Manfred Eisner
Leise Musik aus der Ferne
Roman
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2013
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Inhalt
Der Autor
Manfred Eisner, Jahrgang 1935, geboren in München, erlebte Kindheit und Jugend als Emigrant in Südamerika und kehrte erst 1957 nach Deutschland zurück. Er studierte Lebensmitteltechnologie im damaligen West-Berlin und war in diesem Beruf bis 1998 als Angestellter und noch bis 2009 freiberuflich als Industrieberater tätig. Er hielt weltweit Vorträge und schrieb zahlreiche Artikel, die – ebenso wie sein bekanntes Fachbuch – in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Seit 1981 wohnt er mit Ehefrau Anke in einer denkmalgeschützten Kate am Elbdeich in Schleswig-Holstein.
Lieber Leser,
es gibt, zweifelsohne, unzählige Liebesgeschichten. Diese hier möchte ich aber erzählen, weil mir sehr daran gelegen ist, dass deren Zeitkulisse noch mal in Erinnerung gebracht wird. Wir erleben leider eine Zeit, in der offensichtlicher Fremdenhass gegenüber unseren ausländischen Mitbürgern abermals ausbricht. Haben wir denn aus der Geschichte wirklich nichts gelernt?
Mein verbindlicher Dank an meine Familie sowie an alle gleichgesinnten Freunde.
Wie der Zufall so spielt
An jenem kaltfeuchten und nebligen, späten Herbstnachmittag war ich in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofes mit hochgeschlagenem Regenmantelkragen neugierig vor einem Plakat am Deutschen Schauspielhaus stehen geblieben, um mir die Übersicht des Spielplans anzusehen. Ganz plötzlich begann es heftig zu regnen und ich suchte rasch Unterschlupf in der ersten offenen Tür, die sich mir in der Nähe bot.
Die feuchte Kneipenwärme schlug sich augenblicklich auf meine Brillengläser nieder. Während ich die Brille mit dem Taschentuch reinigte, sah ich mich in dem von Rauch benebelten Lokal um. Sämtliche Tische waren besetzt und auch an der Theke herrschte reger Andrang. Lesend saß ein einsamer Gast an einem Ecktisch im Hintergrund vor einem halbvollen Bierglas. Ich trat an ihn heran und fragte, ob ich an seinem Tisch Platz nehmen dürfe. Er blickte von dem abgegriffenen, dicken Heft auf und nickte mir freundlich zu.
Ich hängte meinen nassen Regenmantel an einen Garderobenhaken und setzte mich an seinen Tisch. Bei dem schwitzenden Kellner, der gerade eilig vorbeihuschte, bestellte ich ein Alsterwasser. Danach wandte ich mich meinem Tischnachbarn zu, der sich inzwischen wieder seiner Lektüre widmete. Es war ein älterer, grauhaariger Mann. Seine leicht gebräunte Haut ließ den Südländer vermuten. Als ich ihn vorher angesprochen hatte, waren mir die dunklen Augen aufgefallen, die mich mit einem lebhaften Blick unter seinen buschigen, ebenfalls ergrauten Augenbrauen aufmerksam gemustert hatten. Er hatte ein von den Jahren gegerbtes, interessant wirkendes Gesicht und seine Stirn war von tiefen Falten zerfurcht. Diese verliefen so gleichmäßig wie mit einem Pflug auf dem Acker gezogene Gräben. Trotz der muffigen Wärme im Lokal trug er einen leger um den Hals geschlungenen roten Wollschal und einen ziemlich abgetragenen