Rudolf Taschner
VOM 1X1 ZUM GLÜCK
Warum wir Mathematik für das Leben brauchen
INHALT
VORWORT
Dieses Buch ist ein Essay. In zehn Kapiteln unterschiedlicher Länge wird darüber nachgedacht, was das überraschend klingende Wort bedeuten könnte: Die Mathematik ebnet den Weg zum Glück.
In den mit ungeraden Zahlen nummerierten Kapiteln und dem zehnten Kapitel blicke ich in erster Linie auf den Unterricht der Mathematik in unseren Schulen und schlage Maßnahmen vor, wie er sowohl zum Wohle der Kinder als auch der Gesellschaft zu gestalten wäre. Manche dieser Anregungen sind ausdrücklich wie Thesen verfasst, eine Fülle weiterer Anregungen findet sich zusätzlich zwischen den Zeilen. Dies entspricht der literarischen Gattung des Essays, das keine wissenschaftliche Abhandlung und keine Streitschrift sein möchte.
In den mit geraden Zahlen nummerierten Kapiteln (mit Ausnahme des zehnten Kapitels) schreibe ich vorrangig über die Mathematik selbst: Nicht über die an Universitäten gelehrte Disziplin, sondern über eine kulturelle Errungenschaft ersten Ranges, die man kennen soll, will man sich in der von Algorithmen und Technik durchdrungenen modernen Welt bewähren. Dieser Zugang zur Mathematik fand seit nunmehr 14 Jahren in dem von meiner Frau Bianca organisierten, im Wiener Museumsquartier beheimateten und von österreichischen Ministerien unterstützten math.space bei einem breiten Publikum begeisterten Zuspruch: Interessierte jeglichen Alters, vor allem aber junge Menschen wollen etwas von Mathematik erzählt bekommen. Auch im Internet kann man eine kleine Auswahl von math.space-Vorträgen als Videos verfolgen. All dies ist ein Beleg dafür, dass dieser Blick auf die Mathematik in den Schulen noch zu schärfen wäre.
Zumal er zu einem tiefen Verstehen von Mathematik führt, das glücklich macht.
Meine Frau Bianca und unsere Kinder Laura und Alexander unterstützten mich beim Schreiben und beim Korrigieren des Textes. Natürlich macht mich die Mathematik glücklich, aber das Glück der Geborgenheit, das Glück, in einer harmonischen Familie leben zu dürfen, ist ungleich wertvoller. Nikolaus Brandstätter und das hervorragende Team seines Verlages haben meinen Essay in gewohnt professioneller Weise zu einem schönen Buch verwandelt. Ihnen allen danke ich von ganzem Herzen.
Wien, im Sommer 2017
Rudolf Taschner
I
DIE LETZTE STUNDE
Wer in der Schule unterrichtet, weiß es: Es gibt zwei unvergessliche und prägende Augenblicke während der langen Zeit, die man mit den Kindern einer Klasse verbringt. Sie allein sind Lohn genug dafür, dass man sein berufliches Leben dem Lehren und Erziehen widmet. Einer dieser beiden unauslöschlichen Augenblicke ereignet sich bei den abschließenden Minuten der letzten Stunde.
Ich durfte es selbst wenige Male erleben. Als ich während meiner hauptberuflichen Tätigkeit als Mathematikprofessor, an einer Universität künftige Lehrerinnen und Lehrer fachlich auszubilden hatte, unterrichtete ich parallel dazu als Lehrer an einem Gymnasium jeweils eine Klasse in Mathematik. Dies erlaubte mir, die wissenschaftliche Lehre mit eigener praktischer Erfahrung des Schulalltags zu bereichern, was nicht nur für meine Studentinnen und Studenten, sondern auch für mich aufschlussreich war.
Die letzte Stunde jedenfalls in der achten Klasse, die ich ganz im Unterschied zu meinem sonst spontanen, nicht sonderlich organisierten Unterricht peinlich genau inszenierte, war mir immer besonders wichtig. Schon zu Beginn der Stunde bat ich ein wenig theatralisch darum, dass man mich aufmerksam machen soll, wenn in drei Minuten die Glocke zum Stundenende läuten werde. Ich hätte dann der Klasse etwas Wichtiges mitzuteilen. „Da wird er uns wohl verraten, welche Beispiele er zur Matura gibt“, wurde von Bank zu Bank geflüstert – es war damals noch die Zeit, als die schriftlichen Aufgaben zur Matura nicht zentral erstellt wurden;