei. Ich glaube nicht, dass Gott sich daran stört.“
„Ich glaube, das stört ihn so was von gar nicht. Hey, kauf dir doch diesmal gleich zwei Paar Schuhe. Eins zum Anziehen, eins zum Verschenken.“
„Vielleicht.“ Aurora hatte ihr graues Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Kleine Löckchen ringelten sich um Hals und Stirn. Zehn