Impressum
© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-875-1
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Burt Frederick
Auf Beutekurs
Der Konvoi zog nordwärts – bis die Seewölfe zuschlugen
Don Lope de Sanamonte, Kommandant von Fort St. Augustine, blies zur großen Jagd auf die beiden Ausbrecher, von denen ihn allerdings nur der „ketzerische Hugenotte“ interessierte, der ein Kumpan des berüchtigten Seewolfs zu sein schien. Und da Don Lope seine Offiziere und Soldaten für Idioten hielt, leitete er selbst die „Jagd“ – hoch zu Pferde, versteht sich. Vom hohen Roß holten ihn denn auch die beiden Ausbrecher herunter, und da war es aus mit der großen Jagd. Jetzt bestimmten Jean Ribault und Roger Lutz das Geschehen, das darin gipfelte, die eigene Crew aus dem Festungskerker zu befreien, die Kriegskaravelle „Chubasco“ im Hafen zu besetzen und auf See zu verschwinden. Und als dann Breitseiten donnerten, war das Spiel für Don Lope verloren …
Die Hauptpersonen des Romans:
Ben Brighton – sichtet als Kapitän der „Chubasco“ einen Geleitzug und muß eine Entscheidung treffen.
Don Juan de Alcazar – besorgt auf der „Chubasco“ die Navigation und steuert auf den Punkt.
Thorfin Njal – geht mal wieder hart ran mit seinem düsteren Viermaster.
Philip Hasard Killigrew – entwickelt die Taktik für eine Geleitzugschlacht.
Mac O’Higgins – ein irischer Bootsmann, der „von der Fahne“ geht.
Inhalt
1.
Die beiden Lampen, die das Mannschaftslogis der „Chubasco“ erhellten, waren in ihrer Form ungewöhnlich. Aus Bleiglas waren große, eiförmige Behälter hergestellt worden, die wie Vogelkäfige aussahen und lotrecht zwischen Spanten und Planken befestigt waren. Die Öllichter brannten mit stetiger Flamme in den Käfigen. Raffiniert angelegte Frischluftkanäle führten offenbar vom Hauptdeck bis hinunter in die Lampenkäfige. Die neuen Eigner der ehemals spanischen Kriegskaravelle hatten noch keine Gelegenheit gehabt, solche Einzelheiten näher zu ergründen.
Die Männer hockten beiderseits einer blankgescheuerten Planke, die als Tisch diente. Ihre Mucks waren mit Dünnbier gefüllt, ein Krug zum Nachschenken stand bereit. Sie kauten auf Brotkanten und bissen von geräucherter Dauerwurst ab, aus der das Fett triefte.
Regenschauer hatten die Männer von der Kuhl vertrieben. Der April des Jahres 1595 ging im Seegebiet nördlich der Kleinen Bahama Bank auf eine Art und Weise zu Ende, wie er seinem Namen in England kaum besser Ehre gemacht hätte.
Seit sie sich von Hasard, dem Wikinger und Jean Ribault getrennt hatten, lag die „Chubasco“ auf südöstlichem Kurs. Während sich die Männer für die Nacht stärkten, nahm Ben Brighton in der Kapitänskammer die letzten Logbuch-Eintragungen unter dem Datum des 30. April vor. Welch einen Tanz in den Mai es noch geben sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt keiner der dreizehn Männer, die unter Ben Brightons Kommando an Bord der erbeuteten Kriegskaravelle fuhren.
Bill, the Deadhead, nahm einen gurgelnden Schluck und stellte seine Muck krachend auf die Planke.
„Wir kriegen anderes Wetter“, behauptete er.
Die anderen blickten ihn an – kauend, schluckend, grinsend. Sie kannten den grobschlächtigen Mann aus der Crew Thorfin Njals zur Genüge. Manchmal, wenn es ihn irgendwo piekte, redete er etwas daher, nur, um Streit anzufangen. Seinen Namen hatte er von dem handtellergroßen Totenkopf aus Gold, den er an einer groben Halskette trug.
„Wenn der Hahn kräht auf dem Mist“, sagte Barry Winston, der glatzköpfige Engländer, „ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie’s ist. Ist ’ne alte Bauernregel. Gilt aber auch auf See. Ich habe mir von Ed Carberry sagen lassen, daß die Hühner auf der ‚Golden Hen‘ verdammt gute Wetterfrösche wären. Auf die könne man sich voll und ganz verlassen, wenn …“
„Red’ keinen Stuß“, knurrte Bill, the Deadhead. „Wenn ich sage, wir kriegen anderes Wetter, dann ist das nicht aus der Luft gegriffen. Klar?“ Herausfordernd blickte er in die Runde. „Ich kann so was nämlich begründen. Das haben schon Gelehrte herausgefunden. Man muß sich nur mal bemühen, auf die kleinen Dinge im Leben zu achten.“
„Was für Dinger denn?“ fragte Tammy begriffsstutzig. Der stiernackige Kreole mit der Hasenscharte würgte ein Stück Dauerwurst fast unzerkaut herunter.
„Nicht Dinger – Dinge, du Blödmann!“ sagte the Deadhead fauchend. „Es gibt Zeichen aus der Natur, und die haben verdammt nichts mit dem alten O’Flynn und seinen Spukgeschichten zu tun. Ich rede davon!“ Er deutete mit schulmeisterhaftem Zeigefinger auf einen der Lampenkäfige.
Die Männer starrten den Bleiglasbehälter und das Öllicht an, konnten aber nichts Ungewöhnliches daran feststellen.
„Erstklassige Handwerksarbeit“, sagte Pedro Ortiz, der schwarzhaarige Portugiese.
„Fragt sich nur, was das Motiv war“, fügte Diego Valeras hinzu, der wie ein Bruder Pedros aussah. „Haben unsere verehrten Vorgänger die Kästen so aufwendig gebaut, weil sie ihr Können beweisen wollten? Oder war es eher ein besonderes Sicherheitsbedürfnis?“
Die anderen bewegten nachdenklich die Köpfe hin und her. Als ein Mann, der lesen und schreiben konnte, wurde Diego stets ernst genommen. Was er sagte, hatte Hand und Fuß, das hatten die Männer aus der Wikinger-Crew mehr als einmal feststellen können.
„Ist doch völlig egal“, erklärte the Deadhead und würgte damit die von Valeras in Gang gesetzten Überlegungen ab. „Ihr habt es eben noch nicht gelernt, eure Klüsen richtig zu benutzen. Seht euch die Flamme an, nur die Flamme.“ Beinahe lauernd blickte er einen nach dem anderen an – so, als sei er der erfahrene Schulmeister, dem es nun endlich zu glücken schien, die ihm anvertraute Horde von tumben Bälgern auf den richtigen Weg zu führen.
Der hagere, dunkelhaarige Engländer, den alle nur als den Boston-Mann kannten, räusperte sich. Seine Miene drückte Unwillen aus. Jeder wußte, daß er äußerst schweigsam war und nur dann redete, wenn es wirklich sein mußte.
„Die Flamme brennt ruhig und gleichmäßig, Bill“, sagte er. „Mehr ist daran nicht festzustellen.“
„O doch“, widersprach der Mann mit dem goldenen Totenkopf auftrumpfend.